Drama | Portugal/USA/Frankreich/Polen 2016 | 74 Minuten

Regie: Gabe Klinger

Ein scheuer Tagelöhner und eine Studentin begegnen sich mehrfach in der portugiesischen Hafenstadt Porto und verbringen die Nacht miteinander. Doch trotz aller Liebesschwüre ist ihnen kein dauerhaftes Glück beschieden. Stimmungsvoller melancholischer Liebesfilm, der von der Einsamkeit der Menschen allein und zu zweit, von Lebenslügen, falschen Entscheidungen und der Vergänglichkeit erzählt. Dabei verliert sich die Inszenierung mitunter in ihren Bildassoziationen, berührt gleichwohl durch die Präsenz des Hauptdarstellers. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
PORTO
Produktionsland
Portugal/USA/Frankreich/Polen
Produktionsjahr
2016
Produktionsfirma
Double Play Films/Bando à Parte/Gladys Glover/Madants
Regie
Gabe Klinger
Buch
Larry Gross · Gabe Klinger
Kamera
Wyatt Garfield
Schnitt
Gabe Klinger · Géraldine Mangenot
Darsteller
Anton Yelchin (Jake Kleeman) · Lucie Lucas (Mati Vargnier) · Paulo Calatré (João Monteiro Oliveira) · Françoise Lebrun (Mutter) · Florie Auclerc-Vialens (Blanca)
Länge
74 Minuten
Kinostart
14.09.2017
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Liebesfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
MFA (16:9, 2.35:1, DD5.1 frz. & port. & engl.)
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Melancholisches Drama über eine Amour Fou

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Jake ist ein junger Mann, an dem alles alt wirkt: die tief liegenden Augen im hageren Gesicht, der lauernde Blick, der schleppende Gang, die kehlige Stimme, mit denen er einzelne Worte herauspresst. Es ist, als laste die ganze Welt auf ihm. Jake ist ein Loner, der in der portugiesischen Hafenstadt Porto gestrandet ist. Hier hält er sich, wenn er nicht seine Bücher studiert oder ausgeht, als Tagelöhner über Wasser, mal auf einem Bauernhof, mal bei einer Ausgrabungsstätte, wo er schwere Schubkarren vor sich hinschiebt. Dort erblickt er auch zum ersten Mal die Archäologiestudentin Mati. Und sie ihn. Die Beiden begegnen sich im Zug wieder, dann in einer Bar. In diesem Moment ist ihnen klar, dass sie diese Nacht miteinander verbringen müssen. Eine Nacht, in der sie fürchten, dass sie ihren Verstand verlieren, weil sie nicht voneinander lassen können, und weil sie das Gefühl haben, alles vom anderen zu wissen, alles zu verstehen. Jedes Wort, jede Berührung. Doch am Morgen wacht Mati auf und geht. Aus einem Liebespaar werden zwei Menschen. Was bleibt, ist die Erinnerung an das, was zwischen ihnen war. Es ist nichts Neues, was der in São Paulo geborene und in Chicago lebende Regisseur Gabe Klinger in „Porto“ erzählt. Ein Mann, eine Frau, eine Nacht und wie es weitergeht oder auch nicht. Wenn man möchte, kann man ganz viel psychologisieren und sich fragen, was diesen scheuen US-Amerikaner und diese schöne, zunächst sehr zugewandt wirkende Französin zueinander zieht und was sie nach Stunden voller Liebesschwüre wieder auseinandertreibt. War es eine zärtliche Romanze? Eine unmögliche Liebe? Oder einfach nur toller Sex? Sind die beiden Suchende in einer Welt, in der jeder nur noch vereinzelt für sich ist? War es für Jake alles, und für Mati nichts? Wer weiß das schon. Alles ist so voller Melancholie und Abgesang: die stimmungsvollen Bilder von Porto, das in winterlichen Blautönen flimmert, die Einsamkeit der Menschen allein und zu zweit, die Lebenslügen und falschen Entscheidungen, die vielsagenden Blicke, die bedeutungsschweren Sätze. Zur vergänglichen Atmosphäre trägt ebenfalls viel die Präsenz von Anton Yelchin als Jake bei, der im Juni 2016 bei einem Autounfall ums Leben kam und in „Porto“ in einer seiner letzten Rollen zu sehen ist. Für den Regisseur sind Mati und Jake „zwei Figuren, die in der Zeit stecken geblieben sind“. Die Zeit beziehungsweise die Erinnerung daran ist es denn auch, wovon Klinger in seinem ersten, von Jim Jarmusch mitproduzierten Spielfilm (nach seinem preisgekrönten Dokumentarfilm „Double Play: James Benning and Richard Linklater“, 2013) eigentlich erzählt. Klinger, der am Columbia College in Chicago Film lehrt, kennt die Filmgeschichte und die europäischen und amerikanischen Autorenfilmer; so ließ er sich unter anderem von Filmen des französischen Regisseurs Alain Resnais inspirieren, der nicht nur in „Letztes Jahr in Marienbad“ (fd 10 656) über das Vergangene und Gegenwärtige reflektierte und dabei mit den Erzählkonventionen brach. Auch „Porto“ ist nicht linear. In drei Kapiteln, in denen es erst um Jake, dann um Mati und schließlich um sie gemeinsam geht, wird das Jetzt erzählt, das Gewesene in Fragmenten rekapituliert, die Geschichte in repetitiven Bildern aufgerollt. Der Blick auf das Erlebte verschiebt sich jeweils ein wenig, aber doch nicht so sehr, dass man neue Erkenntnisse daraus ziehen könnte. Irgendwann verliert man sich in all dem Vor und Zurück und Mittendrin, wird der Stil wichtiger als die Story. Ein Stil, der visuell durchaus berückt, besitzen die diversen Zeit- und Erinnerungsebenen durch die Verwendung von unterschiedlichen Filmmaterialien – Super 8, 16mm für Vergangenes und Erinnertes sowie 35mm für das Erleben – eine jeweils eigene, mal körnige, mal vergleichsweise klare Beschaffenheit. Man kann sich von diesem Bilderstrom mitreißen und von dieser Amour fou vielleicht sogar berühren lassen, die der mitunter unerklärlichen Anziehungskraft zwischen zwei Menschen ihr Geheimnis lässt. Vor allem aber ist „Porto“ eine intellektuelle Auseinandersetzung mit der Frage, wie man Zeit im Film vermitteln kann.
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