Die letzten Männer von Aleppo

Dokumentarfilm | Dänemark/Syrien 2017 | 110 (TV: 90) Minuten

Regie: Firas Fayyad

Dokumentarfilm über zwei Syrer aus Aleppo, die als Mitglieder der Freiwilligenorganisation „White Helmets“ nach Überlebenden in den bombardierten Gebäuden der Stadt suchen oder Tote bergen. Die Kamera begleitet die Weißhelme hautnah selbst dann, wenn sie unter Beschuss geraten. Über einen Zeitraum von zwei Jahren verfolgt der sorgfältig fotografierte Film das deprimierende Schicksal der Aufständischen gegen das Assad-Regime. Ohne sich um eine differenzierte Schilderung der politischen Situation zu bemühen, gilt sein Augenmerk vorrangig den selbstlosen Helfern und ihrem tragischen Einsatz angesichts von Tod und Zerstörung. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
LAST MEN IN ALEPPO
Produktionsland
Dänemark/Syrien
Produktionsjahr
2017
Produktionsfirma
Larm Film/Aleppo Media Center
Regie
Firas Fayyad · Steen Johannessen
Buch
Firas Fayyad
Kamera
Fadi Al Halabi · Thaer Mohamad
Musik
Karsten Fundal
Schnitt
Michael Bauer · Steen Johannessen
Länge
110 (TV: 90) Minuten
Kinostart
16.03.2017
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Erschütternder Dokumentarfilm über die Freiwilligen der Hilfsorganisation "White Helmets", die Tote und Verwundete aus den bombardierten Häusern in Aleppo bergen

Diskussion
Khaled steht inmitten von Ruinen und beobachtet den tiefblauen Himmel: Nach dem Bombenangriff ist die Straße völlig zerstört. Aus den Trümmern bergen er und andere Männer ein verschüttetes Baby. Es ist reglos, mit Staub bedeckt. Aber es lebt. Unter den Passanten breitet sich Erleichterung aus. Dann schauen sie wieder in die Höhe, ob die russischen Bomber zurückkommen. Alltag in Aleppo. Die Stadt wird seit Jahren belagert. 2011 provozierten die friedlichen Proteste in Syrien eine brutale Repression des Assad-Regime. Der Konflikt eskalierte zum Bürgerkrieg. Die „White Helmets“ entstanden als unbewaffnete Bürgerwehren im belagerten Aleppo. Einfache Bürger mit normalen Berufen begannen mit Baggern, Schaufeln und bloßen Händen die Trümmer wegzuräumen und verschüttete Menschen zu bergen. Täglich werden die Wohngebiete bombardiert, immer wieder fahren die Männer mit ihren schlechten Autos zu den eingestürzten Gebäuden und versuchen die Lebenden zu retten oder die Toten zu bergen. Der Dokumentarfilm von Firas Fayyad und Steen Johannessen schildert den Einsatz der Freiwilligenorganisation „White Helmets“ im belagerten Aleppo und bleibt dabei immer dicht an den Protagonisten: Khaled hat zwei Kinder und eine Frau; oft ist er tagelang von seiner Familie getrennt. Mit seiner Tochter sucht er in den leeren Apotheken nach Medikamenten für die Kleine. Die Kinder leiden durch die lange Belagerung an Mangelerscheinungen. „Wir verhungern, oder die Bomben bringen uns um“, sagt Khaled. Immer wieder überlegt er, ob er seine Kinder nicht in die benachbarte Türkei schicken soll. Er selbst ist in Aleppo geboren, hat die Stadt nie verlassen und kann sich auch nicht vorstellen, woanders zu leben. Sein Kollege Mahmoud steuert das alte Auto der Weißhelme zu den ausgebombten Häusern. Sein kleiner Bruder Ahmed ist auch mit dabei. Ihren Eltern haben sie erzählt, dass sie in der Türkei in Sicherheit seien. Tod und Zerstörung sind immer präsent: Die Kamera begleitet die Weißhelme auch, wenn sie unter Beschuss liegen, wenn Bomben fallen und unmittelbar danach. Die Filmemacher bleiben im belagerten Teil der Stadt, auf ihrer Seite der Front. Sie versuchen niemals, den Konflikt aus der Vogelperspektive zu erklären; sie vermeiden die einlullende Scheinobjektivität des Fernseh-Brennpunktes. Die wenigen Totalen zeigen die Stadt Aleppo tagsüber im Blitzlicht der Bombardierungen, doch auch diese wenigen Überblicke verstärken das Gefühl der Klaustrophobie. Die Einsatzbereitschaft der Männer wird von tiefer Hoffnungslosigkeit begleitet. Als die Demonstranten auf den zerstörten Straßen den Rücktritt des Diktators Assad fordern, sagt Khaled sarkastisch zu seinem Kollegen: „Lass uns das Regime bei mir zu Hause besiegen!“ Über zwei Jahre begleitet der Film die Männer in ihrem Alltag, zeigt die Hoffnungslosigkeit, die Endzeitstimmung, das Gefühl, wenn sich der Belagerungsring endgültig schließt und die Belagerten vergessen worden sind: „Sie wollen uns nicht mehr verletzen, sie wollen uns gleich töten. Die Welt ist gegen uns. Die ganze Welt, die Araber, die Ausländer, einfach alle.“ Dennoch gibt es Momente der Hoffnung: etwa die Goldfische, die Khaled in Brunnen und Wasserbehälter setzt. Der Moment der Waffenruhe, wenn Eltern und Kinder zum nahegelegenen Spielplatz stürmen, eine Hoffnung, die gleich wieder durch herannahende Bombengeschwader zerstört wird. Die Hochzeit, die Mahmoud besucht, und der Autokorso, der sich durch die zerstörten Straßen bewegt. „Die letzten Männer von Aleppo“ ist ein ergreifender und mitreißender Dokumentarfilm, in seiner Nähe zu den Protagonisten, in ihrer täglichen Tragödie, aber auch in den wenigen Momenten der Hoffnung.
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