Dokumentarfilm | Österreich 2015 | 91 Minuten

Regie: Kurt Langbein

Bevölkerungsexplosion, Finanzkrise und die „Go Green“-Umwälzungen in der Energiepolitik haben weltweit zu enormen Nachfragen nach Ackerland geführt. Kleinbauern sind dem Druck der Investoren und Unternehmen nicht gewachsen, was eine zunehmende Verarmung und soziale Spannung nach sich zieht. Mit einer Fülle an Beispielen und Gesprächspartnern zeichnet der Dokumentarfilm einen beunruhigenden Trend nach. Zwar wird die Verantwortung der Politik dabei nur unzureichend gewichtet, dennoch vermittelt die konzentrierte, kontrapunktisch strukturierte Erzählweise tiefe Einblicke in die Strukturen einer immer ungerechter werdenden Welt. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
LANDRAUB
Produktionsland
Österreich
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
Langbein & Partner Media
Regie
Kurt Langbein
Buch
Christian Brüser · Kurt Langbein
Kamera
Wolfgang Thaler · Attila Boa · Christian Roth
Musik
Thomas Kathriner
Schnitt
Andrea Wagner
Länge
91 Minuten
Kinostart
08.10.2015
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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Verleih DVD
Movienet/AL!VE
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Gerade hat der fröhlich lachende Finanzberater ausgerechnet, wie man mit Investitionen in die Palmölindustrie in kürzester Zeit einen Profit von jährlich 40 Millionen Dollar erwirtschaftet. Um mit leicht herablassendem Lächeln noch schnell hinterherzuschieben: „Je nach Steuerstruktur bezahlen Sie davon natürlich etwas Steuer an das jeweilige Land.“ Szenen wie diese gibt es in „Landraub“ einige, und sie sind die besondere Stärke des Dokumentarfilms: Interviews mit ganz und gar auf den Profit fixierten Managern und Finanzberatern, die in ihrem Glauben an maßloses Gewinnstreben und die segensreichen Wirkungen der Privatwirtschaft teilweise skrupellos, teilweise zynisch oder geradezu naiv erscheinen.

Der Filmemacher Kurt Langbein hat seine Gesprächspartner rund um den Globus gefunden, in Kambodscha, Indonesien, Dubai, Äthiopien, Sierra Leone, Rumänien, Großbritannien und Deutschland. Er erzählt von einer Welt, in der Investitionen in Agrarflächen zunehmend attraktiver werden, weshalb entsprechende Begehrlichkeiten längst zum „Landgrabbing“ und einer neuen Form des Kolonialismus geführt haben. Vertreter internationaler Konzerne treffen dabei auf analphabetische Dorfbewohner, die durch neue Ackerbaumethoden in sklavische Abhängigkeiten geraten. Die Politik versagt, Regierungen vertreiben zugunsten der Unternehmen die eigene Bevölkerung von ihrem wertvollen Land, auch die Politik der EU setzt statt auf Biodiversität und kleine bäuerliche Strukturen auf Monokulturen und Großbetriebe.

Am eindrücklichsten geraten die Beispiele aus Asien und Afrika. So berichtet der Film von einer Palmöl-Plantage in Indonesien, die das Land in eine einzige Monokultur verwandelt, oder von der gewaltsamen Vertreibung kambodschanischer Reisbauern durch die eigene Regierung. In ihrem Protest werden diese Bauern von furchtlosen buddhistischen Mönchen unterstützt; am Ende des Films berichtet ein Insert, dass 400 Familien auf ihr Land zurückkehren durften – eine von wenigen positiven Nachrichten in „Landraub“. Tief in die Strukturen einer zunehmend ungerechteren Welt blickt man auch bei den Passagen über eine von einem Niederländer betriebene Gemüsefarm in Äthiopien, die Luxushotels im nahen Dubai mit frischer Ware beliefert, oder über den Biosprit-Anbau der Firma Addax in Sierra Leone, der Bodenmangel und verseuchtes Trinkwasser für die Einheimischen nach sich zieht.

Einzig die europäische „Episode“ aus Rumänien bleibt schwach, da spekulativ – dass hier beim Verkauf staatseigener Felder an dänische Investoren „nicht alles mit rechten Dingen zugegangen“ sei, ist reine Mutmaßung. Auch bei der Investition einer österreichischen Familie in rumänische Felder fehlt es an einer überzeugenden Auslotung. Überdies entlässt der Film die Politik zu sehr aus der Pflicht; obwohl immer wieder als versagend beschrieben, rückt er sie bis auf den grünen EU-Politiker Martin Häusling nicht ins Bild. Damit klafft neben Dutzenden Wirtschaftsvertretern und Finanzberatern, Kleinbauern und einfachen Arbeitern eine Leerstelle – denn es ist ja die Politik, die die folgenreiche Ausbeutung fremder Äcker zulässt und unterstützt.

Gleichwohl ist „Landraub“ ein höchst aufschlussreicher Film über ein globales, zutiefst komplexes Problemfeld mit Auswirkungen in ökonomischer, ökologischer, sozialer und politischer Hinsicht. Das liegt vor allem am enormen Recherche-Aufwand der Autoren, ihrer konzentrierten Erzählweise, die beispielsweise weitgehend auf den Einsatz von Musik verzichtet, und den interessanten, in ihren Standpunkten so gegensätzlichen Gesprächspartnern. Ästhetisch ist der Film aufwändig gestaltet, etwa mit vielen Luftaufnahmen von durch Monokultur zerstörten Ländereien; nur die teils allzu plakative Montage zwischen archaisch und modern, Kleinbauer und Manager stößt bisweilen auf; die starken Gegensätze sind ohnehin omnipräsent. Mit ihnen macht der Film nebenbei auch klar, wie sehr alles immer eine Frage der Perspektive ist, je nachdem, ob man zu den Gewinnern oder zu den Verlierern des beunruhigenden Landraub-Trends gehört.

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