Im Zweifel glücklich

Drama | USA 2017 | 102 Minuten

Regie: Mike White

Ein mit sich und der Welt unzufriedener Familienvater aus Sacramento begleitet seinen Sohn auf einer Reise an die Ostküste, wo sie ein College nach dem anderen anschauen. In der Begegnung mit alten Studienkollegen feiern seine Neurosen fröhliche Urstände, weil seine Gedanken nur noch um sein imaginiertes Versagen kreisen. Der stille, bis in die Nebenrollen einfühlsam gespielte Film über eine Midlife-Crisis kehrt die bisherigen Komödienrollen des Hauptdarstellers Ben Stiller gewissermaßen nach innen. Statt auf schillernde Oberflächen konzentriert sich die Inszenierung dabei ganz auf die unterdrückten Empfindungen und Gefühle der Figuren. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
BRAD'S STATUS
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2017
Produktionsfirma
Sidney Kimmel Ent./Plan B Ent.
Regie
Mike White
Buch
Mike White
Kamera
Xavier Grobet
Musik
Mark Mothersbaugh
Schnitt
Heather Persons
Darsteller
Ben Stiller (Brad Sloan) · Austin Abrams (Troy Sloan) · Jenna Fischer (Melanie Sloan) · Michael Sheen (Craig Fisher) · Jemaine Clement (Billy Wearslter)
Länge
102 Minuten
Kinostart
29.03.2018
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama | Komödie
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Verleih DVD
Weltkino (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
Weltkino (16:9, 2.35:1, dts-HDMA engl./dt.)
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Grandiose Komödie um einen von Ben Stiller kongenial interpretierten Vater in der Midlife-Crisis.

Diskussion

Off-Kommentare haben schon so oft als Krücke für mangelnde filmische Fantasie herhalten müssen, dass es erstaunt, wie furchtlos mit „Im Zweifel glücklich“ ein Film den Off-Kommentar seiner Hauptfigur zum Zentrum seiner Handlung macht. Und dabei die Geschichte, die sich auf der Leinwand entwickelt, als Illustration der Selbstreflexionen eines mit sich, seinem Leben und seinen Hoffnungen unzufriedenen Familienvaters nutzt.

Von der ersten bis zur letzten schlaflosen Nacht, die der Story einen Rahmen geben, memoriert Brad über alles und jedes, was ihn selbst und sein bisheriges Leben ausmacht. Nüchtern betrachtet, könnte Brad eigentlich ganz zufrieden sein. Er führt eine gute, wenn auch alltägliche Ehe, hat einen offensichtlich begabten Sohn, der gerade dabei ist, sich für ein College zu entscheiden, ist Gründer und Chef einer Agentur, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, reiche Spender und Wohltätigkeitseinrichtungen zusammen zu bringen, lebt in einem hübschen Haus in einem Vorort von Sacramento und muss sich nicht mehr mit finanziellen Sorgen herumschlagen als die meisten Männer seines Alters.

Dennoch hat ihn die verflixte Midlife-Krise eingeholt und in seinem Innern jede normale Perspektive auf sein Leben ruiniert. Statt sich an dem zu freuen, was er erreicht hat, statt zu erkennen, dass er durchaus zu den Privilegierten gehört, foltert er sich und alle, die ihm nahestehen, mit der an ihm nagenden Unzufriedenheit. Er kann es nicht verwinden, dass seine ehemaligen Schulkameraden (scheinbar) mehr erreicht haben, stärker als er im Licht der Öffentlichkeit stehen und mehr Bewunderung finden.

Einer von ihnen konnte sein Unternehmen schon mit 40 verkaufen und lebt mit zwei blutjungen Begleiterinnen in Hawaii; ein anderer hat reich geheiratet und fliegt in einem Privatjet durch die Welt; ein Dritter hat aus seinen politischen Ambitionen eine Professoren- und Fernsehkarriere gemacht. Man begegnet ihnen allen während einer Reise, auf der Brad seinen Sohn nach Boston begleitet, wo sich entscheiden soll, wo der Junge studiert und ob ihn vielleicht sogar Harvard zum Studium akzeptieren wird.

Dem Zuschauer mögen Brads Neurosen trivial erscheinen, ihm selbst aber machen sie höchst real zu schaffen. Seine ganze Persönlichkeit hat sich unter ihrem Einfluss verändert. Je mehr seine Gedanken um sein imaginiertes Versagen kreisen, desto stärker rauben sie ihm jede Perspektive für die Zukunft. Ob Brad wirklich erkennt, wie sehr er sich in Selbstkritik und Selbstmitleid verrannt hat, wie wenig seine Vorstellung vom erfolgreichen Leben seiner einstigen Freunde der Wirklichkeit entspricht, bleibt offen. Doch auch für ihn gibt es Hoffnung: Am Ende des Films scheint es ihm wenigstens zu gelingen, nach seinem selbstinduzierten Albtraum wieder einzuschlafen.

Die Besetzung der Rolle von Brad mit dem Komödianten Ben Stiller war ein Wagnis. Doch bei genauerem Hinsehen ist die Entscheidung des Autors und Regisseurs Mike White goldrichtig. Alle die impulsiven, frustrierten und selbstverliebten Figuren, die Stiller in seiner Karriere gespielt hat, vereinen sich quasi in diesem mit sich und der Welt unzufriedenen Familienvater – nur unter anderem Vorzeichen.

„Im Zweifel glücklich“ ist das Gegenteil einer geräuschvollen Komödie. Es ist ein stiller, geduldiger, langsamer Film. Es ist ein Film, in dem Stiller und all die anderen Akteure zeigen dürfen, was sie können, in dem Menschen ins Herz geschaut wird, auch wenn es manchmal wehtut, weil sich dabei durchaus Perspektiven auf das eigene Leben erschließen mögen.

Einiges wirkt zu repetitiv, anderes zu selbstgefällig, doch meist stimmt der Tonfall. Statt auf die schillernde Oberfläche konzentriert sich „Im Zweifel glücklich“ ganz aufs Innenleben seiner Figuren. Selbst die Nebenrollen stimmen bis ins Detail, vor allem der junge Austin Abrams als Brads Sohn Troy, der mit wenig Worten und noch weniger Gesten eine ganze Generation trefflich porträtiert.

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