Vier Nächte mit Anna

Drama | Polen/Frankreich 2008 | 89 Minuten

Regie: Jerzy Skolimowski

Ein Mann steigt nachts in das Haus einer Frau ein, die er heimlich verehrt, räumt auf, richtet ihre Arbeitskleidung oder lackiert ihre Nägel. In traumartig eingeflochtenen Rückblenden enthüllt sich seine unglückliche Vorgeschichte. Er war Zeuge, wie die Frau vergewaltigt wurde, und kam dafür fälschlicherweise ins Gefängnis. Die Inszenierung entfaltet die Tragik einer dostojewskischen Figur zwischen unendlicher Schüchternheit und obsessiver Getriebenheit in einem Wechselspiel aus Witz, Absurdität und Düsternis. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
CZTERY NOCE Z ANNA
Produktionsland
Polen/Frankreich
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
Alfama Films/Skopia Film/TVP
Regie
Jerzy Skolimowski
Buch
Jerzy Skolimowski · Ewa Piaskowska
Kamera
Adam Sikora
Musik
Michal Lorenc
Schnitt
Cezary Grzesiuk
Darsteller
Artur Steranko (Leon Okrasa) · Kinga Preis (Anna) · Redbad Klijnstra (Jurymitglied) · Jerzy Fedorowicz (Chefarzt) · Barbara Kolodziejska (Großmutter)
Länge
89 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama | Krimi
Externe Links
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Ein Mann schleicht nachts in die Wohnung einer Frau, um ihr nahe zu sein

Diskussion
Der polnische Regisseur Jerzy Skolimowski, der 2016 beim Filmfestival in Venedig mit einem »Goldenen Löwen« für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde, zählte in den 1960er-Jahren mit Andrzej Wajda und Roman Polanski zu den „jungen Wilden“ des polnischen Kinos. Filme wie „Walkover“ (1965) oder der bei der „Berlinale“ 1967 prämierte »Der Start« machten ihn berühmt, „Deep End“ (fd 17 303), seine „Swinging London“-Hommage, wurde sogar zum Kultfilm. Er konnte mit internationalen Stars drehen, hatte jedoch nicht den erhofften Erfolg und distanzierte sich später von einigen seiner Großproduktionen. 1991 legte er eine Pause ein, betätigte sich als Maler und Gedichteschreiber, um 17 Jahre später in Cannes einen neuen Film zu präsentieren: „Vier Nächte mit Anna“ (2008), mit dem er nach eigener Auskunft „wieder zu seinem ureigenen Stil“ zurückgefunden habe. Es ist die Geschichte eines tölpelhaften, lächerlichen Mannes. Dostojewski könnte sie erfunden haben. Dass es eine Liebesgeschichte ist, offenbart sich erst allmählich. Die Kamera, die immer physische Nähe sucht, begleitet den Mann zunächst in einer von Herbstmelancholie verhängten polnischen Kleinstadt, wie er einer blonden Frau hinterherspioniert. Ist er ein Stalker, gar ein Triebtäter? Er heißt Leon und arbeitet im Krematorium der örtlichen Klinik, wo er Müll und Leichenteile zu entsorgen hat. Er wird heimlich ins Schlafzimmer der Frau einsteigen und die Schlafende hingebungsvoll betrachten. Vier Nächte lang. Er wird ihr Blumen mitbringen, ihr die Zehennägel lackieren, und niemals von ihr bemerkt werden. In traumartig eingeflochtenen Rückblenden enthüllt sich die tragische Vorgeschichte: Vor Jahren war die Frau Opfer einer brutalen Vergewaltigung, und Leon, Zeuge der Tat, wurde durch die Verkettung unglücklicher Umstände zum Täter erklärt und verurteilt. Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis beginnt er mit seinen kuriosen Annäherungsversuchen. Leon ist in seiner Mischung aus unendlicher Schüchternheit und obsessiver Getriebenheit eine typische Skolimowski-Figur. Leon geht nicht, er stolpert vor sich hin, und wenn er etwas zu sagen versucht, entkommen ihm nur stotternde Laute. Er kann weder seine Unschuld darlegen, noch seine Liebe erklären. Skolimowski zeigt das in einem Wechselspiel aus Witz, Absurdität und Düsternis, also in seinem lang vermissten „ureigenen Stil“.
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