Drama | Griechenland/Deutschland/Türkei 2015 | 96 Minuten

Regie: Panos Karkanevatos

Der Grenzfluss Evros zwischen der Türkei und Griechenland ist für viele Flüchtlinge der Übergang ins ersehnte Europa. An seinen Ufern entfalten sich drei miteinander verzahnte Geschichten: Ein Junge aus dem Irak verliert seine Schwester beim Überqueren des Flusses, eine Schleuserin nutzt die Flüchtlinge als Drogenkuriere aus, ein Soldat spürt entlang der Grenze Minen auf. Das leise, unsentimentale Drama breitet die komplexe Situation aller Beteiligten mit dokumentarischer Präzision aus. Ohne Schuldzuweisungen und einfache Lösungen trifft der Film genau den richtigen Ton, um für die Opfer der Flüchtlingskrise zu sensibilisieren. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
OHTHES
Produktionsland
Griechenland/Deutschland/Türkei
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
Vergi Film/Taksi Iletisim/Vidicom Media
Regie
Panos Karkanevatos
Buch
Panos Karkanevatos · Isidoros Zourgos
Kamera
Dimitris Katsaitis
Musik
Nils Kacirek
Schnitt
Kenan Akkawi
Darsteller
Andreas Konstantinou (Yannis) · Elena Mavridou (Chryssa) · Levent Uzumcu (Levo) · Diamantis Adamantidis (Apostolou) · Dimitris Tsilinikos (Krankenhaus-Arzt)
Länge
96 Minuten
Kinostart
19.11.2015
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama
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IMDb | TMDB

Leises, unsentimentales Flüchtlingsdrama an der griechisch-türkischen Grenze ohne Schuldzuweisungen und einfache Lösungen

Diskussion
Riverbanks bedeutet Ufer. Es sind die Ufer des Evros zwischen der Türkei und Griechenland, der in Panos Karkanevatos’ Flüchtlingsdrama beispielhaft für eine der vielen Grenzen steht. Der griechische Regisseur thematisiert das Davor und Danach eines Grenzübertritts, und porträtiert die an der Flucht beteiligten Menschen – Zuflucht Suchende aus Kriegs- und Krisengebieten, Schleuser, Helfer und aus der Not Kapital Schlagende. Drei Geschichten werden parallel erzählt, jedoch dramaturgisch, personell und durch den Schnitt so eng ineinander verwoben, dass der Film nicht ins Episodenhafte abdriftet, sondern zur leisen Parabel auf die aktuelle Situation in und um Europa wird. Yannis Agaliotis ist als Soldat in den Minenfeldern am Ufer des Evros tätig. Der introvertierte Mann hat ein Gespür für die Lage der tödlichen Waffen. Dieses nutzt er für die Rettung von Flüchtlingskindern, die nach der Überquerung des Evros in der Hoffnung auf ein besseres Leben ankommen. Die Minensperren stellen für viele ein unüberwindbares Hindernis dar. Allzu oft sind es Kinder, die es trifft. Eines von ihnen ist der kurdische Junge Rastin aus dem Irak. Ohne wohlfeile visuelle oder verbale Erklärungen und erfreulich unsentimental verfolgt die Kamera Rastins Weg, die Trennung von den Eltern, die Konfrontation mit Fremden in einem unbekannten Land, dessen Sprache er nicht versteht. Immer wieder werden tableauartige Szenen eingebaut. Sie verstärken das Bild des verlassenen Einzelnen: Yannis in der kalten Badeanstalt, Rastin in einem Meer aus Weizen- und Sonnenblumenfeldern. Gemeinsam ist diesen Bildern, dass sich die Protagonisten durch eine menschenleere Umgebung bewegen. Chryssa hingegen bringt sich und ihre kleine Tochter als Schleuserin über die Runden. Mit ihrer Hilfe sollten Rastin und seine Schwester über den Evros gelangen. Doch die Schwester ertrinkt, Rastin läuft Chryssa davon. Was er nicht weiß: Die Geschwister fungieren als Drogenkuriere. Der Inhalt ihrer Rucksäcke ist wichtiger als ihr Leben. Chryssa wird dennoch nicht als Teil eines unmenschlichen Drogenkartells gezeigt. Es gibt schlicht keine Alternative zu ihrer Arbeit – ein leiser Kommentar zur griechischen Wirtschaftslage. Immer wieder wechselt die Szenerie zwischen Rastin und Chryssa und Yannis. Es sind keine harten Schnitte, keine Episodenwechsel. Die editorischen Eingriffe wirken fast organisch. Alles greift ineinander über. Auch ihre jeweiligen Handlungen wirken sich stets auf die anderen aus. Zugleich sind sie auch selbst immer in Bewegung. Alle Protagonisten fliehen vor oder suchen nach etwas. Trotz dieser Rastlosigkeit und Dramatik schafft der Film mit seiner Atmosphäre und durch die Musik eine Ruhe, bisweilen sogar eine Stille, die sich gelegentlich ins Unerträgliche steigert. Eine Ruhe, die beinahe zu laut ist. Genau diese Ruhe im Ton ist es, die den Blick auf das Visuelle, auf die schwächsten und immer unschuldigen Opfer von Krieg und Terror lenkt, die Kinder. Ihnen ist der Film gewidmet. Die Inszenierung verzichtet dennoch auf Schuldzuweisungen, sondern setzt auf eine schonungslose Darstellung, in der die Flucht Teil des Alltags vieler ist – im Guten wie im Schlechten. „Riverbanks“ ist damit ein Kommentar ohne erhobenen Zeigefinger, mehr künstlerisches Mittel zum Zweck, in dem immer wieder auch der Dokumentarfilmer Karkanevatos durchscheint: Auf die Botschaft kommt es an. Gegenwärtig ist diese vielleicht so wichtig wie noch nie: Europa darf für Hilfesuchende nicht nur verheißungsvolle Hoffnung bleiben, sondern muss ein gefahrloser und sicherer Zufluchtsort werden.
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