Tragikomödie | Deutschland 2015 | 95 Minuten

Regie: Lars Kraume

Zum 70. Geburtstag eines einstmals höchst erfolgreichen Pianisten kommt seine gesamte Familie in der väterlichen Villa zusammen. Mit beabsichtigten Kränkungen schürt der Patriarch die Konflikte mit seinen drei Söhnen, die er samt und sonders für Versager hält. Schließlich findet er im ältesten Sohn, der angesichts seiner schweren Erkrankung die Dinge mit seinem Vater ins Reine bringen will, einen entschlossenen Widerpart. Intensive, mitunter von bissigem Humor geprägte Tragikomödie über ein unharmonisches Familientreffen. Zwar verläuft die Handlung in ihren Konfliktsituationen und Dialogen recht vorhersehbar, dennoch gelingt dank der sensiblen Inszenierung und der hervorragenden Darsteller eine vielschichtige Auseinandersetzung mit dem sozialen Konstrukt „Familie“. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
UFA FICTION/ZDF/arte
Regie
Lars Kraume
Buch
Andrea Stoll · Martin Rauhaus
Kamera
Jens Harant
Musik
Julian Maas · Christoph M. Kaiser
Schnitt
Barbara Gies
Darsteller
Günther Maria Halmer (Hannes Westhoff) · Hannelore Elsner (Renate Westhoff) · Michaela May (Anne) · Lars Eidinger (Max) · Jördis Triebel (Jenny)
Länge
95 Minuten
Kinostart
15.10.2015
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Tragikomödie
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Tragikomödie von Lars Kraume über die Geburtstagsfeier eines Vater-Monsters

Diskussion
Hannes kann es immer noch. Zwar hat der frühere Pianist nicht mehr die musikalische Fingerfertigkeit, mit der er einst in den Konzerthäusern Triumphe feierte; doch dafür, wie sich bei Menschen bestimmte emotionale Saiten anschlagen lassen, hat er nach wie vor ein Händchen. Dass er sich durch Egomanie und bösartige Kommentare Sympathien verscherzt, stört Hannes wenig: Nicht auf Liebe, sondern auf Respekt und Anerkennung seiner Überlegenheit kommt es ihm an. Seine Familie lädt er zur Feier seines 70. Geburtstags hauptsächlich aus taktischen Gründen ein: Sowohl im kleinen Kreis als auch beim offiziellen Festakt will er mit seinem Anhang Staat machen, auch wenn er von diesem bitter enttäuscht ist. So liegt die Gefühlslage von Hannes’ Söhnen, die sich zum titelgebenden „Familienfest“ in der Villa des Patriarchen aufmachen, zwischen Verkrampfung und Panik. Max, der Älteste, ist zudem schwerkrank und legt nach einem Schwächeanfall erst noch einen Zwischenstopp im Krankenhaus ein, bevor er dem Übervater gegenübertreten kann. Sein Bruder Gregor ist mal wieder auf Hilfe in einem finanziellen Engpass angewiesen, während der homosexuelle Frederik die Reaktion des „konservativen Knochens“ auf die Eröffnung fürchtet, dass er mit seinem Partner ein Kind adoptieren will. Zu alldem gesellt sich Renate, die Mutter der drei Söhne, die durch ihren untreuen und gewalttätigen Ehemann zur zynischen Trinkerin geworden ist und schließlich das Weite suchte. Doch auf ausdrücklichen Wunsch von Hannes’ zweiter Frau Anne soll am Ehrentag die gesamte Familie einträchtig zusammen sein – eine Hoffnung, die Anne aber rasch als wirklichkeitsfremd erkennen muss, als Hannes seine Exfrau vom Flughafen abholt und Anne bei der Rückkehr mit dem Auto umfährt: Mit ihm wird schnell jeder Anflug von Harmonie zerstört, selbst da, wo er andere nicht mit Absicht verletzen will. In solchen Momenten wartet das Drehbuch mit einem bissigen Humor auf, der dem Film insgesamt gut tut. In seinen dramatischen Konflikten und Konfrontationen bietet er ansonsten nämlich eher wenig Überraschungen, arbeitet sich an Althergebrachtem ab: Der Streit zwischen Hannes und dem „verlorenen Sohn“ Max wurzelt wie zu erwarten in den überzogenen Ansprüchen des Vaters, denen der Sohn nie gerecht werden konnte; als Max sich einmal ans Klavier setzt, lässt es sich Hannes prompt nicht nehmen, ihn musikalisch zu übertrumpfen und damit auf seinen niederen Platz zu verweisen. Zwischen Renate und Anne wird der Gegensatz von lasterhafter Lebedame und bravem Hausweibchen ausexerziert, während die undankbaren Rollen von Gregor und Frederik allein zu beinhalten scheinen, gegenüber dem Vater in kindliche Verhaltensmuster zurückzufallen. Die Grenze zur Peinlichkeit streift der Film, wenn Hannes für seine schwulenfeindlichen Sprüche eine Lektion über die Verfolgung Homosexueller unter den Nazis erhält. Ungeschickt platziert, lässt sich dieser Versuch, den Vater in eine rechte Ecke zu rücken, allerhöchstens noch als seltsamer Fall von Nostalgie nachvollziehen – einem insgeheimen Sehnen nach den eindeutigen Verhältnissen der 1960er-Jahre, als man die ältere Generation noch ohne weiteres als nazibelastet ansehen konnte. Es ist Lars Kraumes Inszenierung und den darstellerischen Leistungen zu verdanken, dass es dem Film dennoch glückt, sich über die Klischees von Plot und Figurenzeichnung zu erheben. Wie bereits mit dem Geschwisterdrama „Meine Schwestern“ (fd 42 180) und zuvor im gegensätzlichen Schwestern-Paar in „Die kommenden Tage“ (fd 40 134) verdeutlicht Kraume auch hier mit sensiblem und aufmerksamem Blick die spezifischen Eigenschaften des sozialen Konstrukts „Familie“, zu der neben der Bereitschaft zum Verletzen auch singuläre Formen des Geborgenseins gehören. Am deutlichsten wird das durch den Charakter von Max, in dem die ohnmächtige Wut auf die väterliche Drangsalierung mit dem Wunsch nach Versöhnung ringt, was Lars Eidinger grandios und mit eindrucksvoller Intensität verdeutlicht. Um ihn als Fixpunkt gruppiert sich ein hervorragendes Ensemble, das „Familienfest“ zur milderen Ausgabe eines skandinavischen Familienhöllen-Kinos à la Thomas Vinterbergs „Das Fest“ (fd 33 486) macht. Versöhnlicher, wahrscheinlich aber auch näher an der Wirklichkeit.
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