Drama | Palästina/Italien/Deutschland/Frankreich 2013 | 87 Minuten

Regie: Rani Massalha

Nach einem nächtlichen Luftangriff stirbt in einem palästinensischen Zoo ein Giraffenmännchen. Als das Weibchen aus Trauer und Einsamkeit jede Nahrungsaufnahme verweigert, machen sich der Tierarzt des Zoos und sein zehnjähriger Sohn im besetzten Westjordanland auf den Weg, um einen Giraffenbullen aus einem israelischen Zoo zu entführen und ihn über die Grenze zu schmuggeln. Der dramatische, teilweise auf wahren Begebenheiten beruhende Spielfilm macht aus der Perspektive eines Kindes den Wahnsinn des israelisch-palästinensischen Konflikts auch für ein junges Publikum begreiflich. Dabei setzt er engagiert und mutig ein Zeichen der Hoffnung auf Veränderung. - Sehenswert ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
GIRAFADA
Produktionsland
Palästina/Italien/Deutschland/Frankreich
Produktionsjahr
2013
Produktionsfirma
MACT Prod./Heimatfilm/Lumière & Company
Regie
Rani Massalha
Buch
Xavier Nemo
Kamera
Manuel Teran
Schnitt
Carlotta Cristiani
Darsteller
Saleh Bakri (Yacine) · Laure de Clermont-Tonnerre (Laura) · Ahmed Bayatra (Ziad) · Mohammad Bakri (Hassan) · Loutof Nuweiser (Marwan)
Länge
87 Minuten
Kinostart
28.05.2015
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 12.
Genre
Drama | Kinderfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Zorro (16:9, 1.78:1, DD5.1 arab./dt.)
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Ein Tierarzt und sein zehnjähriger Sohn im besetzten Westjordanland versuchen, einen Giraffenbullen aus einem israelischen Zoo zu entführen und ihn über die Grenze zu schmuggeln.

Diskussion
Giraffe und Intifada: Beide Begriffe verknüpft der Titel zu einem neuen Wort. Aber was hat die bedrohte afrikanische Tierart mit der Intifada, dem Widerstand der Palästinenser gegen die israelische Besatzungsmacht, und dem israelisch-palästinensischen Dauerkonflikt im Westjordanland zu tun? In seinem Langfilmdebüt nutzt Rani Massalha, Sohn ägyptisch-palästinensischer Eltern, Giraffen als Symbol für einen untragbaren Zustand, für eine andere, „erhöhte“ Sichtweise und als Zeichen der Hoffnung, so wie es andere vor ihm schon mit Zitronenbäumen („Lemon Tree“; fd 38 908) oder Olivenbäumen („Zaytoun“; fd 42 015) getan haben. Er kann sich sogar auf eine wahre Begebenheit berufen, denn im Jahr 2003 wurde während der zweiten Intifada bei einem israelischen Bombenangriff tatsächlich eine Giraffe im palästinensischen Zoo von Qalqila bei Nablus getötet. Der bis heute immer wieder neu angetriebenen Spirale der Gewalt auf beiden Seiten, die selbst Erwachsenen kaum noch rational vermittelbar ist, setzt der Regisseur eine einfache und klar aufgebaute Geschichte eines tierliebenden Jungen entgegen. Der zehnjährige Ziad lebt mit seinem Vater in der Nähe des Zoos, in dem sein Vater als Tierarzt arbeitet. Ziad widmet seine ganze Freizeit den beiden Giraffen im Zoo, selbst wenn seine Schulkameraden ihn deswegen verspotten. Täglich erlebt er die Auswirkungen des israelisch-palästinensischen Konflikts hautnah – und weil der Film seine Perspektive einnimmt, macht er diese auch für Kinder leicht nachvollziehbar. Immer wieder rückt fast dokumentarisch eine überdimensionierte Betonmauer als Grenzzaun ins Bild, die alle Lebensadern durchtrennt und gegen die die einstige Berliner Mauer wie eine Miniatur wirkt. Schwer bewaffnete, schroffe und übernervös reagierende israelische Soldaten sind allgegenwärtig und bei den nächtlichen Ausgangssperren geraten Ziads Leben und das seines verzweifelt nach ihm suchenden Vaters in größte Gefahr. Denn Ziad, dessen Mutter bei seiner Geburt gestorben ist, möchte das Leben des Giraffenweibchens retten, nachdem der Bulle einen israelischen Luftangriff nicht überlebt hat und das trächtige Weibchen aus Trauer jede Nahrung verweigert. Die einzige Chance wäre, mit Hilfe eines befreundeten israelischen Tierarztes einen anderen Bullen aus einem israelischen Zoo zu entführen und ihn heimlich über die Grenze zu schmuggeln – allein schon seiner Größe wegen eine absurde Vorstellung. Und doch machen sich Ziad und sein Vater mit Unterstützung einer französischen Journalistin auf den Weg, um als „Giraffenterroristen“ genau das zu versuchen. „Macht euren lieben Kindern mal eine Freude“, mit diesem Slogan wirbt der Zoo von Qalqila um Besucher, gerade weil eine Kindheit im besetzten Westjordanland alles andere als unbeschwert ist. Der Film macht das an Ziad, der zur positiven Identifikationsfigur des Films wird, und an dessen Minenspiel fest. Dagegen geht „Giraffada“ auf politische und religiöse Hintergründe des Konflikts nicht ein und zeigt auch keine unmittelbaren Kampfhandlungen oder Gewaltexzesse. Vielmehr ist der Film von einer märchenhaften Zuversicht getragen, in der alles, was Gott schuf, einen Sinn hat, und in der das Leben „heiliger und wichtiger als jedes Versprechen ist“, wie Zian von einem alten Freund des Vaters erfährt, bei dem er in der Nacht Unterschlupf gefunden hat. Ein unbeschwertes Happy End kann es zwar nicht geben, das wäre verlogen, aber der Film stimmt hoffnungsvoll und vermittelt auch Kindern, dass ziviler Ungehorsam sinnvoll sein kann.
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