Dokumentarfilm | Großbritannien 2015 | 87 Minuten

Regie: Nick Read

Das berühmte Bolschoi-Theater in Moskau geriet 2013 in die Schlagzeilen, als sein künstlerischer Leiter Sergei Filin Opfer eines Säureattentats und bleibend entstellt wurde. Der Zwischenfall lenkte den Blick auf die verbissenen Konkurrenzkämpfe hinter den Kulissen. Der Dokumentarfilm nimmt das Ereignis zum Anlass, um das komplizierte Innenleben der russischen Kulturinstitution zu ergründen. Alte und neue Funktionäre geben offen Auskunft über persönliche Animositäten und politische Konzeptionen, die den Ruf der Compagnie zunehmend konterkarieren. - Ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
BOLSHOI BABYLON
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
Red Velvet Films/Red Box Films/Altitude Film Ent./BBC Storyville/BR/mdr/arte
Regie
Nick Read · Mark Franchetti
Buch
Nick Read
Kamera
Nick Read
Musik
Smiths & Elms
Schnitt
Jay Taylor · David Charap
Länge
87 Minuten
Kinostart
21.07.2016
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Die Extras enthalten u.a. ein Feature mit vier im Film nicht verwendeten Szenen.

Verleih DVD
Polyband (16:9, 2.35:1, DD5.1 rus./dt.)
Verleih Blu-ray
Polyband (16:9, 2.35:1, dts-HDMA rus./dt.)
DVD kaufen

Investigativer Dokumentarfilm über das berühmte Balett-Ensemble und die Hintergründe und Zwistigkeiten der russischen Kulturbürokratie.

Diskussion
Tschaikowskis wohl berühmteste Komposition „Schwanensee“ erlebte am 20. Februar 1877 ihre Uraufführung im Bolschoi-Theater zu Moskau. Das „Allegro moderato“ aus dem zweiten Satz mit den auf Spitze balancierenden, in weißen Glitzer-Tutus und enger Korsage hüpfenden „jungen Schwänen“ steht spiegelbildich für die Meisterschaft klassischer Ballett-Choreografie – und ist untrennbar mit der Bolschoi-Compagnie verbunden, die seit knapp 140 Jahren stetig an Bedeutung gewonnen hat. Das Bolschoi ist für Russland das, was die Wiener Philharmoniker für Österreich bedeuten. Nicht wirklich Avantgarde, aber ein Hort der Qualität und der unzweifelhaften Tradition. Doch was an der Oberfläche so rein und anmutig daherkommt, birgt im Inneren einen harschen Wirtschaftsbetrieb, der Kunst über Schweiß und Tränen produziert. Friktionen und Animositäten zählen da zur Tagesordnung. Funktionäre und die Politik verfolgen ihre eigenen Interessen, mitunter sogar um jeden Preis. Trotzdem schockierte die Nachricht, dass der künstlerische Leiter des Bolschoi-Balletts, Sergei Jurjewitsch Filin, im Januar 2013 vor seiner Wohnung mit Säure übergossen wurde. Ein Attentat, das umso mehr bestürzte, als es einen begnadeten Balletttänzer traf, dessen Charisma durch die physischen Verunstaltungen stark beeinträchtigt wurde. Während der 43-jährige Filin im Krankenhaus um sein Leben kämpfte, wurde der Betrieb des Bolschoi unter anderem vom neuen Direktor Vladimir Urin aufrecht erhalten. Einem Kulturfunktionär von Putins Gnaden. Staatstreu, beflissen, solide. Im Mittelpunkt des Dokumentarfilms von Nick Read und Mark Franchetti stehen viele Fragen. Wer hatte einen Nutzen am Filins Ausfall, wer sind die Hintermänner und geheimen Nutznießer der Tragödie, welche strategischen Ziele schimmern hinter dem skandalösen Attentat durch? Die Regisseure sollten im Auftrag von BBC, Bayerischem und Mitteldeutschem Rundfunk, arte und „HBO Documentary“ Licht ins Dunkel einer eigentümlich verschlossenen Institution bringen. Ihre Recherchen enthüllen ein Netz aus Neid, Missgunst und Konkurrenz, bringen aber auch die politischen Rahmenbedingungen der russischen Kulturpolitik ins Spiel. Natürlich steht der Name des russischen Präsidenten Putin im Raum, der in dem totalitären Staatswesen wie ein monströser Puppenspieler an den Fäden seiner willigen Marionetten zieht. Es ist erstaunlich, wie freizügig die Animositäten vor der Kamera ausgetragen werden. Das spricht für das Selbstbewusstsein der Akteure, beleuchtet aber auch eine Aura der Unantastbarkeit, mit der sich die Funktionäre im Machtkreis Putins umgeben haben. Der Film „Bolschoi Babylon“ fördert keine Sensationen zu Tage. Er fasst aber anschaulich zusammen, was in Russland alles faul ist. Die Kunst spielt dabei keine Rolle. Auch in dem Film geht es bis auf wenige Tanzszenen vor allem um harte Recherche. Der unschuldige „Pas de deux“ der Schwäne wäre hier ohnehin nur die Krönung einer traurigen Farce.
Kommentar verfassen

Kommentieren