Drama | Russland 2017 | 109 Minuten

Regie: Alexej Utschitel

Nach dem Tod des russischen Zaren Alexander III. soll 1894 sein Sohn Nikolaus II. zum neuen Kaiser gekrönt werden und aus Gründen der Staatsräson die deutsche Prinzessin Alix von Hessen-Darmstadt heiraten. Doch der Thronfolger hat sich in die lebenslustige Primaballerina Mathilde Kschessinska verliebt. Das mit großem Aufwand und teilweise an Originalschauplätzen inszenierte Historienepos beeindruckt durch die Schauwerte und seine überlebensgroße Liebesgeschichte. Das Dilemma zwischen politischer Verantwortung, Staatsräson und dem eigenen Glück arbeitet besonders der Hauptdarsteller eindringlich heraus. (O.m.d.U.) - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
MATILDA
Produktionsland
Russland
Produktionsjahr
2017
Produktionsfirma
TPO Rok
Regie
Alexej Utschitel
Buch
Alexander Alexandrow · Michael Katims · Alexej Utschitel
Kamera
Juri Klimenko
Musik
Marco Beltrami
Schnitt
Dasha Danilova
Darsteller
Lars Eidinger (Nikolaus II.) · Michalina Olszanska (Mathilde) · Danila Kozlovsky (Worontzow) · Luise Wolfram (Alix) · Ingeborga Dapkunaite (Minnie)
Länge
109 Minuten
Kinostart
02.11.2017
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama | Historienfilm

Aufwändiges Historienepos um Zar Nikolaus II. und seine Liebe zur Primaballerina Mathilde Kschessinska

Diskussion
Nikolaus II. Alexandrowitsch war der letzte Zar in Russland. Doch im Historienepos von Alexej Utschitel geht es nicht um seine Regentschaft als Kaiser, die immerhin von 1894 bis 1917 währte, noch um seine Ermordung und die seiner ganzen Familie im Juli 1918. Darauf lässt schon der Filmtitel schließen. „Mathilde“ ist vielmehr die Geschichte einer überlebensgroßen Liebe, die sich gegen alle Widerstände zu behaupten versucht und doch zum Scheitern verurteilt ist. Denn gegen das enge Korsett der Konventionen am Zarenhof kommt der Einzelne nicht an. Zunächst beginnt „Mathilde“ jedoch als Katastrophen-Film mit einer bemerkenswerten Actionszene, die den Vorbildern aus „Alarmstufe Rot 2“ (fd 31 511) und „Super 8“ (fd 40 585) in nichts nachsteht. Zar Alexander III. ist mit seiner Familie in der Eisenbahn unterwegs. Als ein Bauer mit seinem Eselkarren auf einem Bahnübergang stecken bleibt, kommt zur Kollision. Der Zug entgleist, die Waggons rattern die Böschung hinunter und verkeilen sich ineinander. Bei der Rettungsaktion strengt sich Zar Alexander III. so sehr an, dass er fortan auf einen Rollstuhl angewiesen ist und die Regierungsgeschäfte nicht mehr führen kann. Nikolaus II., dargestellt von Lars Eidinger, ist der Thronfolger; im Rahmen der Krönung soll er aus Gründen der Staatsräson die deutsche Prinzessin Alix von Hessen-Darmstadt heiraten. Doch der Thronfolger ist längst anderweitig verliebt: in Mathilde Kschessinska, eine schöne, lebenslustige Primaballerina, eine der besten ihrer Zeit, die auf Männer eine fast schon magnetische Anziehung ausübt. Bei einer Ballettaufführung nimmt sie Nikolaus fest in den Blick. Als ihr eine eifersüchtige Kollegin den Träger aufknotet, so dass die linke Brust zum Vorschein kommt, tanzt sie selbstbewusst weiter. Sie weiß, dass sie angeschaut wird, und sie genießt es. Dem Hof ist die Liaison zwischen Thronfolger und Tänzerin allerdings nicht recht. Als der Zar stirbt, treibt seine Witwe die Eheschließung zwischen Nikolaus und Alix entschieden voran. „Mathilde“ ist ein Fest für die Augen, beeindruckendes Ausstattungskino, bei dem sichtlich nicht gespart wurde. Utschitel drehte in den ehemaligen Zarenpalästen in Sankt Petersburg, im Mariinsky-Theater und im Moskauer Bolschoi. Filmsets wie der Katharinenpalast, wo ein rauschender Maskenball stattfindet, oder die Mariä-Entschlafens-Kathedrale, wo Nikolaus gekrönt wird, wurden aufwändig nachgebaut. Auch die perfekt choreografierten Massenszenen beeindrucken, insbesondere die Katastrophe im nahegelegenen Khodynka, wo anlässlich der Krönung 100.000 Menschen erwartet wurden und beschenkt werden sollten. Es kamen aber 500.000 Schaulustige. Bei einer Massenpanik, die durch einen Run auf die Geschenkebeutel ausgelöst wurde, starben 2000 Menschen. Das macht aus „Mathilde“ ein Epos der Attraktionen, das durch kleine Nebenhandlungen angereichert wird. So gibt es einen Nebenbuhler, der fast eine Katastrophe auslöst, eine Episode um den Hofarzt Doktor Fischel, der grausame Experimente an Menschen durchführt, oder einen Geheimagenten, der Verdächtige mit Waterboarding foltert. Interessant auch die Irrationalität von Alix, die nicht nur abergläubisch ist, sondern auch Séancen abhalten lässt. Den eigentlichen Konflikt überdecken diese dramaturgischen Umwege allerdings nicht. Nikolaus ist ein Mann zwischen zwei Frauen, die er beide aufrichtig liebt. Zwischen der Verantwortung für das russische Volk und seinem eigenen Glück versucht er eine Lösung zu finden. Lars Eidinger macht diesen Zwiespalt beeindruckend deutlich. Die steifen Uniformen, die er als Zar tragen muss, zwingen ihn förmlich in seine Rolle.
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