Conducta - Wir werden sein wie Che

Drama | Kuba 2014 | 108 Minuten

Regie: Ernesto Daranas

Eine ältere Lehrerin legt sich mit der kubanischen Schulverwaltung an, um zwei ihrer Schützlinge, einen zwölfjährigen Straßenjungen und ein Flüchtlingsmädchen aus Palästina, vor unangemessener Härte zu schützen. Als die Behörden sie vorzeitig in Ruhestand schicken wollen, wird das Kollegium in den Konflikt um eine von Empathie und Hingabe getragene Pädagogik hineingezogen. Das pointiert inszenierte, von tiefer Menschlichkeit geprägte Drama verzichtet auf jede Schwarz-Weiß-Malerei, verlangt gleichwohl vom Zuschauer eine eigene Wertung. (O.m.d.U.) - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
CONDUCTA
Produktionsland
Kuba
Produktionsjahr
2014
Produktionsfirma
RTV Comercial/ICAIC
Regie
Ernesto Daranas
Buch
Ernesto Daranas
Kamera
Alejandro Pérez
Musik
Juan Antonio Leyva · Magda Rosa Galbán
Schnitt
Pedro Suárez
Darsteller
Alina Rodríguez (Carmela) · Armando Valdés Freire (Chala) · Sílvia Águila (Raquel) · Yuliet Cruz (Sonia) · Armando Miguel Gómez (Ignacio)
Länge
108 Minuten
Kinostart
07.01.2016
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama
Externe Links
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Diskussion
Ist die kubanische Revolution im Inselstaat nicht längst in der Schule und im Alltag der Schüler und Lehrer angekommen? Das derzeitige Tauwetter zwischen Kuba und den USA und ein damit einhergehender Paradigmenwechsel tragen sicher mit dazu bei, dass Filme aus Kuba filmtechnisch immer professioneller und vor allem ideologisch kritischer werden. Das beste Beispiel dafür ist „Conducta“ von Ernesto Daranas, der sowohl 2014 beim „Schlingel“ in Chemnitz als auch 2015 bei „Lucas“ in Frankfurt/Main mit einem Hauptpreis ausgezeichnet wurde. In Kuba selbst war das emotional ergreifende und von tiefer Menschlichkeit geprägte Werk 2014 sogar der absolute Publikumserfolg des Jahres und wurde dort heiß diskutiert. In Deutschland mag Che Guevara, der nur im deutschen Filmtitel zitiert wird, zwar einiges von seinem einstigen Ruhm eingebüßt haben, doch um Che geht es im engeren Sinn auch gar nicht. Im Mittelpunkt steht vielmehr die ältere Lehrerin Carmela – grandios gespielt von Alina Rodríguez –, die sich dagegen entschieden hat, mit ihrer Familie nach Miami auszuwandern und lieber ihren Kampf gegen die Mühlen der Bürokratie in der Schulverwaltung fortführt. Insbesondere wegen ihres Engagements für zwei ihrer Schüler aus schwierigen sozialen Verhältnissen soll sie daher in den Ruhestand verabschiedet werden. Den zwölfjährigen Chala hat Carmela besonders in ihr Herz geschlossen. Der Junge sorgt für seine drogenabhängige Mutter, indem er gegen Geld für seinen Nachbarn Ignacio auf Hunde aufpasst, die dieser für brutale Hundekämpfe abrichtet. Zugleich muss sich Chala als Kind der Straße gegen Anfeindungen und Übergriffe behaupten. Kein Wunder, dass er auch in der Schule immer wieder auffällt und daher in ein Umerziehungsheim gesteckt werden soll. Aus langer Erfahrung weiß Carmela, dass die Probleme des Jungen damit nicht gelöst werden und er immer stärker ins soziale Abseits geraten würde. Zur gleichen Zeit bahnt sich eine zarte Liebesbeziehung zwischen Chala und Yeni an, die als Palästinenser-Mädchen bezeichnet wird, im christlichen Glauben fest verankert ist und obendrein ohne Aufenthaltsgenehmigung – Kuba gehörte 1988 zu den ersten Staaten, die das Palästinensergebiet als autonomen Staat anerkannten – mit ihrem Vater in Kuba lebt. Indem sich Carmela dafür einsetzt, dass Yeni dennoch die Schule besuchen kann, gerät sie in Konflikt mit der Schulbehörde, die unnachgiebig auf Recht und Ordnung pocht, ohne auf das Wohl der Kinder zu achten. Als Carmela frühpensioniert werden soll, werden auch andere Lehrer unter Druck gesetzt und müssen bei diesem Machtkampf Stellung beziehen. Der Originaltitel „Conducta“ ist doppeldeutig zu verstehen: In der wörtlichen Übersetzung geht es um das Betragen der Kinder, das in schulischer Hinsicht insbesondere bei Chala oftmals ungenügend ist. Im weiteren Sinn geht es um das Verhalten der Schüler und der Erwachsenen, um ihre Motivationen und Beweggründe, die sie zu bestimmten Handlungen und Entscheidungen führen und dem Zuschauer eine Wertung abverlangen. Das geschieht nicht durch einfache Schwarz-Weiß-Malerei. Beispielsweise macht Yeni ihrem Freund wiederholt klar, dass er mit seinem Verhalten den möglichen Tod der Hunde in Kauf nimmt, obwohl er nie unmittelbar in die blutigen Hundekämpfe einbezogen ist. Und auch die Schulleitung ist fest davon überzeugt, zum Wohl der Kinder zu handeln, selbst wenn dies eher aus egoistischen und opportunistischen Vorstellungen erfolgt. Eindeutig dagegen ist die Kameraarbeit, die in vielen Großaufnahmen eine unmittelbare Identifikation mit der Lehrerin und ihren beiden Schülern ermöglicht, was von einer dezent eingesetzten Klaviermusik in Moll-Tonart unterstützt wird. Eine nahezu perfekte schnelle Schnitttechnik, gut gesetzte Spannungsbögen und zahlreiche Impressionen aus Havanna, die nicht nur die Schokoladenseite der Stadt zeigen, machen den Film auch visuell zu einem Erlebnis.
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