Drama | Kuba/Irland 2015 | 100 Minuten

Regie: Paddy Breathnach

Ein junger homosexueller Kubaner entdeckt die Welt der Bühne und des Kabaretts. Als er in einem Nachtclub in Havanna in einem rauschenden Kleid auftritt, wird er von einem Gast zusammengeschlagen, der sich als sein ihm unbekannter Vater entpuppt. Das raue Drama kontrastiert die karibischen Männerbilder boxender Machos mit dem femininen Universum der Transvestiten, wobei es in die Entwicklungsgeschichte Alltagsthemen und den Kampf mit wirtschaftlichen Engpässen einwebt. Mit beiläufigen Anspielungen auf den greisen Übervater Fidel Castro zeichnet die Inszenierung die Suche nach Identität als Kampf um Leidenschaft und Fantasie nach. (O.m.d.U.) - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
VIVA
Produktionsland
Kuba/Irland
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
Treasure Ent.
Regie
Paddy Breathnach
Buch
Mark O'Halloran
Kamera
Cathal Watters
Musik
Stephen Rennicks
Schnitt
Stephen O'Connell
Darsteller
Héctor Medina (Jesús) · Jorge Perugorría (Angel) · Luis Alberto García (Mama) · Laura Alemán (Cecilia) · Luis Manuel Álvarez (Cindy)
Länge
100 Minuten
Kinostart
15.09.2016
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Salzgeber (16:9, 1.78:1, DD5.1 span.)
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Ein junger Kubaner möchte Drag-Queen werden, gerät dabei aber mit seinem Vater aneinander, einem alkoholsüchtigen Boxer, der gerade aus dem Gefängnis entlassen wurde.

Diskussion
Havanna bei Nacht. In einer Bar singt ein alternder Transvestit mit aller Leidenschaft einen ergreifenden Bolero, das Publikum ist begeistert, ein junger Mann schaut verträumt auf die Bühne. Jesús (Héctor Medina) ist 17 Jahre alt, hübsch, sehr schüchtern. Er schlägt sich als Friseur unter anderem in einer Travestie-Bar durch. Geld hat er fast nie, manchmal geht er mit Touristen ins Bett. Für Frauen hat er sich nie interessiert, einen Vater nie gehabt. Zumindest kann er sich nicht mehr an ihn erinnern, denn der hat ihn und seine Mutter verlassen, als er drei Jahre alt war. Jesús will nicht mehr nur die Perücken der Kabarett-Diven pflegen, er will selbst auf der Bühne stehen und singen. Da der Chef der Bar „Mama“ gerade einen neuen Star braucht, gibt er dem Jungen eine Chance. Nach seinem Künstlernamen gefragt, antwortet der nach einem schnellen Blick auf das Cover der gleichnamigen Modezeitschrift: „Viva“. Doch als Jesús an seinem ersten Abend mit rauschendem Kleid und Mikrofon ins Publikum hinabsteigt, wird er von einem älteren Gast angegriffen. Es ist sein Vater Angel, ein ehemaliger Preisboxer, den er seit 15 Jahren nicht mehr gesehen hat. Er ist aus dem Gefängnis entlassen worden und will nun in der Wohnung des Sohnes wohnen. „Viva“ ist ein Vater–Sohn-Drama der besonderen Art, eingebettet in die großen Krisen der sozialistischen Karibikinsel. Wohnungsnot, Versorgungsengpässe, die Perspektivlosigkeit und der große Traum vom besseren Leben in Miami ziehen sich durch die Haupt- und Nebenerzählungen. Cecilia (Laura Alemán), Jesús ruppige Freundin aus Schulzeiten, träumt von Miami, aber ihr Geliebter, ein erfolgreicher kubanischer Boxer, will nichts mehr von ihr wissen, da sie schwanger ist. Jesús’ bester Freund hofft als Stricher auf ausländische Touristen, um das Geld für die Flucht in die USA zusammenzubekommen, und auch Angel, der gealterte Boxstar, würde gerne wieder ein Bein auf den Boden bekommen. Mit den besten Schauspielern des kubanischen Films wie Jorge Perugorría oder Luis Alberto García schafft der irische Regisseur Paddy Breathnach einen durch und durch kubanischen Film, ohne zu einer kubanischen Systemsatire zu entarten. „Viva“ beschreibt die Engpässe der kubanischen Gesellschaft, ohne die Armut exotisch zu verklären; er zeigt Havanna aber auch als normale Stadt mit einem funktionierenden Gesundheitssystem. „Viva“ ist nicht nur Jesús’ Künstlername, nicht nur eine Illustrierte, sondern „viva“ meint Leben im Imperativ, eine Aufforderung, die den Film weit über Geschlechterrollen und Genderspiele hinaus definiert. Dem Macho-Vater steht der feminine Sohn entgegen. Die Weiblichkeit der Jungen ist der eigentliche Widerstand gegen den Machismo der Alten. Darüber hinaus ist dieses im Reich des greisen Übervaters Fidel Castro angesiedelte Drama nichts anders als alle großen Vater-Sohn-Dramen: Der starke Vater muss schwächer werden, und der schwache Sohn stärker, damit es zu Entwicklung und Wandel kommt. Paddy Breathnach kontrastiert karibische Männerbilder, Almodóvar- und Hemingway-Klischees aus der Welt boxender Machos mit dem femininen Universum der Transvestiten. „Viva“ ist keine homosexuelle Liebesgeschichte, eher ein geradezu klassisches Entwicklungsroman-Szenario, denn der zunächst orientierungslose Jesús entdeckt die Welt der Bühne und des Kabaretts, so wie sein alkoholabhängiger Vater vor Jahrzehnten den Boxsport als Lebensinhalt entdeckte. „Viva“ ist eine ebenso anrührende wie raue Vater–Sohn Geschichte, über die Suche nach Identität, ein quijotesker Kampf um Leidenschaft, Lebensentwürfe und den Sinn des Daseins: Künstler werden, Sohn werden, erwachsen werden.
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