Drama | Griechenland/Deutschland/Israel 2015 | 117 Minuten

Regie: Alexis Alexiou

Ein Jazzclub-Betreiber in Athen kann seine Schulden nicht mehr begleichen, als die Finanzkrise über Griechenland hereinbricht. Wenn er nicht binnen 30 Stunden neues Kapital auftreibt, ist er sein Geschäft los. Im unerbittlichen Wettlauf mit der Zeit gerät er in einen Strudel aus Gewalt, Drogen und Betrug. Das visuell eindringliche Drama registriert mit großer ästhetischer Kraft und den klassischen Stilmitteln des Neo-Noir-Genres die Veränderungen in einer Gesellschaft, die quer durch alle Schichten und Milieus zu immer mehr Grobheit und Gier neigt. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
TETARTI 04:45
Produktionsland
Griechenland/Deutschland/Israel
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
Twenty Twenty Vision/CL Prod./Pie Films/ZDF/arte/Faliro House/Marni Films
Regie
Alexis Alexiou
Buch
Alexis Alexiou
Kamera
Christos Karamanis
Musik
Yannis Veslemes
Schnitt
Lambis Haralambidis
Darsteller
Stelios Mainas (Stelios) · Adam Bousdoukos (Der Fahrer) · Mimi Branescu (Der Rumäne) · Christian Dendrinou (Die Geliebte) · Nikol Drizi (Agni)
Länge
117 Minuten
Kinostart
04.02.2016
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Thriller
Externe Links
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Noir-Thriller über die wirtschaftliche Misere in Griechenland

Diskussion
Nostalgie ist das Schlüsselwort. Der Film „Mittwoch 04:45“ beschwört Nostalgie auf drei Ebenen: in seiner Neo-Noir-Ästhetik der 1990er-Jahre, in seiner inhaltlichen Anknüpfung an amerikanische Hardboiled-Krimis, und er spielt im Lauf seiner Geschichte regelmäßig melancholische Momente aus, in denen die Helden sich an bessere Tage erinnern, an ihre vielversprechende Jugend im Kriminellen-Milieu oder einfach an Griechenland vor der Finanzkrise, als es seine Schulden noch zurückzahlen konnte. Im Winter 2010 aber bricht rundherum die Wirtschaft zusammen, und da sind Schulden gleichbedeutend mit Pleite. Darauf reagieren in Athen selbst die Betrüger mit Panik. Ein rumänischer Kredithai macht seinen Schuldnern Druck, darunter dem Clubbesitzer Stelios. Der leiht sich seit einem Jahrzehnt schon Geld bei ihm; obwohl auch er genug Schuldverschreibungen in der Schublade hat, ist er nicht flüssig genug, um seine Raten zurückzuzahlen. Also setzt der Rumäne ihm eine Frist. Die Geschichte beginnt Montag um 22:47 Uhr; Stelios hat Zeit bis Mittwochmorgen, um Geld aufzutreiben. Der rumänische Gläubiger referiert im Bademantel sehr freundlich über das Leid am Kapitalismus, lässt aber zwischendurch auch durchblicken, dass er mehr über Stelios’ Kinder weiß als dieser selbst. Drohungen gegen den Nachwuchs sind bekanntlich ja das beste Druckmittel für die Eltern. Der Film gehört zu jenen, die nur das Ende einer Geschichte erzählen, hier ein bitteres Ende, das mit Problemen beginnt und mit einem „Mexican standoff“ aufhört, einer Pattsituation, in der sich beide Seiten mit gezogenen Waffen gegenüberstehen. Dass es davor ein Glück gegeben haben muss, wird manchmal im sanften Licht von Stelios’ Jazzclub „Summertown“ sichtbar, oder in der Architektur Athens, die hoch und glänzend aufragt. Aber in der Gegenwart ist alles leer – der Club, die Straßen, die Gesichter der Protagonisten, die erstarrt sind bei all der Mühe, ihre Angst zu verbergen. Dafür setzt Regisseur Alexis Alexiou sie in umso schönere Bilder. Grünes Neon, gelbe Nacht, er zeigt die verschwimmende Wahrnehmung der Gehetzten. Nur manchmal unterbricht er die Bewegung durch eine helle, ruhige Stadttotale, wie durch ein Luftholen. Um das Tempo zu steigern, unterteilt Alexiou seinen Film in Kapitel, von denen jedes eingangs die Uhrzeit anzeigt. Während so die Zeit sichtbar verstreicht, sucht Stelios schlaflos nach Geldgebern. Gleichzeitig muss er sich um gewöhnliche Dinge kümmern, um die Ehe, die Geliebte, die Musikanlage im Club oder die Band für den nächsten Abend. Diese Vermischung des Alltags mit der Erpressung öffnet der Geschichte auch andere Milieus als das des Verbrechens. Stelios fungiert als eine Art Seismograph, der ungewöhnliche Erschütterungen registriert, nicht nur zwischen Gangstern, sondern überall in der krisengeschüttelten Stadt. In den häufig eingespielten Fernsehnachrichten sieht man, wie sich die Werte einer ganzen Gesellschaft öffentlich aufzulösen scheinen, und das Gleiche passiert mit dem Ehrenkodex der Kriminellen. Eine neue Härte macht sich breit, die aus Hilflosigkeit und Gier erwächst. Stelios ist in seiner Umgebung der Einzige, der noch etwas anderes liebt als das Geld: nämlich Musik. Aber Musik, soviel wird in diesem manchmal sehr sentimentalen Genrestück klar, kann auf Dauer der Gier nicht standhalten.
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