Gangsterfilm | Deutschland 2017-2019 | 323 (6 Folgen) 368 (7 Folgen) 281 (6 Folgen) Minuten

Regie: Marvin Kren

Staffel 1: Das Oberhaupt eines in Neukölln lebenden libanesisch-stämmigen mafiösen Clans würde sich gerne aus den illegalen Geschäften zurückziehen und mit Frau und Kindern ein bürgerliches Leben führen. Als sein Schwager, der eigentlich die Leitung übernehmen sollte, ins Gefängnis kommt und gleichzeitig der Druck durch andere Banden steigt, sieht sich der Mann genötigt, doch noch die Geschicke des "Familienunternehmens" zu führen. Hilfe erhofft er sich von einem gerade heimgekehrten alten Freund, der allerdings seine eigene Agenda hat. Eine kraftvolle, mitreißend inszenierte Gangster-Serie, die souverän Motive des Mafia-Genres variiert und zugleich eine markante, atmosphärisch dichte Neuköllner Milieustudie liefert. Staffel 2: Statt aus dem kriminellen Geschäft auszusteigen, wird das Oberhaupt eines in Berlin-Neukölln lebenden mafiösen Clans mit libanesischen Wurzeln noch weiter in die illegalen Machenschaften hineingezogen. Es gelingt ihm zwar, ins Immobiliengeschäft einzusteigen und sich damit ein legales Standbein zu schaffen; ein konkurrierender Clan bereitet ihm jedoch ebenso Probleme wie Konflikte innerhalb der Familie. Die zweite Staffel der Gangsterserie führt die Geschichte aus Staffel eins konsequent weiter, setzt jedoch verstärkt auf Standardsituationen des Genres und büßt dadurch an erzählerischer Frische und interessanten Charakterzeichnungen ein. Staffel 3: Nach dem Attentat auf seine Frau Ende der zweiten Staffel hat das Oberhaupt eines in Berlin-Neukölln lebenden libanesischen Familienclans die Geschäfte an seinen Bruder abgegeben und versucht, aus der kriminellen Szene auszusteigen. Konflikte mit anderen Geschäftspartnern, Probleme im eigenen Clan und die Ermittlungen der Polizei erschweren diesen Schritt. Die dritte und finale Staffel der Serie behält ihren Stil bei und führt die offenen Handlungsstränge zu einem Ende. Auch wenn das Entwicklungspotenzial der Figuren weitgehend ausgereizt ist, überzeugen die finalen sechs Folgen durch ihre stringente Spannungsdramaturgie und effektiv eingesetzte Thriller-Elemente. - Ab 18.
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Filmdaten

Originaltitel
4 BLOCKS
Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2017-2019
Produktionsfirma
Wiedemann & Berg Television
Regie
Marvin Kren · Oliver Hirschbiegel · Özgür Yildirim
Buch
Hanno Hackfort · Christoph Bob Konrad · Richard Kropf · Marvin Kren · Benjamin Hessler
Kamera
Moritz Schultheiß · Timon Schäppi · Matthias Bolliger
Musik
Stefan Will · Marco Dreckkötter · Peter Hinderthür
Schnitt
Jan Hille · Lars Jordan · Sebastian Thümler
Darsteller
Kida Ramadan (Tony) · Frederick Lau (Vince) · Asil Veysel (Abbas) · Maryam Zaree (Kalila) · Oliver Masucci (Hagen Kutscha)
Länge
323 (6 Folgen) 368 (7 Folgen) 281 (6 Folgen) Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16 (Staffel 1); ab 18 (Staffel 2); ab 16 (Staffel 3)
Pädagogische Empfehlung
- Ab 18.
Genre
Gangsterfilm | Serie

Heimkino

Die Extras umfassen ua.a. ein 12-seitiges Booklet mit Informationen zum Film.

Verleih DVD
AV Visionen/Eye See Movies (16:9, 1.78:1, DD5.1 dt.)
Verleih Blu-ray
AV Visionen/Eye See Movies (16:9, 1.78:1, dts-HDMA dt.)
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Eine Gangster-Serie um einen kriminellen libanesisch-stämmigen Familienclan in Berlin-Neukölln

Diskussion

Staffel 1:

Ali „Tony“ Hamady (Kida Kodr Ramadan) wohnt seit 26 Jahren mit Frau und Tochter in Deutschland. Nun möchte der aus dem Libanon stammende Familienvater sein Leben ändern: raus aus der organisierten Kriminalität, rein in den geordneten, legalen Alltag. Doch das ist nicht so leicht. Denn Tony ist der Anführer eines in Berlin-Neukölln lebenden Familienclans und somit für die laufenden Geschäfte verantwortlich. Von den Schwierigkeiten seines Vorhabens, aber auch von den Machenschaften der Hamady-Familie erzählt die vom Sender TNT produzierte sechsteilige Serie.

Schon in der Eröffnungsszene rast ein Polizeiwagen in eine dicht besiedelte Wohnsiedlung und unterbindet vor einer Garage eine Drogenübergabe. Bei der Durchsuchung werden in einem Auto neun Kilogramm Kokain sichergestellt. Der Besitzer des Fahrzeugs ist Tonys Schwager Latif Hamady, der eigentlich das Geschäft übernehmen sollte, doch nun für längere Zeit ins Gefängnis muss. Tonys Pläne erhalten dadurch einen Dämpfer. Er muss das Business deshalb künftig selbst weiterführen, weil er sie nicht seinem unberechenbaren Bruder Abbas überlassen will.

Die ersten Szenen geben die Stimmung vor: „4 Blocks“ ist brachial. Die beiden Polizisten werden heftig attackiert, die Sprache ist derb-beleidigend und immer explizit. Es ist eine gewalttätige Welt, aus der es kein Entkommen zu geben scheint, und in der Tony immer wieder Rückschläge einstecken muss. Seit Jahren sucht er mit seiner Frau das Ausländeramt auf, in der Hoffnung auf eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung. Tony balanciert zwischen zwei Welten, die nicht miteinander vereinbar zu sein scheinen. Die von Regisseur Marvin Kren inszenierte Serie zeichnet Tony als vielschichtigen Charakter voller Zerrissenheit, Wut und Liebe, mal bedrohlicher Anführer, mal einfühlsamer Vater. In seinem Freund Vince glaubt er eine Vertrauensperson an seiner Seite zu haben, doch dessen Nähe wirkt sich schlecht auf das Verhältnis zu seinem Bruder aus.

Eine Mafia-Ballade um Integration, Gentrifizierung und Verdrängungskämpfe in Neukölln

Gleichzeitig ist „4 Blocks“ aber auch eine Geschichte um Integration, Gentrifizierung und Verdrängungskämpfe, die nicht ohne Standardsituationen des Mafia-Genres auskommt, aber auch ungewöhnliche Blicke auf die Machenschaften und Intrigen der Clans gewährt. Das Walten der Ganoven-Clique wird nicht von außen, sondern ähnlich wie bei „Die Sopranos“ aus der Innenperspektive geschildert. Zudem besticht die Serie durch Authentizität: Gedreht wurde an Originalschauplätzen in Neukölln und Kreuzberg; die Autoren haben gründlich recherchiert und mit Polizisten, Sozialarbeiten, aber auch mit Clan-Mitgliedern und deren Familien gesprochen. Das ist ein Trumpf der packenden Serie. Eine zweite Staffel ist bereits angekündigt; aus dieser Welt gibt es kein Entkommen; die Geschäfte müssen weitergehen.

Staffel 2:

Eigentlich wollte Ali „Toni“ Hamady (Kida Khodr Ramadan) die organisierte Kriminalität hinter sich lassen. Doch das Vorhaben war für das Mitglied eines in Berlin-Neukölln lebenden, libanesisch-stämmigen Familienclans mit einigen Schwierigkeiten verbunden. In der ersten Staffel der vom Sender TNT produzierten Serie „4 Blocks“ übernahm Toni, nachdem sein Schwager im Gefängnis gelandet war, notgedrungen die laufenden illegalen Geschäfte seiner Familie: eine Mischung aus „Familienehre“, Loyalität und Sachzwängen schien kein Entkommen in eine bürgerliche Existenz zuzulassen.

Die erste Szene der nun erschienenen zweiten Staffel bestätigt diesen Eindruck: Vom ruhigen Familienleben, nach dem Toni sich eigentlich sehnt, ist keine Spur; stattdessen sitzt er in Beirut, wo er vom „Paten“ seines Clans zu dessen neuem Mann in Berlin ernannt wird, während sein gerade abgesetzter Vorgänger noch daneben sitzt. Um die neue Ordnung zu untermauern, wird dieser anschließend noch vor Tonis Augen umgebracht. Der Einstieg zeigt: Toni ist nicht auf dem Weg raus aus dem Geschäft, sondern verstrickt sich nur noch tiefer darin.

Ein Jahr nach dem Showdown in Staffel 1

Die Fortsetzung setzt ein Jahr nach dem Showdown von Staffel eins an. Während Toni weiter die Geschäfte leitet, muss sich sein Bruder Abbas (Veysel Gelin) wegen Mordes vor Gericht verantworten. Wollte Toni ihm in der ersten Staffel nicht die Geschäfte der Familie überlassen, wodurch sich ihr Verhältnis verschlechterte, wird es nun durch die Verhandlung und das Gerichtsurteil weiter belastet. Die Serie führt diesen Konflikt konsequent weiter; der Streit zwischen den Brüdern wird zur Vertrauensfrage. Auch dabei geht es einmal mehr um die Loyalität zur Familie und die Frage nach der „Ehre“.

Die erste Staffel zeichnete Toni noch als vielschichtigen Charakter, der mehr aus Verantwortungsgefühl gegenüber seinen Angehörigen denn aus krimineller Energie heraus den Anspruch an sich hatte, den Clan zu führen, während er sich gleichzeitig nach einem friedlichen Leben mit seiner Frau und Tochter sehnte. Ein Familienvater, der sich um einen deutschen  Pass bemühte, um damit den Schritt in eine legale Existenz zu gehen. Nun hat er zwar diesen Pass und steigt auch immer weiter ins legale Immobiliengeschäft als Alternative zu den Drogengeschäften der Familie ein, kommt aber trotzdem nicht von seiner Vergangenheit los. Das liegt auch an den al-Saafis, die die Kontrolle über Berlin nicht kampflos den Hamadys überlassen wollen und Toni immer wieder in kriminelle Verhaltensmuster verfallen lassen, um seinen Clan zu schützen. Insgesamt wirkt die Zeichnung der Hauptfigur nichtsdestotrotz in Staffel 2, die nicht mehr Regisseur Marvin Kren, sondern Oliver Hirschbiegel und Özgür Yildirim inszeniert haben, etwas inkonsequent: Gier und Rache scheinen Tonis neue starke Antriebe zu sein, doch begründet wird dieser Charakterwandel nur unzureichend. „Toni ist ein toter Mann. Seine Gier wird ihn töten“, sagt Mohammad al-Saafi (Ahmed Hafiene), Oberhaupt des verfeindeten Clans, in einer Szene. Es scheint, als ob alle um ihn herum die Lage besser erkennen als Toni selbst. „Häuser brennen, unschuldige Menschen sterben, deine Leute werden erschossen. Und du sagst, du weißt nichts“, richtet sich seine Frau Kalila (Maryam Zaree) anklagend an ihn.

Flucht in Genre-Standards

14 Auszeichnungen erhielt die furiose erste Staffel dieser Gangster-Saga, darunter den Grimme-Preis und den Deutschen Fernsehpreis in drei Kategorien. Authentizität in der Zeichnung des Neuköllner Kiezes war einer der großen Trümpfe der sechs packenden Folgen. Spannend ist die Serie noch immer, doch wirkt die Geschichte in der Fortführung nun klischeebehafteter. Gelang „4 Blocks“ zuvor noch ein ambivalenter Einblick aus der Innenperspektive eines Ganovenclans, nehmen nun die Standardsituationen des Genres, ohne die auch die erste Staffel zweifelsohne nichts auskam, überhand. Womit einhergeht, dass Staffel 2 versucht, in Sachen Brachialität nochmal einen draufzusetzen: Die Sprache ist noch derber, noch beleidigender, die Auseinandersetzungen und die vorherrschende Gewalt noch brutaler. Nicht umsonst hat die Freiwillige Selbstkontrolle die zweite Staffel als FSK 18 eingestuft. Dass der Stoff in Staffel 2 etwas von seiner erzählerischen Frische verloren hat, kann diese Verschärfung freilich nicht bemänteln. Die Option auf eine weitere Staffel halten sich die Macher nichtsdestotrotz offen: Auch wenn die Serie einige Konfliktlinien zum Ende bringt, bleiben auch in Staffel 2 Handlungsstränge offen – offiziell angekündigt ist eine dritte Staffel allerdings noch nicht.

Staffel 3:

Raus aus der organisierten Kriminalität und rein in eine bürgerliche Existenz: Seit der ersten Staffel von „4 Blocks“ verfolgt Ali „Toni“ Hamady (Kida Kodr Ramadan) dieses Ziel. Doch auch zwei Staffeln und 13 Folgen später hat das Oberhaupt eines in Berlin-Neukölln lebenden libanesischen Familienclans dieses Ziel noch nicht erreicht. Sah es zum Ende der zweiten Staffel fast so aus, als könnte sein Leben in ruhigeren Bahnen verlaufen, durchkreuzte ein Attentat in seinem eigenen Haus in der letzten Szene doch noch seine Pläne.

Die dritte und letzte Staffel setzt direkt bei dieser Tat an und zeigt einen desillusionierten Toni, der das Geschehene nur ganz langsam zu begreifen scheint. Dennoch gelingt es ihm, ein neues Kapitel aufzuschlagen, was ein Zeitsprung verdeutlicht, der ein Jahr später fortfährt. Toni hat die Geschäfte der Familie an seinen Bruder Abbas (Veysel Gelin) abgetreten und widmet sich einer Fußballmannschaft mit Jugendlichen, die er von der Straße holt und denen er durch den Sport eine Chance geben möchte. Damit scheint er dem Leben außerhalb der Drogenszene einen großen Schritt nähergekommen zu sein.

Familie ist alles

Während die erste Staffel von „4 Blocks“ die Genre-Handlung mit einem authentischen Bild des Berliner Kiezes verband, wirkte bereits die Fortsetzung in Staffel 2 klischeebehafteter und flüchtete sich in die Standards des Gangsterfilms; auch das höhere Gewaltlevel konnte nicht verbergen, dass die Geschichte an Dynamik verlor. In den finalen Folgen von Staffel 2 nahm die Handlung zwar wieder an Fahrt auf, doch die Themen und Motive bleiben die gleichen. Über allem schwebt das Motto: „Familie ist alles“. Wer dem nicht folgt, muss mit tödlichen Konsequenzen rechnen.

Es geht um Freund- und Feindschaften, um Vertraute und Verräter. Erneut gibt es die Staatsgewalt, die dank einer neuen LKA-Beamtin vehementer denn je dem Treiben des Hamady-Clans ein Ende setzen möchte. Trotz zahlreicher Handlungsstränge wirkt der Plot der dritten Staffel aber nicht überladen oder gehetzt; die Handlungsfäden werden vielmehr konsequent weiter- und zu einem Ende geführt.

Stilistisch bleibt sich die Serie auch in der dritten Staffel treu: Die Sprache ist derb-beleidigend und immer explizit, Kraftausdrücke sind an der Tagesordnung, Humor und Ironie gibt es selten bis gar nicht, Gewaltandrohung oder -ausübung dafür umso mehr. Auch wenn die neuen Folgen weniger brutal anmuten, ereignen sich gewaltsame Akte häufig und ohne große Vorwarnung.

Die Schlinge zieht sich zu

Toni wird einmal mehr als ambivalenter Charakter beschrieben, der einerseits aus dem kriminellen Geschäft aussteigen will, andererseits aber doch die Familie zusammenhält. Das funktioniert als innerer Konfliktherd auch in Staffel 3 leidlich gut; bei anderen Figuren ist das Entwicklungspotenzial allerdings ausgeschöpft. Da allerdings reichlich Zündstoff von außen herangetragen wird, tut das der Spannung keinen Abbruch. Regisseur Özgür Yıldırım, der auch schon vier Folgen der zweiten Staffel inszenierte, zieht die Schlinge um die Hamadys im Verlauf der packenden sechs Folgen immer weiter zu und setzt im Finale mehr auf Thriller-Elemente und emotionale Momente denn auf Gewaltexzesse. Das alles ist vielleicht nicht sonderlich subtil und tiefgreifend, für die derbe Parallelwelt, die die Serie kreiert, aber auch nicht falsch.

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