Ein Date für Mad Mary

Drama | Irland 2016 | 82 Minuten

Regie: Darren Thornton

Eine aggressive junge Irin kehrt nach einem halben Jahr im Gefängnis nach Hause zurück und realisiert, dass sich die Welt verändert hat. Während sie mit einem Opfer ihrer Gewalttätigkeit konfrontiert wird und ihre beste Freundin in Hochzeitsvorbereitungen aufgeht, löst eine Fotografin ungeahnte Gefühle in ihr aus. Mit viel Gespür für Zwischentöne und die soziale Realität Irlands erzählt der Debütfilm eine berührende Geschichte über das Ende einer Freundschaft, das mit einem homosexuellen Erwachen und einer behutsamen Änderung des Selbstbilds verbunden ist. Mal packend authentisch, mal leise humorvoll, zeichnet die Inszenierung leichthändig nach, wie die Protagonistin Verantwortung übernimmt. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
A DATE FOR MAD MARY
Produktionsland
Irland
Produktionsjahr
2016
Produktionsfirma
Element Pic.
Regie
Darren Thornton
Buch
Colin Thornton · Darren Thornton
Kamera
Ole Bratt Birkeland
Musik
Hugh Drumm
Schnitt
Tony Cranstoun · Juangus Dinsmore
Darsteller
Seána Kerslake (Mary) · Tara Lee (Jess) · Charleigh Bailey (Charlene) · Denise McCormack (Suzanne) · Barbara Brennan (Nan)
Länge
82 Minuten
Kinostart
14.12.2017
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama | Romantische Komödie
Externe Links
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Authentisches, leise humorvolles Porträt einer Außenseiterin

Diskussion
„Was ihr über Charlene wissen müsst...“, beginnt Marys Brautjungfern-Rede, die sie im Voice Over zusammenstückelt, während die Kamera ihre ersten Schritte in die Freiheit begleitet. Viele schöne Dinge fallen der jungen Irin über ihre beste Freundin Charlene ein, als sie nach sechs Monaten im Gefängnis endlich wieder in ihre Heimatstadt Drogheda zurückkehrt, immer noch etwas unsicher, aber voller Vorfreude. Doch die Jugendfreundin, die Mary früher bei jedem Unfug zur Seite stand und die in drei Wochen heiraten will, ist nicht abkömmlich. Marys Nachrichten auf dem Anrufbeantworter bleiben unbeantwortet. Und als Mary am nächsten Tag der Freundin im Brautmodeladen begegnet, fragt man sich, was Mary eigentlich über Charlene weiß. Für den ganz auf die Hochzeit konzentrierten „Brautzilla“ scheint Mary nur noch eine lästige Verpflichtung zu sein. Ganz subtil lässt Regisseur Darren Thornton in Mary ein beunruhigendes Gefühl aufkeimen: Die Welt hat sich anscheinend weitergedreht, während Mary stehengeblieben ist – oder der Rotation Richtung Spießigkeit im Gefängnis enthoben war. Wahrscheinlich wäre sie der schleichenden Veränderung auch ohne Knast nicht anheimgefallen. Denn Mary ist schlagfertig, mit ihrer dialektschweren Zunge und harten Fäusten. Eine leicht reizbare, latent aggressive junge Frau, aber bestimmt nicht dumm oder unreflektiert. „Mad Mary Kicks Off“, heißt das YouTube-Video, in dem sie sich selbst bei einem zufällig gefilmten Kampf gegen ein anderes Mädchen sieht, und ihre eigene Brutalität nicht erträgt. Als das Opfer der Auseinandersetzung mit einer großen Narbe im Gesicht an ihrem Arbeitsplatz in einem Fast-Food-Imbiss auftaucht, kann Mary nur noch tief getroffen den Mund schließen. Nun ist auch klar, warum selbst die unscheinbarsten Männer kein Interesse haben, die attraktive Mary auf die Hochzeit zu begleiten. Oder warum die Türsteher sofort alarmiert sind, wenn sie Mary in der Schlange vor ihrem Club entdecken. Mary gilt in Drogheda als verrückt, und mit diesem Stempel geht man höchstens noch bei Menschen durch, die ihr Job bei Familienfeiern bereits mit genug Verrücktheiten konfrontiert hat. So trifft Mary auf die hübsche Fotografin Jess, als sie für Charlene das Hochzeitsvideo organisiert, und fühlt sich plötzlich ganz verlegen. Jess, das ist Mary sofort klar, ist mehr als eine potenzielle Ersatzfreundin. Und die will auch mehr sein als Marys Werkzeug, um Charlene zu schockieren. Der Spiegel in Marys Jugendzimmer, der vor lauter Charlene-Mary-Fotos kaum Platz für das Gesicht seiner Bewohnerin lässt, ist auch für die Inszenierung sehr bezeichnend. In kleinen, mal packend authentischen, mal leise humorvollen Szenen erzählt der Film vom Ende einer Freundschaft, die zugleich das Ende einer Jugend einläutet, und von einer Frau, die lernen muss, Verantwortung für sich und ihr gefährliches Verhalten zu übernehmen. Neben all dem entspinnt sich hier auch ein feinfühliges Coming out, in dem Mary und Jess zum Liebespaar werden, wobei sie von sorgfältig gezeichneten Nebenfiguren flankiert sind. Auch wenn die Zeichnung von Charlene so überzogen selbstbezogen erscheint, dass man sich kaum vorstellen kann, wie die clevere Mary je eine so enge Verbindung mit ihr eingehen konnte. Auf der anderen Seite steigert Charlenes Verhalten aber Marys Sympathiewerte, bis sie beim nächsten aggressiven Ausbruch umso tiefer fällt, was gleichzeitig aber auch ihre Verletztheit und Marginalisierung deutlich macht. Irgendwann versteht Mary, dass es eine Annäherung nicht nur im Kampfmodus gibt. Sie ist dann auch in der Lage, auf ihre Mutter zuzugehen, die auf der Tanzfläche einsam-tapfer versucht, den Paaren aus dem Weg zu gehen. Mary hängt auch Charlenes Fotos ab, um sich selbst sehen zu können und wahrzunehmen, wie viel Raum die Ex-Freundin eingenommen hat. Regisseur Darren Thornton packt all das in eine Erzählung, die die Erwartungen des Titels unterläuft und gerade dadurch von Anbeginn gefangen nimmt. Denn vor dem Date mit einer Anderen steht zunächst das Date mit sich selbst.
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