Das Wunder von Lourdes (2011)

Biopic | Frankreich 2011 | 119 Minuten

Regie: Jean Sagols

Die Geschichte von Bernadette Soubirous (1844-1879) aus dem Pyrenäenstädtchen Lourdes, der im Frühjahr 1858 in einer Grotte mehrmals die Jungfrau Maria erschien und die 1933 von der katholischen Kirche heiliggesprochen wurde. Der historisierende Kostümfilm zeichnet die Geschehnisse unter Rückgriff auf den „Bernadette“-Roman von Franz Werfel als fromm-naiven Bilderbogen nach, wobei die flüssig inszenierte Heiligengeschichte die statuarische Schönheit des Mädchengesichts ins Zentrum rückt. Eine Art filmischer Hinterglasmalerei, die der frommen Erbauung dient und hagiografischer Akkuratesse den Vorrang gegenüber interpretatorischer Deutung gibt. - Ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
JE M'APPELLE BERNADETTE
Produktionsland
Frankreich
Produktionsjahr
2011
Produktionsfirma
Massane Prod./Arbos Films/VAB
Regie
Jean Sagols
Buch
Serge Lascar · Robert Arnault · Jean-Michel Falco
Kamera
Bernard Malaisy
Schnitt
Pedro Ribeiro
Darsteller
Katia Miran (Bernadette Soubirous) · Michel Aumont (Abbé Dominique Peyramale) · Francis Huster (Vital Dutour) · Francis Perrin (Kommissar Jacomet) · Alessandra Martines (Louise Soubirous)
Länge
119 Minuten
Kinostart
08.12.2016
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Biopic | Drama | Historienfilm

Fromme Heiligenlegende über Bernadette Soubirous, der im Frühjahr 1858 in einer Grotte bei Lourdes die Jungfrau Maria erschien.

Diskussion
Schwester Marie Bernarde liegt im Sterben; ihr fieberglühender Körper wird von trockenen Hustenanfällen geschüttelt. Die schmächtige Novizin hat kaum mehr Kraft, um ihre Atemwege freizubekommen. Der herbeigerufene Bischof nimmt sie deshalb entgegen der strengen Ordensregeln in den Konvent der Barmherzigen Schwestern in Nevers auf. Doch kaum liegt der schwarze Habit auf der Kranken, huscht ein verschmitztes Lächeln über ihre Züge. Bernadette Soubirous (1844-1879), das Mädchen aus Lourdes, dem im Frühjahr 1858 in der Pyrenäen-Grotte Massabielle mehrfach die Gottesmutter Maria erschien, ist am Ziel ihrer Wünsche. Sie, die aus mittelosen Verhältnissen stammt, an schwerem Asthma leidet und von der Oberin als „Taugenichts“ beschimpft wird, will nicht tot sein, sondern als Nonne leben. Als sie von Mitschwestern angegiftet wird, dass sie den Ordensschleier erschlichen habe, wird die freundliche Nonne deutlich. Das sanfte Gesicht strahlt plötzlich eine kantige Klarheit aus, die sich nicht mehr rechtfertigen muss, sondern mit heiligem Ernst ein Faktum konstatiert: „Ich habe ihn aber.“ Immer wieder fokussiert die Kamera auf das wandelbare Antlitz der Schauspielerin Katia Miran, die ihre Figur nicht „erklären“, sondern ikonenhaft verkörpern soll. Ein ums andere Mal leuchtet die Inszenierung die statuarische Schönheit des jungen Mädchengesichts aus, in dessen großen Augen sich Ergriffenheit und Hingabe, aber auch Kraft, Mut und eine burschikose Entschlossenheit spiegeln. So will es die Regie von Jean Sagols, der unter Rückgriff auf den Franz-Werfel-Roman „Das Lied von Bernadette“ die Geschichte des „Wunders von Lourdes“ als fromm-naiven Bilderbogen entwirft. Der weitgehende Verzicht auf Figurenpsychologie zugunsten einer auch in der Wahl der Darsteller akzentuierten Typologie grenzt ungeniert an Devotionalien-Kitsch, wahrt aber meist doch eine Grenze, solange die Filmmusik die Bildebene nicht verdoppelt. Das ist eine Form filmischer Hinterglasmalerei im Dienst frommer Erbauung, bei der hagiografische Akkuratesse an die Stelle einer interpretatorischen Deutung tritt. Wenn man sich aber auf diese Art naiver Ästhetik einmal einlässt und sich auch nicht weiter am goldgelben Licht stört, das nahezu alle Szenen durchflutet, entfaltet sich eine flüssig erzählte Legende mit überraschend „modernen“ Widerlagern. Denn die Protagonistin ist entgegen ihrer rehäugigen Erscheinung eine eigensinnig-eigenwillige Persönlichkeit, die keine Konzessionen an ihre Umwelt macht, sondern unbeirrt ihren Willen verfolgt. Hinter der pittoresken Gloriole der aufgeräumten CinemaScope-Bilder blitzt bei Bernadette eine Unabhängigkeit und Stärke auf, die so gar nicht in den pastoralen Gesamtrahmen passt. Dazu zählt auch, dass der Film nahezu durchgängig bei der Protagonistin bleibt und den Wunderwahn um das heilsame „Lourdes“-Wasser nur kurz streift. Auffallend breiten Raum nimmt hingegen der Widerstand der gesellschaftlichen Autoritäten ein. Bürgermeister, Polizei, der örtliche Pfarrer und seine Vorgesetzten reagieren energisch auf Bernadettes „Erscheinungen“ und wollen sie der 14-Jährigen ausreden, sie umdeuten oder unterbinden, was zu komischen Szenen führt, wenn die wortkargen Sätze des Mädchens in die unterschiedlichsten Perspektiven „übersetzt“ werden. Die Anfeindungen während der Klosterzeit aber, als Bernadette in ihrer Superiorin Marie-Thérèse Vauzous eine strenge Kritikerin fand, die sich insbesondere gegen die einsetzende Verehrung der Nonne als Heilige zur Wehr setzte, blendet der historisierende Kostümfilm fast komplett aus. Auch darin wird die Intention der Inszenierung deutlich, die auf ein frommes, theologisch nicht gebildetes Publikum zielt. Erwartungen an eine spirituelle Bildsprache oder erzählerische „Brüche“, die den Film einer reflektierteren Deutung zugänglich machten, zielen deshalb ins Leere.
Kommentar verfassen

Kommentieren