Kinderfilm | Tschechien 2014 | 95 Minuten

Regie: Jirí Mádl

Ein elfjähriger Junge eifert seinem großen Vorbild, dem tschechischen Regisseur Milos Forman, nach und filmt den Alltag seiner Familie, wobei er den Geheimnissen seiner Eltern auf die Spur kommt. Der ganz aus der Perspektive des Heranwachsenden gedrehte Film skizziert präzise die Erfahrungswelten des Jungen sowie seine unterschiedlichen Gefühlslagen. Eine heiter-melancholischer Blick auf die Familie, zugleich eine Reflexion über Glück und Trauer, Zweifel und Hoffnung, Lebenserfahrung und das Selbstbewusstsein, das aus krisenhaften Situationen erwachsen kann. - Ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
POJEDEME K MORI
Produktionsland
Tschechien
Produktionsjahr
2014
Produktionsfirma
Bio Illusion/Ceská Televize
Regie
Jirí Mádl
Buch
Jirí Mádl
Kamera
Edita Kainrathová
Musik
René Rypar
Schnitt
Jakub Vansa
Darsteller
Petr Simcák (Tomás) · Jan Marsál (Haris) · Ondrej Vetchý (Tomás' Vater) · Lucie Trmiková (Tomás' Mutter) · Jaroslava Pokorná (Tomás' Großmutter)
Länge
95 Minuten
Kinostart
11.08.2016
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Genre
Kinderfilm | Tragikomödie
Externe Links
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Familiendrama um einen filmbegeisterten Jungen, der sein Leben mit der Kamera festhalten will.

Diskussion
Zu seinem 11. Geburtstag hat Thomas von den Eltern eine Kamera und ein Schnittprogramm geschenkt bekommen. Nun will er Filme drehen, Superfilme, wie er sagt, zunächst in seiner tschechischen Heimat und dann in Amerika, genauso wie sein großes Vorbild Milos Forman. Am Beginn seiner Karriere soll zunächst allerdings ein Film über seine Familie stehen. Und über seinen besten Freund Harris, der aus Kroatien nach Ceske Budejovice kam und mit dem er irgendwann einmal seinen großen Traum, eine Reise ans Meer, verwirklichen will. Regisseur Jirí Mádl erzählt ganz aus der Sicht seines heranwachsenden Helden. Von der ersten Szene an nimmt er dessen Perspektive ein. Eingangs sitzt Thomas vor seiner Kamera und erläutert, mit festem Blick ins Objektiv, seine Pläne; auch später greift er immer wieder kommentierend ins Geschehen ein. Zugleich spielt der Film mit den Möglichkeiten, die das Aufnahmegerät und der Schnittcomputer bieten und die nun, vor den Augen der Zuschauer, ausgetestet werden: Es gibt Unschärfen, die auszugleichen sind, Zeitraffer, Zooms, Kreis- und Wischblenden, eine kleine, unaufdringliche Schule in Sachen Kinotechnik. Sehr viel wichtiger als diese technischen Details werden aber die menschlichen Erfahrungen, die Thomas mit der Kamera macht. Die Spurensuche danach, wie seine Familie funktioniert und was sie zusammenhält, führt zu einer Entdeckungsreise in ungeahnte Dimensionen, bis hin zu existentiellen Grundproblemen. Das alles ist in einem leichten, lockeren Ton erzählt, mit slapstickhaften Einlagen, romantischen und komischen Pointen, bis hin zu melancholisch grundierten Szenen. Warum zum Beispiel verschwindet der Vater, der als Verkäufer gebrauchter Möbel meist vom heimischen Computer aus arbeitet, regelmäßig aus der Wohnung? Warum belügt er seinen Sohn, indem er schwört, stets zu Hause gewesen zu sein? Betrügt er die Mutter? Hat er etwa eine andere Frau? Thomas’ heimliche Recherche mit der Kamera wird zur veritablen Detektivstory; nicht zuletzt die Verfolgungsjagd an der Seite eines Taxifahrers, der sichtlich Spaß an dieser Sache hat, ist spannend inszeniert. Die Auflösung des Falles könnte den Jungen aus der Bahn werfen, wäre die kleine Familie in Wirklichkeit nicht sehr viel gefestigter, als es den Anschein hat. Auch andere Dinge, die dem Elfjährigen wichtig sind, werden im Film episodisch verknüpft. Thomas muss schmerzhaft erfahren, warum sich Harris lange dem Wunsch verweigert, in dessen elterlicher Wohnung zu drehen, und warum der Freund schließlich wieder nach Kroatien zurückkehrt. Er entdeckt das Gefühl der Enttäuschung, das damit verbunden ist, dass seine erste große Schülerliebe, das Mädchen Stana, einen anderen Mitschüler vorzieht – und entlässt sie, nachdem ihm das bewusst wird, komplett aus dem Film. Mit neuer Lebenserfahrung und einem höheren Selbstbewusstsein, das nicht zuletzt durch die Bewältigung von Krisensituationen mit Hilfe der Kamera erwächst, verabschiedet er sich vom Fußballspiel: Nur unter Zwang hatte er sich jahrelang zu den Trainingsstunden gequält. Und schließlich ist da noch die Sache mit der Großmutter, die Thomas sehr liebt. Dass sie sich kaum noch bewegen kann und ihre Tablettenrationen immer größer werden, deutet auf einen baldigen Abschied hin, den der Film folgerichtig beschert. Der Tod, so erkennt der Junge, gehört zum Leben eben immer dazu. „Ab ans Meer!“ ist ein Film, der frei von Kindertümelei oder erhobenem pädagogischem Zeigefinger die Erfahrungswelt seiner sensiblen Hauptfigur aufblättert und dabei unterschiedliche Gefühlslagen zulässt. Dass Thomas auch am Ende noch immer nicht das Meer gesehen hat, sein Traum also unerfüllt bleibt, ist dann überhaupt nicht schlimm. Denn: „Jetzt weiß ich, dass ich alles schaffen kann.“ Ein Film über Glück und Trauer, Zweifel und Hoffnung. Ein Mutmacher, nicht nur für Elfjährige, sondern für die ganze Familie.
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