Mein Blind Date mit dem Leben

Komödie | Deutschland 2016 | 111 Minuten

Regie: Marc Rothemund

Ein nahezu blinder Abiturient will im „Bayerischen Hof“ in München eine Ausbildung zum Hotelfachmann machen, um später ein eigenes Restaurant zu leiten. Ohne seine Behinderung offenzulegen, erhält er den Job und meistert mit Hilfe eines Kollegen alle Hürden, bis er sich verliebt. Die nach einer wahren Begebenheit erzählte Komödie glänzt durch ihre Leichtigkeit, ein große Portion Galgenhumor, gute Darsteller sowie die feine Balance zwischen Tragik und Komik. Auf den Spuren von Helmut Dietls Fernsehserie „Kir Royal“ spielt dabei das Hotel als lebendiger Organismus eine illustre Hauptrolle. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2016
Produktionsfirma
Ziegler Cinema/SevenPictures/StudioCanal
Regie
Marc Rothemund
Buch
Oliver Ziegenbalg · Ruth Toma
Kamera
Bernhard Jasper
Schnitt
Charles Ladmiral
Darsteller
Kostja Ullmann (Saliya Kahawatte) · Jacob Matschenz (Max) · Anna Maria Mühe (Laura) · Johann von Bülow (Kleinschmidt) · Nilam Farooq (Sheela)
Länge
111 Minuten
Kinostart
26.01.2017
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Komödie
Externe Links
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Heimkino

Die FSK-Freigabe „ab 6“ bezieht sich auf das Bonusmaterial (Trailer etc.), der Film selbst hat eine Freigabe „ab 0“. BD und DVD enthalten eine Audiodeskription für Sehbehinderte. Die Extras umfassen u.a. einen erhellenden Audiokommentar mit Saliya Kahawatte und Darsteller Kostja Ullmann, die Dokumentation "37 Grad: Augen zu und durch" (29 Min.) über die wahren Geschichte hinter dem Film sowie eine Reihe von Interviews, darunter ein ausführliches mit Regisseur Marc Rothemund (11 Min.). Die Edition ist mit dem Silberling 2017 ausgezeichnet.

Verleih DVD
StudioCanal (16:9, 2.35:1, DD5.1 dt.)
Verleih Blu-ray
StudioCanal (16:9, 2.35:1, dts-HDMA dt.)
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Fein ausbalancierte Tragikomödie um einen fast blinden Hotelfachmann

Diskussion
Es verheißt oft nicht Gutes, wenn einem Film das Etikett „Nach einer wahren Geschichte“ vorangestellt ist. Es haftet ihm der Ruch einer präventiven Rechtfertigung an. Was jetzt kommt, ist unglaubwürdig oder sonstwie überkonstruiert, doch egal: Es ist ja in Wirklichkeit passiert. In Marc Rothemunds „Mein Blind Date mit dem Leben“ hätte man den obligatorischen Satz allerdings getrost hintanstellen können, als Hinweis auf die gleichnamige Autobiografie von Saliya Kahawatte. Denn „Mein Blind Date mit dem Leben“ funktioniert gänzlich autark, auch ohne Warnhinweis. Mit am Schwierigsten ist das Händeschütteln. Und das In-die-Augen-Sehen. Sali hat es zu Hause trainiert, gemeinsam mit seiner Schwester. Nach dem Abitur will er Hotelfachmann werden – trotz seiner schweren Sehschwäche. Nach einer Notoperation der Augen sind ihm nur noch fünf Prozent seiner Sehkraft geblieben – was bestenfalls Umrisse in einem Grauschleier erlaubt und im Film gelegentlich recht anschaulich visualisiert wird. Sali sieht fast nichts. Trotzdem hat er das Gymnasium geschafft. Er hat eigene Merksysteme entwickelt und sein Gedächtnis trainiert. Der Erfolg gibt ihm den Mut, seinen Traum von der Arbeit im Hotel weiter zu verfolgen. Er bewirbt sich in einem der besten Häuser, dem Bayerischen Hof in München. Gegen die Herausforderungen, die dort auf ihn zukommen, nimmt sich das Abitur geradezu simpel aus. Marc Rothemund knüpft mit „Mein Blind Date mit dem Leben“ an seine Teenie-Komödie „Groupies bleiben nicht zum Frühstück“ (2009, (fd 40 065)) an. Hier wie dort spielt Kostja Ullmann die männliche Hauptrolle. Beide Filme zeichnen sich auch durch eine für deutsche Mainstream-Komödien außerordentlich seltene Leichtigkeit aus. Regie wie Buch (Oliver Ziegenbalg, Ruth Thoma) balancieren Tragik und Komik geschickt aus. Der Protagonist, aber auch wichtige Nebenfiguren verfügen über Galgenhumor, der für sehr witzige Momente sorgt und aufkeimende Rührseligkeit schnell relativiert. Neben Ullmann und Jacob Matschenz als Freund und Kollege Max ist das Hotel der dritte Hauptdarsteller. Beim Bayerischen Hof schwingt stets auch Helmut Dietls Kult-Serie „Kir Royal“ (1985) mit, wenn Sali, seine Schritte zählend, durch Gänge, Zimmer und über Prachttreppen steuert. Oder eine Frau in ihrer Suite plötzlich die Hüllen fallen lässt, Sali aber darauf nicht reagiert, weil er sie gar nicht sieht, sondern nur leicht irritiert und vollendet höflich seine Tätigkeit vollendet. Überhaupt erinnert das ungleiche Paar Max und Sali beim Schlagabtauch immer wieder an das berühmte Vorbild Baby Schimmerlos und Herbie Fried. Hotelfilme, von Billy Wilders „Manche mögen’s heiß“ (fd 8448) über „Shining“ (fd 22 670), „Lost in Translation“ (fd 36 315) bis zu Jessica Hausners „Hotel“ (fd 37 671), stellen ein eigenes Subgenre dar. Oft stehen die Gäste und ihre Sehnsüchte, ihre Alltags und Lebensfluchten im Fokus. Fokussiert die Handlung hingegen auf die Mitarbeiter, geraten diese häufig in den Sog der Gäste oder anderer Kräfte, die sich um den ebenso anonymen wie intimen Ort zusammenballen. Bei Marc Rothemund wird das Hotel als lebendiger Organismus charakterisiert, wobei der Film zugleich eine Hommage an die unsichtbaren Geister ist, die mit höchster Perfektion alles am Laufen halten. Sali und die anderen Auszubildenden durchlaufen alle Stationen, vom Zimmerservice über die Küche bis zum Restaurant. Besondere Schwierigkeiten bereiten ihm die Schneidemaschine in der Küche und die Gläser im Restaurant. Es will ihm einfach nicht gelingen, sie perfekt zu polieren, doch Johann von Bülow als unerbittlicher Restaurantchef, der wie die meisten Vorgesetzten und Kollegen nichts von Salis Handicap weiß, zwingt ihn ein ums andere Mal, den Vorgang zu wiederholen. Eher eine Schwäche des Films ist es, dass Salis Vater unsympathisch überzeichnet wird und es gegen Ende noch einmal eine dramatische Wende gibt. Dies wäre gar nicht nötig gewesen und wirkt eher aufgesetzt. So wie die Verortung im wirklichen Leben zu Beginn.
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