The True Cost - Der Preis der Mode

Dokumentarfilm | USA 2015 | 92 Minuten

Regie: Andrew Morgan

Der Lebenszyklus für Kleidung und Mode hat sich in den westlichen Ländern in den Jahren dramatisch beschleunigt, was neben einer geänderten Wertschätzung auch mit der Verlagerung der Produktion in Billiglohnländer zu hat. Der aufklärerische Dokumentarfilm reiht eindringliche Momentaufnahmen der erbärmlichen Produktionsstätten in Bangladesch oder Indien bis zu den glitzernden Laufstegen und Fashion-Weeks aneinander und lässt Experten zu Wort kommen. Trotz der überbordenden, zunehmend beschleunigten Fülle an Bildern erörtert er eindringlich die zerstörerischen Mechanismen und fordert den Zuschauer eindringlich zum Umdenken auf. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
THE TRUE COST
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
Untold Creative
Regie
Andrew Morgan
Buch
Andrew Morgan
Musik
Duncan Blickenstaff
Schnitt
Michael Ross
Länge
92 Minuten
Kinostart
21.01.2016
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Dokumentarfilm über die wahren Kosten von Mode und Kleidung

Diskussion
„The True Cost“ beginnt mit einer klaren Ankündigung. Es sei ein Film über Kleider. Über die Kleider, die wir tragen, und über die Menschen, die sie herstellen. Und über deren „Impact“, also Einfluss, Wirkung, Bedeutung auf und für die Welt. Als er diesen Film begonnen habe, fährt der Regisseur Andrew Morgan fort, der im Off bisweilen als Erzähler figuriert und seine Arbeit auch im Persönlichen verortet, habe er über Mode nichts gewusst. Doch er habe ein paar einfache Fragen gehabt und was er darüber entdeckte, habe sein Denken radikal verändert. Dazu sieht man, lose und kommentarlos aneinandergereiht, Einkaufsstraßen in Paris, London, Mailand, New York, Vorbereitungen zu einer Modeschau, eine Tafel mit der Aufschrift: Fashion Week London. Zartgliedrige Mädchen bei der Anprobe, beim Frisör, in der Maske, schließlich, cool geschminkt, als Models auf dem Laufsteg. Fotografen. Dazwischen Designer bei der Arbeit. Aber auch: Frauen in einer Fabrikhalle in Bangladesch an Nähmaschinen. Eine Färberei in Indien, wo die mit Chemie versetzten Abwässer ungefiltert in die Natur zurücksprudeln. Kinder in einer Schuhfabrik in Kambodscha. In schneller Folge werden erste Protagonisten eingeführt: Die Journalistin Lucy Siegle, die seit Jahren ein Auge für die gesellschaftlichen Auswirkungen der Mode hat. Die Modedesignerin Orsola De Castro, welche Kleidung als „zweite Haut“ des Menschen definiert. Stella McCartney, die mit ihrem Fair-Fashion-Label neue Wege einschlägt. Bald fällt der Begriff der „Fast Fashion“: Ein junges Phänomen, das sich eng an die Entstehung und Rolle von Billig-Mode-Ketten wie H&M, Zara, TopShop oder Forever21 koppelt. Dazu kommen Daten, Fakten, Erklärungsansätze: Vor 40 Jahren noch saisonal bestimmt, kennt die Mode heute 52 Seasons pro Jahr; während der Amerikaner Morgan in seiner Jugendzeit höchstens drei oder vier T-Shirts pro Jahr kaufte, schafft man sich heute für jede Party ein oder zwei neue Outfits an. Dass Kleidung zur Wegwerfware wurde, hängt an der radikalen Veränderung der gesellschaftlichen Wertschätzung von Kleidung und Mode, aber auch an der veränderten Produktion. Wurde in den 1960er-Jahren noch 95 Prozent der in den USA getragenen Kleidung im eigenen Land produziert, sind es heute noch drei Prozent. Den Preis dafür bezahlen nicht die Kunden im Geschäft, sondern die Hersteller bzw. ihre Angestellten in den Billiglohnländern: Bangladesch, Indien, Kambodscha; wenn es am anderen Ende der Kette um Entsorgung und Recycling geht, kommen auch Hongkong und Haiti ins Spiel. Es ist empörend, was da geschieht, und Morgan erklärt das, wenn auch aus einer überbordenden Fülle heraus, einfach und verständlich. Wen die Bilder der arbeitenden Frauen – jeder sechste Mensch arbeitet heute in der Textilindustrie, von den 40 Millionen Nähern und Näherinnen der Welt sind 85 Prozent Frauen – noch nicht alarmieren, den müssten spätestens die Aufnahmen vom Einsturz einer achtgeschossigen Kleiderfabrik in Sabhar nachdenklich stimmen, wo im April 2013 insgesamt 1129 Tote und 2438 Verletzte gezählt wurden. Doch Morgan klagt nicht an, er hetzt auch nicht. Er steigert sich nicht in die Empörung eines Michael Moore hinein, sondern vermeidet clever jeden schuldzuweisenden Anklagegestus, der so manchen superklugen Öko-Film beinahe unerträglich macht. Er legt bloß dar und erörtert. Unternimmt Ortsbegehungen und fordert zum Nachdenken auf. Indem er die Bildercollage im Laufe des Filmes beschleunigt und verdichtet. Etwa indem er die Bilder aus Bangladesch unmittelbar mit den nicht weniger heftigen am Morgen eines amerikanischen „Black Friday“ (Sonderverkaufs-Freitag nach Thanksgiving) kollidieren lässt, an dem die Kundschaft in ein Geschäft stürzt. Zudem führt der Film just an dem Punkt, an dem andere oft aufhören, weiter. Denn Morgan führt weitere Protagonisten ein. Shima Akhter etwa, eine junge Näherin aus Bangladesch, die eine Gewerkschaft zu gründen versucht. Die indische Umweltaktivistin Vandana Shiva. Eine Baumwollfarmerin in den USA, die biologisch produziert. Und andere Fair-Trade-Fashion-Players, etwa Safia Minney, die Gründerin von People Tree, und Livia Firth, die in London ein Fair-Trade-Geschäft betreibt und den „Green Carpet“ erfunden hat. „The True Cost - Der Preis der Mode“ ist kein aufklärerischer, sondern ein aufklärender Film. Einer, der in seiner Dichte und Fülle, dem rasanten Tempo seiner Erzählung vom Zuschauer eine ungeheure Wachheit und Aufmerksamkeit fordert. Doch es lohnt die Mühe. Denn der Film hat genau den Effekt, den der Regisseur im Prolog als Wunsch formuliert: Er lehrt umzudenken.
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