Drama | Griechenland/Deutschland/Niederlande/Italien 2014 | 83 Minuten

Regie: Syllas Tzoumerkas

Eine Griechin hat als fürsorgliche Mutter, gute Tochter und geduldige Ehefrau jahrelange ihre wahren Emotionen unterdrückt. Eines Tages erträgt sie die Ignoranz ihrer Umgebung jedoch nicht mehr und bricht radikal mit ihrem bescheidenen Dasein und ihrer Familie. Furios inszeniertes Familiendrama in verschachtelten Rückblenden, in denen die kollektive Implosion der griechischen Gesellschaft in dem nach innen weisenden Amoklauf der Frau gespiegelt wird. Neben der Tour de Force der Hauptdarstellerin bleiben die Nebenfiguren eher blass. - Ab 16.
Zur Filmkritik filmfriend

Filmdaten

Originaltitel
A BLAST | I EKRIXI
Produktionsland
Griechenland/Deutschland/Niederlande/Italien
Produktionsjahr
2014
Produktionsfirma
Homemade Films/unafilm/Bastide Films/PRPL/Movimento
Regie
Syllas Tzoumerkas
Buch
Syllas Tzoumerkas · Youla Boudali
Kamera
Pantelis Mantzanas
Musik
drog_A_tek
Schnitt
Kathrin Dietzel
Darsteller
Aggeliki Papoulia (Maria) · Basile Doganis (Yiannis) · Maria Filini (Gogo) · Makis Papadimitriou (Costas) · Themis Bazaka (Mutter)
Länge
83 Minuten
Kinostart
16.04.2015
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Familiendrama in verschachtelten Rückblenden als Spiegelung der griechischen Gesellschaft

Diskussion
Eine Frau hat genug. Jahrelang hat Maria funktioniert: die Kinder groß gezogen, die Finanzen der Eltern geregelt, auf ihren Mann gewartet, der als Seemann um die Welt gefahren ist. Doch irgendwann ist die Geduld am Ende. Nicht nur in Griechenland, wo Syllas Tzoumerkas’ zweiter Spielfilm entstand, der auch als Metapher für die kollektive Implosion des sozialen Miteinanders im Angesicht der Krise zu lesen ist. Eigentlich hat Maria es „geschafft“; sie lebt als gute Mutter, liebevolle Ehefrau und verantwortungsbewusste Tochter einen normalen Alltag in gutem Hause. Ihre Schwester ist zwar ein wenig dumm und mit einem Rechtsradikalen liiert, und ihr Ehemann Yannis ist fast immer weg. Doch der gelernte Matrose hat bei der Handelsmarine Karriere gemacht und verdient gutes Geld, von dem sich die Träume eines Einfamilienhauses verwirklichen ließen. Wenn da nicht die Kredit- und Steuerschulden ihrer gehbehinderten Mutter wären, die sich inzwischen auf mehrere Zehntausend Euro summieren. Maria zahlt mit dem Geld, mit dem sie eigentlich ihre kleinbürgerlichen Träume verwirklichen wollte. Die emotionale Frau Ende Dreißig stellt Beamte, Vater, Mutter und Ehemann zur Rede, stößt aber nur auf Ignoranz. Eine mehltauartige Gleichgültigkeit, die gleichermaßen Folge wie Ursache einer kollektiven sozialen Deprivation ist. Maria, die schon früher sehr emotional reagierte, ihre Leidenschaften in wildem Sex auslebte oder den Frust mit Mobbing-Attacken auf ihre Schwester verteilte, entschließt sich, ihr bisheriges Leben zu beenden. Nichts, was sie aufgebaut hat, erscheint ihr heute noch wertvoll. Das Handy fliegt aus dem Autofenster, als Ehemann Yannis sich nach einer Nacht mit dem schwulen Nebenbuhler meldet. Der Vater wird ins Wochenendhaus verbannt, wo er den angrenzenden Wald anzündet und dafür von den Dorfnachbarn fast gelyncht wird. Die Kinder kommen zur Schwester, auch auf die Gefahr hin, dass der rechtslastige Ehemann seine pädophilen Neigungen an ihnen auslebt. Griechenland im Jahre Null, eine Frau im Jahre Null. „A Blast“ erzählt von einer Gesellschaft, die an der Unfähigkeit zu Grunde geht, sich eigene Fehler einzugestehen. In geschickt angelegten Rückblenden handelt er aber auch vom nach innen gerichteten Amoklauf einer Frau, die einfach nicht mehr funktionieren will, nicht mehr funktionieren kann. Dieses Thema verleiht „A Blast“ eine universelle Dimension. Ist die soziale Dysfunktionalität nicht geradezu zwangsläufig, als ein letzter Versuch, radikal zum eigenen Ich zurückzukehren, angesichts der immer komplexeren Zusammenhänge, die permanente Leistung in Beruf, Familie und Freizeit verlangen, ohne den schönen Schein von blondem Sexsymbol und gesunder Ernährung, netter Elternschaft und professioneller Karriere zu verlieren? Angeliki Papoulia dominiert „A Blast“ mit bemerkenswertem schauspielerischem Facettenreichtum quasi als Eine-Frau-Stück. Zwischen leidenschaftlicher Liebhaberin und gemeiner Zicke, fürsorglicher Mutter und verzweifelter Schwester spielt sie eine Frau, die in ihrem familiären Netzwerk nicht zu Ruhe kommt. Furcht und Entschlossenheit, Erwartung und Verzweiflung spiegeln sich in ihrem Blick, in ihrer ganzen Körperhaltung. Erst am Schluss, nach der finalen Amokfahrt mit dem Familienfahrzeug, am Ende einer furiosen Tour de Force durch soziale und seelische Höhen und Tiefen taucht so etwas wie Gelassenheit auf. Ein bisschen Frieden am Ende der Welt, ein Ausstieg als Paukenschlag – furios, wenngleich mit Blick auf die im Hintergrund agierenden Nebenfiguren oftmals auch recht schematisch.
Kommentar verfassen

Kommentieren