Ai-un - Hugo Makibi Enomiya-Lassalle. Brückenbauer zwischen Zen und Christentum

Dokumentarfilm | Deutschland/Schweiz/Japan 2016 | 110 Minuten

Regie: Christof Wolf

Porträt des Jesuiten Hugo Lassalle (1898-1990), der 1929 als Missionar nach Japan geschickt wurde, dort den Zen-Buddhismus kennenlernte und zum wichtigen Wegbereiter für dessen christliche Rezeption wurde. Der kunstvoll gestaltete Dokumentarfilm nutzt eine Tusche-Animation über den „Ochsenbilder“-Zyklus, um Lassalles Ringen mit der buddhistischen Religion anschaulich zu machen. Dabei unterstreicht das lebendige multiperspektivische Porträt das Exemplarische des spirituellen Brückenschlags, der sich dem Fremden vorbehaltlos öffnet, ohne die eigene Identität einzubüßen. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
AI-UN - HUGO MAKIBI ENOMIYA-LASSALLE. BRÜCKENBAUER ZWISCHEN ZEN UND CHRISTENTUM
Produktionsland
Deutschland/Schweiz/Japan
Produktionsjahr
2016
Produktionsfirma
Loyola Prod./Franz Xaver Stiftung
Regie
Christof Wolf
Buch
Maximilian Knauer · Margret Mellert · Christof Wolf · Uwe Wrobel
Kamera
Itzik Yehezkeli · Christof Wolf · Uwe Wrobel
Musik
Monika Gatt · John R. La Vine
Schnitt
Uwe Wrobel
Länge
110 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Dokumentarfilm

Heimkino

Die Extras umfassen u.a. einen Audiokommentar des Regisseurs und des Cutters sowie die aufschlussreichen filmhistorischen Sekundärquellen "Die Höhle des göttlichen Dunkels (1971, 27 Min.), "Der erste christliche Zen-Meister (1984, 38 Min.) und "Einführung in Zen-Meditation" (1985, 28 Min.). Die Edition ist mit dem Silberling 2017 ausgezeichnet.

Verleih DVD
Loyola (16:9, 1.78:1, DD5.1 Schweizerdt. & dt. & engl.)
Verleih Blu-ray
Loyola Productions
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Porträt des Jesuiten Hugo Lassalle (1898-1990), der 1929 als Missionar nach Japan geschickt wurde, dort den Zen-Buddhismus kennenlernte und zum wichtigen Wegbereiter für dessen christliche Rezeption wurde.

Diskussion
„Ich muss zum Nichts gehen“, hat der Jesuitenpater Hugo Lassalle (1898-1990) an einer entscheidenden Weggabelung seines Lebens beherzt formuliert. In diesem „Nichts“ klingt zwar auch seine Erfahrung mit der buddhistischen Zen-Meditation an, der er sich zu diesem Zeitpunkt schon lange Jahre intensiv widmete; doch das vielschichtige Filmporträt über den hochaufgeschossenen Jesuiten lässt keinen Zweifel daran, dass sich der Satz auch auf den Widerstand der katholischen Kirche bezieht, die seinem großen Lebensexperiment lange skeptisch-ablehnend gegenüberstand. Erst das Zweite Vatikanische Konzil und die gesellschaftliche Aufbruchstimmung öffneten Lassalle die Türen und ließen ihn zum Wegbereiter eines christlich interpretierten Zen in Europa und der USA werden. Der Dokumentarfilm von Christof Wolf zeichnet nun nicht nur die außergewöhnliche Biografie des Jesuiten nach, der 1929 als christlicher Missionar nach Japan geschickt wurde, in Hiroshima den Abwurf der Atombombe überlebte und dort zunächst eine Kirche baute, ehe er sich ganz der Mystik des Zen widmete. Vielmehr setzt er Lassalles Leben und Werk in vielfältige Bezüge zur Zeit- und Kulturgeschichte und ihrer für Europäer nicht immer leicht zugänglichen Kontexte. Was es mit dem Zen und dem „Nichts“ auf sich hat, skizziert der meditative Film eingangs in einer ungewöhnlichen Ouvertüre als animierte Sequenz über die zehn „Ochsenbilder“, eine bekannte Zen-Fabel über einen Ochsen und seinen Hirten. Eine Kinderstimme rezitiert im Versmaß die Parabel vom Suchen und Finden des Tiers, das als Metapher fürs eigene Selbst gilt, während der Bilderzyklus in zehn Tusche-Animationen auf der Leinwand traumhaft zum Leben erwacht. Auch darin ist von einer Art „Nichts“ die Rede, nur dass „Die vollkommene Vergessenheit von Ochs und Hirte“ im achten Bild nicht das Ende markiert, sondern in eine Daseinsweise mündet, die im Buddhismus als „Erleuchtung“ umschrieben wird. Im Lauf der filmischen Biografie tauchen diese Bilder immer wieder auf und reichern sich mit Lassalles Lebensstationen an, seinen Traumata wie dem frühen Tod des Bruders oder der Katastrophe von Hiroshima, den Anfechtungen und Niederlagen, aber auch den stillen Erfolgen, die den Jesuiten im Alter zum Türöffner für eine christlich in-spirierte Lesweise des Zen-Buddhismus werden ließen. Der Film räumt auch Schülern wie der Psychologin und Zen-Meisterin Anna Gamma, dem Benediktiner Willigis Jäger sowie dem Religionswissenschaftler Michael von Brück ausführlich Platz ein, die Lassalles Vermächtnis des interreligiösen Dialogs weiterführen. Das ist überaus informativ und bindet sein Lebenswerk in eine theologisch-philosophische Auseinandersetzung ein. Insbesondere Michael von Brück arbeitet den intellektuellen Background Lassalles heraus, der im Studium der christlichen Mystik bei Johannes vom Kreuz oder Meister Eckhart auf Parallelen zur „begriffslosen“ Erfahrungswelt der Zen-Meditation stieß; die Vorstellung einer „unio mystica“ mit Gott oder einer „coincidentia oppositorum“, des Zusammenfalls der Gegensätze, legten sich für eine Zen-Interpretation wie von selbst nahe. Durch die kunstvolle filmische Gestaltung, die in gewisser Weise selbst dem „Ochsenpfad“ folgt und aus der (Über-)Fülle der Aktualitäten in die Ruhe und „Leere“ einfacher Landschaften führt, gelingt dem Film ein lebendiges, multiperspektivisches und überdies äußerst anschlussreiches Bild des hageren Jesuiten, dessen körperliche Gestalt die lebenslange Praxis der Zen-Meditation eindrucksvoll widerspiegelt. Nachdrücklich unterstreicht der Film das Exemplarische des Brückenschlags von Lassalle, der vorgemacht hat, wie Kulturen sich begegnen können: indem sich Menschen radikal auf das Andere einlassen, ohne darüber ihre eigene Identität preiszugeben. Der Doppelname Hugo Makibi Enomiya-Lassalle, den der Jesuit bei seiner Einbürgerung in Japan annahm, bringt das auf seine Weise zum Ausdruck. Sein Lehrer Yamada Koun Roshi, der ihn 1978 als ersten katholischen Priester in den Rang eines Zen-Lehrers aufnahm, verlieh ihm jedoch einen anderen Namen: „Ai-un“, Wolke der Liebe. Die DVD-Edition enthält neben einem Audiokommentar des Regisseurs und seines Cutters Uwe Wrobel auch drei zeitgeschichtlich höchst interessante Kurzdokumentationen über Lassalle aus den Jahren 1971-1985.
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