Drama | Israel/Deutschland/Frankreich 2014 | 104 Minuten

Regie: Eran Riklis

Ein israelischer Palästinenser wird als erster Araber an einer Eliteschule in Jerusalem akzeptiert, wo er sich gegen Vorurteile und Schikanen behaupten muss. Als er sich in eine jüdische Mitschülerin verliebt, nimmt seine hoffnungsvolle Schulkarriere eine entscheidende Wende. Die berührende, mitunter humorvolle Parabel nutzt das Erzählmuster der Selbstfindung eines jugendlichen Helden, um mit viel Engagement, Feingefühl und einer kritischen Perspektive von der vertrackten Koexistenz der verfeindeten Völker zu erzählen. Die virtuose Inszenierung bedient ein großes Register von leichtfüßig dahinperlenden Tönen bis zu düster-wehmütigen Klängen, wobei der meisterliche Umgang mit Ellipsen hervorsticht, die mit zeichenhaften Verweisen die gängigen Stereotype überbrücken. - Sehenswert ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
DANCING ARABS | MON FILS
Produktionsland
Israel/Deutschland/Frankreich
Produktionsjahr
2014
Produktionsfirma
UCM/RIVA Filmprod./Heimatfilm/MACT Prod./Alma Film Prod.
Regie
Eran Riklis
Buch
Sayed Kashua
Kamera
Michael Wiesweg
Musik
Yonatan Riklis
Schnitt
Richard Marizy
Darsteller
Tawfeek Barhom (Eyad) · Razi Gabareen (Eyad als kleiner Junge) · Yaël Abecassis (Edna) · Michael Moshonov (Yonatan) · Ali Suliman (Salah)
Länge
104 Minuten
Kinostart
21.05.2015
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 12.
Genre
Drama
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
EuroVideo (16:9, 2.35:1, DD5.1 hebrä. & arab./dt.)
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Ein israelischer Palästinenser behauptet sich gegen Vorurteile und verliebt sich in eine Jüdin. Berührende, kritische Parabel über die Koexistenz verfeindeter Völker, von Eran Riklis mit viel Engagement und Feingefühl inszeniert.

Diskussion
Liebe macht Leiden. Doch was macht die Liebe so schmerzhaft? Was reißt Menschen wieder auseinander, obwohl die Anziehungskraft weiter besteht? Wohnt die Verzweiflung der Liebe unweigerlich inne? Und schwingt dieses Wissen als leiser, trauriger Ton nicht bei jeder neu eingegangenen Beziehung mit? So jedenfalls suggeriert es der melancholische „Joy Division“-Song, den Eyad zum ersten Mal hört, als er seinen Mitschüler Yonatan zu Hause besucht. Dem soll er zur Hand gehen. Yonatan hat multiple Sklerose und sitzt schwer gehandikapt im Rollstuhl. Aber wie so oft ist es gerade der Kranke, der den Gesunden stützt, dessen Blick weitet und ihm zu einem unverzichtbaren Freund wird. Denn auch Eyad hat kein leichtes Schicksal. Der Hochbegabte lebt in Jerusalem, fern von seiner Familie, wie auf einem schwer erreichbaren Stern. Als erster Araber hat er es an eine israelische Elite-Oberschule geschafft und muss jetzt lernen, mit den Vorurteilen seiner neuen Umgebung und manchen Schikanen zurechtzukommen. Sein Vater erwartet natürlich, dass der Sohn solche Schwierigkeiten spielend meistert. Er ist mächtig stolz auf seinen Nachwuchs, der ihn in allem übertreffen soll. Doch dieser ehrgeizige Plan gerät in Gefahr, als Eyad sich in Naomi verliebt. Wie werden deren Eltern reagieren, wenn ihre Tochter ihnen ihre Liebe zu einem palästinensischen Israeli offenbart? Eran Riklis hat mit „Mein Herz tanzt“ nicht nur einen vorzüglichen Adoleszenzfilm über eine scheiternde erste Liebe und das Bewusstwerden der Endlichkeit des Lebens gedreht. Sondern er hat darüber hinaus auch ein dichtes Zeitbild geschaffen, das sich aus kurzen, zugespitzten Alltagserfahrungen des Helden zusammensetzt. Riklis erzählt die Identitätssuche retrospektiv aus der Perspektive des jetzt erwachsenen Palästinensers. Der junge Mann reflektiert seine Veränderung und die seiner Umwelt bereits aus der Distanz. Es ist eine erstaunliche Selbstfindung, welche der Film für Eyad ersinnt. Die Inszenierung nutzt sie, um die vertrackte Koexistenz zweier Völker innerhalb des israelischen Staates und deren Ringen um eine gemeinsame Identität zu beleuchten. Virtuos fängt der Film die Stimmungen des Jugendalters ein und wirft dabei auch Schlaglichter auf die Gemütsverfassungen der israelischen wie der palästinensischen Gesellschaft. Der Regisseur bedient ein großes Register, das leichtfüßig dahinperlende, humorvolle Töne, aber auch düstere, trostlose, wehmütige Klänge umspannt. Hinsichtlich seiner Mittel sind insbesondere der Einsatz der Musik und die Art der Montage hervorzuheben. Der Film arbeitet meisterlich mit Ellipsen. Sie stellen Raum zur Imagination bereit und lassen damit sicherlich viel Unüberbrückbares aus, auf das beispielsweise aktuell Lizzie Dorons Roman „Who the fuck is Kafka“ hinweist. Aber sie unterlaufen auch Stereotype und schaffen zeichenhaft Verbindungen zwischen zwei sich befehdenden Gruppen. So sieht Eyad die Mutter seines Freundes ihn traurig erwartend hinter der Scheibe eines Cafés stehen. Schon fürchtet man, dass ihr schwerkranker Sohn gestorben ist. Doch dann schneidet der Film auf Eyads Mutter in Trauerkleidung: Es ist Eyads Großmutter, die gestorben ist. In der Trauer und Sorge um ihre Liebsten sind sich die Menschen gleich. Es ist also ganz und gar nicht die Liebe, welche das Liebespaar, die beiden Freunde, Mutter und Sohn auseinanderreißt. Riklis’ Film benennt die Ursachen hierfür genau und deutet sie als aktuelles Problem der israelischen Gesellschaft. Eyad wird von Naomi gezwungen, die Beziehung zu beenden, nicht etwa, weil sie ihn nicht mehr lieben würde. Nein, es geschieht um der Selbstverwirklichung im Beruf willen, wegen ihrer Ausbildung beim Militär, welches höchste Sicherheitsvorkehrungen verlangt. Und es ist diese Gesellschaft, die auch dem todkranken Freund sein schweres Leiden nicht ersparen will. Sie ist es, die einen Teil der Bevölkerung diskriminiert und klein hält – und letztlich sogar dazu zwingt, seine Identität aufzugeben. Nur so kann Eyad sein Glück machen.
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