Strong Island

Dokumentarfilm | USA/Dänemark 2017 | 107 Minuten

Regie: Yance Ford

Die persönliche Aufarbeitung des Mordes an einem afroamerikanischen jungen Mann durch einen Weißen Anfang der 1990er-Jahre in den USA. Dabei wird das Private so politisch wie selten: Der sensible Dokumentarfilm des Bruders des Ermordeten spiegelt mit der Aufarbeitung des Geschehenen einen wichtigen Teil der Geschichte der Afroamerikaner in einer von Weißen dominierten Gesellschaft und deren Rechtssystem. Im Zentrum steht die Familie des Ermordeten, deren Leben durch das tragische Ereignis erschüttert wird. Mit einer ruhigen Standkamera, Familienfotos, Interviews, Tagebucheinträgen und dem Autopsiebericht umgeht der Regisseur die Gefahr der Sentimentalität und dringt zum Kern vor, der sich heute in der „Black Lives Matter“-Bewegung niederschlägt. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
STRONG ISLAND
Produktionsland
USA/Dänemark
Produktionsjahr
2017
Produktionsfirma
Yanceville Films/Louverture Films/Final Cut for Real
Regie
Yance Ford
Buch
Yance Ford
Kamera
Alan Jacobsen
Musik
Hildur Gudnadóttir · Craig Sutherland
Schnitt
Janus Billeskov Jansen
Länge
107 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Dokumentarfilm
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In der dokumentarischen, sehr persönlichen Geschichte zeichnet der transsexuelle Regisseur Yance Ford die Umstände und Folgen der Ermordung seines 19-jährigen Bruders William durch einen weißen Automechaniker im Jahr 1992 nach. Der Täter, Mark Reilly, wurde damals von den 23 weißen Mitgliedern einer Grand Jury freigesprochen, bevor es überhaupt zu einer Verhandlung kam: Es bestünde keinerlei Tatverdacht, dass eine Straftat begangen wurde.

Diskussion
In der dokumentarischen, sehr persönlichen Geschichte zeichnet der transsexuelle Regisseur Yance Ford die Umstände und Folgen der Ermordung seines 19-jährigen Bruders William durch einen weißen Automechaniker im Jahr 1992 nach. Der Täter, Mark Reilly, wurde damals von den 23 weißen Mitgliedern einer Grand Jury freigesprochen, bevor es überhaupt zu einer Verhandlung kam: Es bestünde keinerlei Tatverdacht, dass eine Straftat begangen wurde. Das Unrecht erschüttert nicht nur Ford, seine Familie und Freunde bis ins Mark; es spiegelt vor allem die Geschichte der Schwarzen in Amerika wider, die sich von der Sklaverei bis zur heutigen „Black Lives Matter“-Bewegung zieht und unter der Trump-Regierung einen vorerst traurigen Höhepunkt erreicht. Ruhepol des aufwühlenden Films ist die statische Kamera von Alan Jacobsen: Sein fester Blick bietet Halt in der Aufarbeitung der dramatischen und tragischen Ereignisse. Mittels zahlreicher privater Familienfotos und der Off-Stimme des Regisseurs wird die Familiengeschichte der Fords nacherzählt. Die Eltern gehen den Weg vieler Schwarzer in den 1970er-Jahren: Aus dem Süden kommend, suchen sie ihr Glück in New York, arbeiten als Lehrerin und Zugführer. Als die Möglichkeit besteht, eigene Häuser zu kaufen, ziehen sie wie viele andere nach Long Island – in eines der eigens abgetrennten Wohngebiete für Nicht-Weiße, auf den Karten durch rote Linien markiert, das so genannte Redlining. Die erhoffte Freiheit und Gleichheit ist damit bereits geografisch und mental als Farce angelegt. Hier wachsen Yance, ihre Schwester Lauren und der große Bruder William auf. So wie die Stadtkarte in separate Elemente eingeteilt wird, zerlegt auch der vorgelesene Autopsie-Bericht den Körper Williams emotionslos in Einzelteile. Die Garage, der Tatort, von innen beleuchtet, wird als Standbild immer wieder eingeblendet. Interview-Sequenzen mit der Mutter und Freunden von William zeichnen das Bild eines jungen Mannes, der ein großes Gerechtigkeitsempfinden besaß und Polizist werden wollte. Dieser wird unschuldig in einen Unfall mit dem Automechaniker Mark Reilly verwickelt; im Nachklang finden verbale Auseinandersetzungen statt. William, unbewaffnet, wird daraufhin am 7. April 1992 in Reillys illegal betriebener Autowerkstatt erschossen, Reilly wird ohne Handschellen abgeführt und bald wieder freigelassen. Später wird er behaupten, er hätte aus Angst und Notwehr gehandelt. Während Yance aus dem Off die Frage stellt, wessen Angst überhaupt begründet sei, wird die Antwort im Bild bereits eindringlich gegeben: Die Leinwand ist schwarz. Schwarz wie Williams Hautfarbe. Langsam, wie aus dem Nichts, erscheint Yances Gesicht, wird größer und größer, bis es die Leinwand ausfüllt. Der Film ist ein elegisches Essay. Ein Versuch, darzustellen, was und wie eine solch exem-plarische Tat geschieht und wie politisch das Private hier wird. Eine verbale Antwort auf seine Frage ist nicht mehr notwendig.
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