Komödie | Türkei 2017 | 106 Minuten

Regie: Gupse Özay

Zwischen pointierter Situationskomik, derbem Charme, feministischen Untertönen und melodramatischen Motiven inszenierte Komödie über eine Stehauf-Frau, die nach zahlreichen beruflichen Enttäuschungen einen Job als Köchin in einem Nobel-Restaurant findet. Dort eckt sie mit ihrer Bodenständigkeit zunächst an, rettet den Betrieb aber schließlich mit ihrer Lebenslust. Der zweite Film der „Deliha“-Reihe von Drehbuchautorin, Regisseurin und Hauptdarstellerin Gupse Özay überzeugt durch die Empathie mit ihren schrägen Protagonisten und das befreiende Lachen über patriarchale Rollenbilder und Machismus. - Ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
DELIHA 2
Produktionsland
Türkei
Produktionsjahr
2017
Produktionsfirma
BKM
Regie
Gupse Özay
Buch
Gupse Özay
Kamera
Jean-Paul Seresin
Musik
Cem Yildiz
Schnitt
Çağrı Türkkan · Akin Denizli · Sercan Güdücü
Darsteller
Gupse Özay (Zeliha / Deliha) · Derya Alabora (Aysel) · Esin Eden (Großmutter) · Eda Ece · Aksel Bonfil
Länge
106 Minuten
Kinostart
18.01.2018
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Komödie
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Fortsetzung einer türkischen Komödie um eine Stehauf-Frau

Diskussion

Die scheinbar ewig pubertierende Zeliha, deren vulgärer Charme sich mit konsequenter Steh-Auf-Mentalität und einer guten Portion Lebenslust verbindet, ist zurück! Erneut gibt Gupse Özay, die diesmal nicht nur das Drehbuch schrieb, sondern auch Regie führte, ihr filmisches Alter Ego selbst, und spielt nach einem etwas schwächelnden ersten Drittel ihr männliches Pendant Recep Ivedik mit pointierten gesellschaftlichen Anspielungen locker an die Wand. Wobei vor allem die machistische Männerwelt in aller Deutlichkeit an den Pranger gestellt wird.

Nachdem Zeliha im ersten „Deliha“-Teil (fd 42 756) allen Anlaufschwierigkeiten zum Trotz ein Coup in Sachen Liebesleben geglückt ist, geht es diesmal um die Berufswahl. Immer wieder verliert die ebenso naive wie aufbrausende Frau mit ihren Hochwasser-Jeans und ausgelatschten Sneakers ihre Jobs, meist, weil sie sich in ihrem Jähzorn mit den Kunden anlegt. Doch getreu ihrem Motto „Beim Verlieren bin ich nicht dabei“ motiviert sie sich stets aufs Neue, auch um ihrem desolaten Zuhause zu entfliehen, wo die Mutter an den Hitzewallungen der Wechseljahre leidet und die Oma bis spät in die Nacht vor brutalen Horrorfilmen sitzt, während der Vater schon lange tot ist.

Das Umfeld ist gleichgeblieben, in dem jeder jeden kennt. Der aus Afrika eingewanderte Samir bietet am Straßenrand Plagiate teurer Luxusuhren feil, der Werkzeughändler wohnt in seinem Laden, weil er sonst nicht überleben kann, die beste Freundin Fato ist viel zu dick, die zeternde Nachbarin mit buntem Kopftuch schimpft jeden Abend lautstark über den Schwager, der ihrer Schwester nicht erlaubt, das Haus auf einen Kaffee zu verlassen. Und den Nachbarinnen aus dem Nebenhaus gehe „Heirat, Heirat, bügeln, bügeln“ über alles, wie Zeliha verächtlich feststellt. Denn sie ist auf „Karriere, Karriere“ aus. „Geht doch das Fußbad eurer Männer vorbereiten“, ruft sie ihren angepassten Geschlechtsgenossinnen zu.

Zeliha steht in allen Lebenslagen ihre Frau, um gleich darauf wieder alles zu verlieren und einmal mehr von vorne anzufangen. Mit dieser Haltung schafft es das Energiebündel, als Köchin in einem Nobelrestaurant zu landen. Mit ihrer derben Art verdirbt sie sich zunächst aber alle Sympathien des frankophilen Oberkellners und der empfindsamen Küchen-Crew. Doch als das Restaurant kurz vor der Pleite steht, verteilt sie Flyer: „Cucumber-Restaurant. Wer nicht kommt, wird verprügelt.“ Prügel erhält jedoch vor allem der Betreiber des Nachbarlokals, der frühere Immobilienmakler Faik, der in „Deliha“ mit hinterhältigen Methoden versuchte, das Viertel zu gentrifizieren. Nach ein paar losen Macho-Sprüchen schlägt ihm Zeliha eins auf die Nase, genauso wie dem Ehemann der Küchenhilfe, als der versucht, seine Frau mit Gewalt nach Hause zu zwingen.

Dazwischen entwickelt sich eine mit treffsicherer Situationskomik und melodramatischen Untertönen inszenierte Rettungsaktion für das angeschlagene Restaurant. Denn nachdem Zeliha es mit ihrem bodenständigen Charme und der Straßenkapelle ihres Kumpels Ömer geschafft hat, eine japanische Touristengruppe zum deftigen Folkloretanz zu animieren, bremst Faik den Höhenflug mit einem Brandanschlag. Doch Zeliahs Freunde renovieren über Nacht den Speisesaal und bringen mit einem simplen Bohneneintopf sogar den miesepetrigen Chefgourmet einer bedeutenden Tageszeitung zum Lachen.

Mit ihrer augenzwinkernden Komödie verbindet Gupse Özay gut inszenierte Unterhaltung mit frechen feministischen Untertönen. Die Lacher des Publikums hat sie dabei genauso auf ihrer Seite wie die Empathie für die angeschlagenen Protagonisten: schräge Helden wie die horrorfilmsüchtige Großmutter, den Fischer Erol, der in die Ägäis schippert, um zwei Dutzend Rotbarben für eine deutsche Reisegruppe aufzutreiben, oder die Sous-Chefin Eda, die am Ende erfolgreich mit dem Restaurantbesitzer Can verkuppelt wird.

Die Solidaraktion der Underdogs markiert das Happy-End einer ziemlich mitreißenden Komödie. Mit rasantem, oft derbem Witz und befreiender Wut macht sich der Film über Geschlechterrollen und Gender-Hierarchien her. Das sind anti-patriarchale Frechheiten, die auch deswegen aufmerken lassen, weil sie im Verbund mit anderen selbstbewussten weiblichen Statements wie der pointierten Beziehungs- und Standeskomödie „Aile Arasinda“ (fd 45 162) oder dem schrägen Tanten-Volksstück „Maide’nin Altın Günü“ (fd 45 185) im türkischen Kino gegenwärtig einen neuen Ton anschlagen.

Kommentar verfassen

Kommentieren