Komödie | Kroatien/Deutschland/Bosnien-Herzegowina/Schweiz 2014 | 87 Minuten

Regie: Jasmila Žbanić

Als ein Ehepaar der ehemals großen lesbischen Liebe der nun hochschwangeren Frau in einem Ferienressort begegnet, droht das dem Liebesparadies den Garaus zu machen – zumal der Mann ebenfalls Gefallen an der verführerischen Animateurin findet. In der flitternden Sommerkomödie funktioniert nicht jede ins Klamaukige überzogene Szene einer "All inclusive"-Urlaubshölle. Einige köstlich treffsichere Pointen deuten dennoch an, was aus dem skurril angelegten Stoff herausholbar gewesen wäre. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
LOVE ISLAND
Produktionsland
Kroatien/Deutschland/Bosnien-Herzegowina/Schweiz
Produktionsjahr
2014
Produktionsfirma
Deblokada Prod./Komplizen Film/Okofilm Prod./Ziva Prod.
Regie
Jasmila Žbanić
Buch
Aleksandar Hemon · Jasmila Žbanić
Kamera
Christine A. Maier
Musik
Balz Bachmann
Schnitt
Isabel Meier
Darsteller
Ariane Labed (Liliane) · Ermin Bravo (Grebo) · Ada Condeescu (Flora) · Franco Nero (Marquis Polesini) · Leon Lucev (Stipica)
Länge
87 Minuten
Kinostart
15.10.2015
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Komödie
Externe Links
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Flitternde Sommerurlaubskomödie inklusive Liebesverwirrungen.

Diskussion
„All inclusive“! So lautet das Schlag(un)wort der Pauschaltourismus-Branche, unter dessen abstruse Formen annehmendem Stern auch Jasmila Zbanics Ausflug ins Komödienfach steht. Wer in ihrem kroatischen Ferienressort „Love Island“ nämlich „all inclusive“ bucht, der sollte sich nicht wundern, wenn auch auf der Gefühls- und Geschmacksebene aus dem Vollen geschöpft wird: Gleich zu Beginn „wedeln“ zwei von der Haarmähne bis zur Flosse kunterbunt eingefärbte Meerjungfrauen auf die Insel zu. Die Kamera taucht auf und damit in das bunte Stimmen- und Geräuschchaos eines überfüllten Urlaubsstrands, in dem zu knappe Badehosen und von Sonnencreme geweißte Nasen die ästhetische Schattenseite des Sonnenanbetens darstellen. Verkörpert werden sie vom Bosnier Grebo, der hier mit seiner höchstschwangeren, aus Frankreich stammenden Frau Liliana inmitten umhertollender Kinder die letzten kinderlosen Tage genießen möchte. Grebo, Feinripp-Träger und Klimaanlagen-Hypochonder, und die schöne Lili sind eines dieser sich neckenden, aber liebenden Paare, deren Zuneigung eher auf Geborgenheit, denn auf Attraktion zu gründen scheint. Zumindest wenn man sich ansieht, wie Grebos Libido absackt, wenn er an das friedlich schlummernde Kind in Lilis Bauch denkt, oder wie Lili vor Scham vergeht, als Grebo mit einem geradezu prophetischen Scorpions-Hit die Karaoke-Bühne entert: Der „Wind of Change“ wird denn auch recht kräftig wehen, als sich eine der Animateurinnen als Lilis große Ex-Liebe herausstellt. Flora, angehende Schauspielerin aus Rumänien, die sonst in Deutschland lebt, ist ähnlich nassforsch wie Grebo, aber ohne dessen peinliche Ausfallschritte. Vielmehr wird sie zum alles verschlingenden Gravitationspunkt des sich umkreisenden Paares, als die taktierende Flora angesichts von Lilis Zurückweisung Grebo zu verführen beginnt, was auch Lili nicht verborgen bleibt. Jasmila Zbanic arbeitete bisher in Dramen wie dem „Berlinale“-Gewinner „Esmas Geheimnis – Grbavica“ (fd 37 687) und „Zwischen uns das Paradies“ (fd 40 040) mittels starker Frauenfiguren einfühlsam die Nachbeben des Bosnienkrieges auf. „Love Island“ ist dagegen so etwas wie ein aus teils köstlichen Spitzen gegen vermeintliche Ehe- und Urlaubsparadiese, aus knallbunten Farben und etwas albernen Einfällen bestehendes Antidot: Am Pool, wo Grebo allen Gästen großzügig kostenfreie Drinks ausgibt, trifft er auf ein Ehepaar aus Malmö, mit dem er auf Schwedisch zu parlieren beginnt, weil er dort während des Krieges Asyl fand. Das in dialektgefärbtem Englisch kommunizierende, europäische Liebes-Dreieck treibt aber nicht mehr der nunmehr 20 Jahre vergangene Krieg, sondern die Verständigung der Völker und der Geschlechter um. Die Fronten haben sich verschoben. Dass in Bosnien und Herzegowina die Diskriminierung von Homosexuellen immer noch gang und gäbe ist, bringt Zbanic aber nicht dazu, die Bisexualität ihrer regional unabhängigen Figuren auch als gesellschaftliches, nicht nur als privates Problem zu erzählen: „Wie soll ich das meiner Mutter erklären?“, sagt Grebo einmal angesichts der lesbischen Eskapaden seiner Angetrauten. Aus dem Tritt kommt die von Sonne und Musik durchflutete Komödie aber nicht in dieser enthobenen Erzählhaltung, sondern in der Zeichnung des herzensguten, aber tumben Bosniers Grebo. Einerseits für die vergnüglichen Auswüchse von Dauerentertainment, Törtchen-Haufen und Crêpes-Station höchst empfänglich, ist der Chauvi wie alle anderen männlichen Figuren dermaßen überzeichnet, dass sich kaum nachvollziehen lässt, dass sie überhaupt für eine Beziehung in Erwägung gezogen werden. Den beiden liebenden Frauen hingegen ist das Reich der in einer Fantasie bebilderten Gefühle vorbehalten, aus deren Erinnerung eine neue Zukunft erwachsen könnte: Sie sind es, die sich in den Schatten des nächtlichen Ressortparks an ihren gemeinsam einstudierten Tanz zu Rammsteins „Du hast“ erinnern und sich dabei in fließenden Bildern in die Meerjungfrauen des Anfangs verwandeln, deren geheimes Unterwasserreich kurz vor der Aufdeckung steht. Wo die Sympathien von Zbanic und ihrer Kamerafrau Christine A. Maier liegen, die Grebos und Lilis aus dem Lot geratene Interaktion mit allzu hektischen Kamerazooms unterstreicht, daraus macht der Film keinen Hehl – obwohl er sich ein irritierend leichtherziges Happy End leistet.
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