El Viaje - Ein Musikfilm mit Rodrigo Gonzalez

Dokumentarfilm | Deutschland 2016 | 98 Minuten

Regie: Nahuel Lopez

Der in Chile geborene Musiker Rodrigo Gonzalez, Bassist der Band „Die Ärzte“, reist in seine frühere Heimat, aus der er nach dem Militärputsch 1974 als Sechsjähriger mit seiner Familie nach Hamburg floh. Nun will er den Spuren der chilenischen Protestmusik nachgehen, die zum Soundtrack einer ganzen Generation wurde. Ein spannender Reportagefilm mit grandioser Musik und aufschlussreichen Versatzstücken der chilenischen Geschichte und Gegenwart. Zwischen Nähe und Distanz registriert er Begegnungen unterschiedlicher Qualität, verzichtet aber auf historisierende Einordnungen. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2016
Produktionsfirma
Februar Film/3sat
Regie
Nahuel Lopez
Buch
Nahuel Lopez · Oliver Keidel
Kamera
Florian Kirchler
Schnitt
Oliver Keidel
Länge
98 Minuten
Kinostart
11.08.2016
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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Heimkino

Verleih DVD
mindjazz
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Der Bassist der Rockband "Die Ärzte" reist auf der Suche nach den Wurzeln der chilenischen Protestmusik in seine frühere Heimat.

Diskussion
Als Sechsjähriger floh Rodrigo Gonzalez 1974 mit seiner Familie vor der Militärdiktatur aus Chile nach Hamburg. Heute kann der Musiker und Multiinstrumentalist auf eine respektable Karriere blicken. Aus dem Ex-Punk wurde mit den „Rainbirds“ und insbesondere als Bassist von „Die Ärzte“ ein erfolgreicher Popstar, der es sich leisten kann, ein ausgedehntes „Sabbatical“ in Chile einzulegen. Begleitet von dem Dokumentaristen Nahuel Lopez will Rod „The Mod“ Gonzalez dabei ein Album mit den chilenischen Protestsängern der 1960- und 1970er- Jahre plus ihrer Erben aufnehmen. Gonzalez hat über die Jahre ein paar Kontakte zur chilenischen Musikszene unterhalten und landet ohne größeren Plan, aber sehr neugierig in seiner alten Heimat. Die Erinnerungen an seine chilenische Kindheit sind schemenhaft und geprägt von den Liedern des „Nueva Cancion Chilena“, inspiriert von den Erzählungen seines Vaters, der auch im Exil als politisch engagierter Mensch gewirkt hat. Auf seiner Reise zwischen Santiago de Chile und Patagonien, zwischen Valparaiso und San Antonio trifft Gonzalez ganz unterschiedliche Musiker wie die modernistisch-anarchistische Blaskapelle Chico Trujillo, die Songwriterin Camila Moreno oder den herausragend talentierten Chinoy, die ihm einen Einblick in die politisch wie poetisch reflektierte Szene Chiles verschaffen. Die Kamera dokumentiert einige dieser Begegnungen, die manchmal an der Oberfläche bleiben, manchmal aber auch eine gewisse Tiefe erreichen. Seltsamerweise finden die meisten Gespräche in Form von Spaziergängen statt. Obwohl der blutige Militärputsch gegen den demokratisch gewählten Sozialisten Salvador Allende über 40 Jahre zurückliegt, scheinen die Erfahrungen von Widerstand, Folter und Mord noch sehr präsent, zumal Gonzalez immer wieder auch das Gespräch mit älteren Musikern sucht, die den Putsch noch erlebt haben. Der Film täuscht nicht darüber hinweg, dass Gonzalez trotz seines familiären Backgrounds in Chile ein Fremder ist und vielfach als interessierter Beobachter agiert, weshalb es dem Zuschauer überlassen bleibt, ob er Anspielungen auf Namen wie Victor Jara, Violeta Parra oder Marta Ugarte versteht. Mitunter erlaubt sich der Protagonist auch Off-Kommentare, die aber nicht zwischen dem Geschehen und dem Publikum vermitteln, sondern eher subjektiv und „knallig“ gehalten sind, wenn sich Gonzalez bei einem WG-Besuch etwa an seine eigenen Punk-Zeiten erinnert fühlt. An prominentem Ort, im Fußballstadion von Santiago de Chile, das unmittelbar nach dem Putsch als Gefängnis und Folterkammer diente, steht der Satz zu lesen: „Ein Volk ohne Erinnerung ist ein Volk ohne Zukunft!“ Der „Nueva Cancion Chilena“ und seine aktuellen Affiliationen scheinen ein privilegiertes Medium dieser Erinnerung zu sein, wobei aber auch deutlich wird, dass die chilenische Musik wenig eigenständig ist, sondern gewissermaßen als komplexer Hybrid über vielfältige Quellen verfügt und gerade deshalb in ganz Lateinamerika anschlussfähig wurde. „El Viaje“ dient sich dem Zuschauer nicht an, sondern schwankt selbst zwischen Nähe und Distanz zum Gezeigten, registriert Begegnungen unterschiedlicher Qualität und verzichtet auf die vermittelnde oder historisierende Einordnung dessen, was erzählt wird. Auch Gonzalez ist sich am Ende nicht sicher, ob er definitiv einschätzen kann, was er aus dieser Reise für sein Leben mitnimmt, aber wie der Zuschauer hat er sehr interessante Menschen getroffen, tolle Musik gehört und Versatzstücke der chilenischen Geschichte und Gegenwart präsentiert bekommen, mit denen sich etwas anfangen lässt. Und sei es bloß, dass man sich den Namen des CDU-Politikers Bruno Heck in Erinnerung ruft.
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