Erschütternde Wahrheit

4K UHD. | USA/Großbritannien/Australien 2015 | 123 Minuten

Regie: Peter Landesman

Ein aus Nigeria in die USA emigrierter Pathologe entdeckt bei der Obduktion eines toten Football-Spielers ein chronisches Hirntrauma, das durch den Sport hervorgerufen sein könnte. Mit seiner Diagnose handelt er sich die erbitterte Feindschaft der Football-Lobby ein. Nach „wahren Begebenheiten“ inszenierte David-gegen-Goliath-Geschichte, die der Frage nachgeht, was die US-amerikanische Identität ausmacht. Ein gut gespieltes, spannend erzähltes und ansprechend ins Bild gesetztes Sport- und Medizindrama, dem es insgesamt aber doch an Biss fehlt und das gegen Ende zudem in Pathos abgleitet. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
CONCUSSION
Produktionsland
USA/Großbritannien/Australien
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
The Cantillon Co./LStar Capital/Scott Free Prod./The Shuman Co./Village Roadshow Pic.
Regie
Peter Landesman
Buch
Peter Landesman
Kamera
Salvatore Totino
Musik
James Newton Howard
Schnitt
William Goldenberg
Darsteller
Will Smith (Dr. Bennet Omalu) · Alec Baldwin (Dr. Julian Bailes) · Albert Brooks (Dr. Cyril Wecht) · Gugu Mbatha-Raw (Prema Mutiso) · David Morse (Mike Webster)
Länge
123 Minuten
Kinostart
18.02.2016
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
4K UHD. | Drama | Sportfilm
Externe Links
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Heimkino

Die Extras umfassen u.a. einen Audiokommentar des Regisseurs. Die Extras der umfangreicheren BD umfassen zudem u.a. ein Feature mit neun im Film nicht verwendeten Szenen (13 Min.). Nur die BD enthält eine Audiodeskription für Sehbehinderte, allerdings nur in englischer Sprache.

Verleih DVD
Sony (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
Sony (16:9, 2.35:1, dts-HDMA engl./dt.) 4K: Sony (16:9, 2.35:1, Dolby_ATMOS engl., DD5.1 dt.)
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"True Story" über den amerikanischen Pathologen Bennet Omalu, der sich mit der mächtigen NFL-Football-Lobby anlegte, als er das durch Football verursachte CTE-Trauma entdeckte. In der Hauptrolle glänzt Will Smith.

Diskussion
Einmal steht eines dieser typischen Bürospielzeuge auf einem Schreibtisch, ein metallenes Kugelspiel. Bennet Omalu hebt die erste Kugel an und lässt sie los, worauf sie gegen die nächste stößt – der Impuls setzt sich bis zur hintersten Kugel fort und kehrt zum Ausgangspunkt zurück, plong, plong, plong, eine ewig sich wiederholende Erschütterung. Als Zuschauer denkt man dabei unweigerlich an all die Footballspieler-Köpfe, die tagtäglich auf ähnliche Weise gegeneinander knallen. Denn das ist das Gebiet, auf dem der forensische Pathologe Omalu forscht. „Based on a true story“, erzählt der Film davon, wie Omalu das CTE-Phänomen entdeckte – ein durch Sport verursachtes Hirntrauma. Regisseur Peter Landesman inszeniert das ganz klassisch als David-gegen-Goliath-Geschichte. Zu Beginn ist Omalu der nerdige und etwas weltfremde, zugleich aber ebenso begabte wie fleißige Pathologe, der sich toten Patienten mit Hingabe und konkreter Ansprache widmet. Selbst Omalus wohlmeinender Chef ist von den unkonventionellen Methoden seines tiefgläubigen, aus Nigeria stammenden Schützlings bisweilen genervt. Als eines Tages Mike Webster, einstiger Superstar der Pittsburgh Steelers und Held der Stadt, nach seinem Selbstmord bei Omalu auf dem Tisch liegt, ist dies der Beginn einer bahnbrechenden medizinischen Entdeckung – und zugleich die Eröffnung eines jahrelangen Krieges zwischen dem Arzt und der mächtigen Football-Organisation NFL. Dabei will der engagierte Arzt mit dem großen, fast kindlichen Herzen, der von Will Smith ebenso sympathisch wie überzeugend gespielt wird, gar keinen Streit. Er will einfach nur seine Arbeit erledigen. Seine Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen den ständigen Erschütterungen im sehr körper- und kampfbetonten Football, dessen Wucht der Film geradezu physisch erfahrbar macht, und den chronischen Hirnverletzungen, die bei Betroffenen zu schweren neurologischen Störungen führen, stoßen aber bei der millionenschweren NFL auf strikte Verleugnung. Und die sitzt als Vertreterin der höchst populären amerikanischen Sportart am deutlich längeren Hebel, verunglimpft und bedroht den eingewanderten Arzt, lässt ihn spüren, dass er „nicht dazugehört“ und sorgt dafür, dass er die Arbeitsstelle wechseln muss. Das ist doppelt schmerzhaft für Omalu, für den die Vereinigten Staaten immer knapp unter dem Himmel angesiedelt waren, und der sich nichts sehnlicher wünscht, als ein richtiger Amerikaner zu sein. Dieser Konflikt grundiert die Story recht stimmig: Was ist amerikanisch, was nicht? Das ergibt manchmal sehr schöne, auch witzige Situationen. Eigentlich schaue er nie fern, sagt Omalu zu seiner neuen, ebenfalls aus Nigeria stammenden Mitbewohnerin. Warum er dann einen Fernseher besitze, fragt sie. „One has a TV in this country“, erklärt ihr da der pflichtbewusste Immigrant. Allerdings behält der Film diesen leicht distanzierten, ironischen Tonfall nicht bei, sondern verfällt zunehmend dem Pathos. Am Ende ist alles gut, hat Omalu seinen Platz und seine Anerkennung im Land der unbegrenzten Möglichkeiten gefunden. Dass die staatlichen Behörden seinen Chef Jahre zuvor als Helfershelfer der NFL-Lobby mit dubiosen Vorwürfen aus dem Dienst entfernten, scheint komplett vergessen. Ohnehin ist das sehr solide inszenierte Sport- und Medizindrama insgesamt deutlich zu brav, um ein wirklich großer Film zu sein. Das gilt für die Dramaturgie wie für Tonfall und Erzählweise – einzig die Bildkomposition fällt immer wieder ein wenig aus dem gewohnten Rahmen, mit stilbewussten, ästhetischen Arrangements, die den Background des in klassischer Malerei ausgebildeten Regisseurs Landesman verraten. Und doch ist „Erschütternde Wahrheit“ eben auch ein solider, spannend erzählter, durchweg gut gespielter Film über ein im wahrsten Sinne des Wortes erschütterndes Kapitel amerikanischer Medizingeschichte.
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