Coco - Lebendiger als das Leben

Animation | USA 2017 | 105 Minuten

Regie: Lee Unkrich

Kurz vor den Feierlichkeiten zum „Día de los Muertos“ gerät ein zwölfjähriger Mexikaner ins Land der Toten. Um zurückzukehren, muss er seinen verstorbenen Verwandten versprechen, nicht länger Musiker werden zu wollen, dabei bedeutet die Musik dem Jungen alles. In farbenprächtigen Bildern erzählt der mit viel Liebe zum Detail inszenierte Animationsfilm von einem Jungen, der seinen eigenen Weg geht, aber auch von der Kraft der Erinnerungen, die eine Familie erst zur Einheit formt. Die ernsten Untertöne werden sanft in die an Schauwerten reiche Geschichte eingebettet, die dank ihrer herzergreifenden Menschlichkeit und tiefer emotionaler Momente berührt. - Sehenswert ab 10.
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Filmdaten

Originaltitel
COCO
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2017
Produktionsfirma
Pixar Animation Studios
Regie
Lee Unkrich · Adrian Molina
Buch
Adrian Molina · Matthew Aldrich
Kamera
Matt Aspbury · Danielle Feinberg
Musik
Michael Giacchino
Schnitt
Steve Bloom · Lee Unkrich
Länge
105 Minuten
Kinostart
30.11.2017
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 10.
Genre
Animation | Komödie
Externe Links
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Heimkino

Bild und Ton dieser mustergültigen BD-Edition sind in 2D und 3D makellos. Die besonders schön aufgemachte 3D-Edition enthält den Film im wertigen Schuber mit vier Schmuckpostkarten. Die Extras umfassen u.a. einen unterhaltsamen und gleichermaßen erhellenden Audiokommentar mit Regisseur Lee Unkrich, Co-Regisseur Adrian Molina und Produzentin Darla K. Anderson. In kürzeren Featurettes werden Teilaspekte des Films erörtert oder Mitarbeiter am Film vorgestellt, die sonst weniger im Rampenlicht stehen (76 Min.). Besonders bemerkenswert sind indes diesmal die im Film nicht verwendeten Szenen (33 Min.). Dieses Feature wird von Lee Unkrich und Adrian Molina begleitet, indem sie anschaulich schildern, warum die Szenen zwar wichtig sind, aber letztendlich aus Konzeptgründen weichen mussten. Die als animierte Konzeptzeichnungen erhaltenen und synchronisierten Szenen zeigen, dass der Film auch in Richtung Musical hätte abdriften können. Eine brillante Edition, die ganz nebenbei auch den „mexikanischen Einfluss“ auf die US-amerikanische (Film-)Kultur aufzeigt. Die BD-Editionen sind mit dem Silberling 2018 ausgezeichnet.

Verleih DVD
Walt Disney (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
Walt Disney (16:9, 2.35:1, dts-HDMA7.1 engl., DD7.1 dt.)
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Farbenprächtige Animationsreise ins mexikanische Totenreich von Pixar

Diskussion

Wenn es etwas gibt, was viele Filme aus dem Pixar Studio auszeichnet und von anderen CGI-Animationen unterscheidet, dann sind das jene Momente, in denen eine tiefe, herzergreifende Menschlichkeit ins Spiel kommt. Szenen wie jene aus „Toy Story 3“, in der auf einmal nicht mehr nur über Spielzeugpuppen mit einem Eigenleben erzählt wird, sondern über Erinnerungen, den Abschied von der Kindheit und das Älterwerden. Wie jene aus „Oben“, in der in einer dialoglosen, ungemein berührenden Montagesequenz das ganze Leben eines alten Paars mit all seinen Höhen und Tiefen gezeigt wird. Oder wie nun in „Coco“, wenn ein zwölfjähriger Junge seiner dementen Ur-Oma, die ihre Umwelt nur noch durch einen dichten Schleier wahrzunehmen scheint und nahezu reglos in einem Rollstuhl sitzt, ein Lied vorsingt, das eine Tür zu deren Vergangenheit öffnet und zugleich offenbart, wie eng der Junge mit seiner Ur-Oma verbunden ist.

Coco lautet der Name dieser Ur-Oma, die zwar die Titelheldin des Films ist, aber eigentlich nur eine Nebenrolle spielt. Sie ist das älteste Mitglied einer großen mexikanischen Familie, die sich einen Namen im Schuhgeschäft gemacht hat. Und sie ist die Tochter jenes Mannes, der schuld daran ist, dass man in dieser Familie Musik verabscheut. Cocos Vater war die Musik wichtiger als seine Familie. Irgendwann ging er fort und kam nie wieder. Nur noch ein Torso erinnert auf dem Hochzeitsfoto an die Existenz dieses Mannes; sein Gesicht wurde abgetrennt.

Unter dem Musikbann leidet der zwölfjährige Miguel am meisten. Er soll Schuhmacher werden, wenn es nach seiner Oma und seinen Eltern geht. Doch in Wirklichkeit wäre er viel lieber ein Musiker. Als er Hinweise darauf findet, dass es sich bei Cocos Vater um den legendären mexikanischen Musiker Ernesto de la Cruz handelt, den er über alles verehrt, und Miguel kurz vor den jährlichen Festlichkeiten um den „Día de los Muertos“, den Tag der Toten, eine Gitarre seines Idols in die Hände fällt, geschieht etwas Seltsames. Plötzlich findet sich Miguel im Jenseits wieder. In die Welt der Lebenden kann er nur zurückkehren, wenn einer seiner verstorbenen Verwandten sich für ihn einsetzt. Miguels Ururgroßmutter Mamá Imelda könnte dies tun. Aber sie stellt eine Bedingung. Miguel soll seinen Wunsch aufgeben, Musiker zu werden.

Kein gruseliges Totenreich

Etwas bemüht wirkt Miguels Übertritt ins Totenreich. Aber sobald der Junge die Schwelle zwischen Leben und Tod überschritten und die mit abertausenden orangefarbenen Blättern bedeckte Brücke überquert hat, überwältigt der Film mit unglaublich detaillierten Tableaus voller leuchtender Farben. Diese von allerlei Skeletten und mythischen Tieren bewohnte Welt ist alles andere als gruselig; parallel zum Día de los Muertos wird hier eine große Party gefeiert. Und viele machen sich auch auf den Weg, um ihre noch lebenden Verwandten an den Festtagen zu besuchen – sofern sie es noch können. Bald trifft Miguel auf Hector, dem die Zeit wegläuft. Seine Familie in der Welt der Lebenden droht ihn zu vergessen. Wenn dies geschieht, ist es auch mit dem Leben nach dem Tod vorbei.

Um den Wert von Erinnerungen geht es bald in „Coco“, um das unsichtbare Band, das die Menschen mit ihren Vorfahren verbindet, um den Wunsch, Spuren zu hinterlassen, um ein Bewusstsein von Familiengeschichte. Ganz sanft streut der Film die ernsten Untertöne in seine Geschichte, die zunächst von Schauwerten bestimmt wird, mit viel Liebe zum Detail die Bräuche rund um den Tag der Toten darstellt und auch durch die Musik die mexikanische Kultur aufleben lässt. Schwung erhält der Film unterdessen durch den rebellischen Miguel, der sich seine Träume nicht verbieten lassen will. Auf eigene Faust macht er sich, getarnt als Skelett, auf den Weg durch das Land der Toten. Niemand geringeres als Ernesto, der auch im Jenseits ein Star ist, soll ihm dabei helfen, wieder ins Reich der Lebenden zurückzukehren. Aber der erweist sich als anders, als Miguel es sich erhofft hatte.

Obwohl Miguel alles zu verlieren hat, seinen Traum, seine Familie und sogar sein Leben, wenn er nicht vor Sonnenaufgang das Land der Toten wieder verlässt, bleibt ausgerechnet diese Figur ein wenig blass. Miguels Figur fehlt das Außergewöhnliche, das etwa die Freude in „Alles steht Kopf“ oder den fast stummen Roboter WALL-E ausgezeichnet. Durch seine Träume, den Wunsch, seinen eigenen Weg zu gehen und die Auflehnung gegen die Vorschriften seiner Familie stellt er zwar eine gute Identifikationsfigur für ein junges Publikum dar. Aber richtig zu Herzen gehen die Nebenfiguren. So ist es überaus stimmig, dass die liebenswerte Greisin Coco mit ihren tiefen Falten die Titelfigur des Films ist. Zu ihr führt die Geschichte zurück. Sie ist das emotionale Zentrum des Films, der die Geschichte einer Familie entfaltet, die sich über mehrere Generationen erstreckt, und diese zu einer Einheit werden lässt.

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