Until I Lose My Breath

Drama | Türkei/Deutschland 2015 | 94 Minuten

Regie: Emine Emel Balci

Eine schweigsame Halbwaise schuftet in einer Textilfabrik in Istanbul, um mit den Ersparnissen eine gemeinsame Wohnung mit ihrem Vater mieten zu können. Dass sich der Lkw-Fahrer, der ständig unterwegs ist, immer neue Ausreden und Lügen einfallen lässt, um ihrem Wunsch nicht nachzukommen, will die junge Frau nicht wahrnehmen. Das Filmdebüt folgt der entschlossenen Protagonistin auf Schritt und Tritt, ohne die gesellschaftliche Umgebung aus den Augen zu verlieren. Durch diese hautnahe Fokussierung verschenkt die Inszenierung freilich ein größeres Ausdrucksspektrum der ganz auf gehetzte Atemlosigkeit reduzierten Hauptfigur. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
NEFESIM KESILENE KADAR
Produktionsland
Türkei/Deutschland
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
Prolog Film/Unafilm
Regie
Emine Emel Balci
Buch
Emine Emel Balci
Kamera
Miurat Tunçel
Schnitt
Dora Vajda
Darsteller
Esme Madra (Serap) · Riza Akin (Vater) · Sema Keçik (Sultan) · Gizem Denizci (Dilber) · Ece Yüksel (Funda)
Länge
94 Minuten
Kinostart
16.06.2016
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
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Hermetisches Frauendrama

Diskussion
Atemlos hetzt Serap durch die Gemüsegroßmarkthalle, atemlos hetzt sie zu ihrem Job in einer Nähfabrik. Die Art, wie sie die Stoffe auf den Nähtischen verteilt, hat etwas Schroffes, Entschiedenes, Stoisches – mit denselben Bewegungen, derselben Körperspannung zählt sie ihre Ersparnisse, die sie im Lagerraum versteckt hält, baut sich abends aus Säcken ein Schlaflager und steckt ihrem Vater heimlich Geld zu. Es gibt eigentlich wenig, was Serap nicht gehetzt, schroff, entschieden und stoisch verrichten würde. Nur einmal sieht man sie regungslos und mit leerem Gesicht in einer Diskothek sitzen. Wer sich so bewegt wie die junge Halbwaise Serap in „Until I Lose My Breath“, hat einen Auftrag, eine Mission. Seraps Plan sieht vor, genug Geld zu sparen, um mit dem Vater, einem LKW-Fernfahrer, in eine gemeinsame Wohnung zu ziehen. Bei ihrer Schwester und deren Mann hält sie es nicht mehr länger aus. Wenn sie nach der Arbeit nach Hause kommt, folgt ein routiniertes Prozedere, das an einen Knastbesuch erinnert: Taschen werden durchwühlt, der Körper nach verstecktem Geld abgetastet. Kälte und Freudlosigkeit, wo man nur hinsieht; entsprechend blau- und graustichig unterkühlt sind die Filmbilder. Serap tut viel, um ihren Plan umzusetzen: Sie schwärzt eine Kollegin an, um deren Position einzunehmen, sie beklaut hinterhältig den Fahrer der Fabrik. Mit ihrem lauernden Blick erfasst sie die Lücken im Getriebe, um im richtigen Moment hineinzugrätschen. Dafür ist sie blind, was ihren Vater betrifft. Auch wenn der Zuschauer längst begriffen hat, dass er seine Tochter vertröstet, hinhält, ausweicht und belügt, glaubt sie noch immer an eine gemeinsame Zukunft. Die Regisseurin Emine Emel Balci konzentriert sich in ihrem Debütfilm ganz auf ihre Protagonistin. Die Kamera weicht ihr nie von der Seite, heftet sich oftmals direkt an ihren Rücken und folgt Serap auf ihren immer zielstrebigen Gängen. Man hat diese hinterhereilende Handkamera in Arthouse-Sozialdramen schon zu oft gesehen, auch in Verbindung mit genau diesem atemlos hetzenden Gang, um darin etwas anderes als eine Konvention erkennen zu können. Insbesondere auch deshalb, weil die Inszenierung weder daran interessiert ist, über die Kamera eine Verbindung zum gesellschaftlichen Milieu oder zur Protagonistin herzustellen. Serap bleibt bis zum Schluss das schweigsame, stoische, hetzende Wesen – eine Frau, die gegen alle Gesetze der Vernunft eine Flucht nach vorne antritt, obwohl vorne nichts ist. Das Arbeitsumfeld in Istanbul bleibt ein diffuser Ort der Ausbeutung und Unsolidariät, dessen Mechanismen nie beleuchtet werden. Oftmals verschwimmt der Hintergrund in totaler Unschärfe, während Serap im Vordergrund bügelt oder Stoffballen hin- und herträgt. Der Film belässt es bei bloßen Andeutungen. So kann man in einer Szene trotz der Unschärfe des Bildes erkennen, dass eine Vorgesetzte einer Arbeiterin die Nähte eines fertigen Kleidungsstücks komplett wieder auftrennt und die Stoffteile zurück auf den Tisch legt. Emine Emel Balci favorisiert das Vage, Verkürzte, doch in diesem Rahmen wirkt die Andeutung umso expliziter und in ihrer Absicht durchschaubar. Die Kunst des Weglassens führt in „Until I Lose My Breath“ ohnehin zu keinem Mehrwert; zurück bleibt vielmehr der Eindruck einer leeren Schablone.
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