Dokumentarfilm | Österreich 2017 | 93 Minuten

Regie: Werner Boote

Der österreichische Filmemacher Werner Boote setzt seinen Diskurs über den ökologischen Zustand der Erde mit einer Feldforschung zum Thema Nachhaltigkeit fort. Ins Visier geraten dabei insbesondere grüne Gütesiegel und falsche Öko- und Sozialversprechen multinationaler Unternehmen. Der etwas didaktische, aber unterhaltsame und bisweilen auch zornige Film untersucht Beispiele aus der Palmöl-, Erdöl-, Kohle- oder Elektroautoindustrie, befragt Aktivisten und Kapitalismuskritiker und belegt seine These von der Politik als Handlanger der Industrie. Über die Analyse hinaus fordert der Film die Zuschauer auf, den Erkenntnisgewinn zu nutzen, um zur Veränderung der Welt beizutragen. - Sehenswert ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
DIE GRÜNE LÜGE
Produktionsland
Österreich
Produktionsjahr
2017
Produktionsfirma
e&a Film
Regie
Werner Boote
Buch
Werner Boote
Kamera
Dominik Spritzendorfer · Mario Hötschl
Musik
Marcus Nigsch
Schnitt
Gernot Grassl · Roland Buzzi
Länge
93 Minuten
Kinostart
22.03.2018
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 12.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Lighthouse & Filmladen (16:9, 1.78:1, DD5.1 dt.)
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Dokumentarfilm über den Missbrauch ökologischer Gütesiegel, der zu einem verantwortlicheren Umgang mit der Natur auffordert.

Diskussion
Werner Boote ist seit Jahren als filmischer Aufklärer in Sachen Umweltbewusstsein und Verteilungsgerechtigkeit unterwegs. In Filmen wie „Plastic Planet“ (fd 39 732) oder „Population Boom“ (fd 42 281) verknüpfte er faktische Belege der Zerstörung des Planeten mit einer Suche nach Ursachen, aber auch nach Lösungen. In „Die grüne Lüge“ setzt er diesen Diskurs fort, erneut mit einer größtmöglichen Hinwendung zum Zuschauer: Er bringt seine Feldforschung in eine dramaturgische Form, die Spannung und Unterhaltsamkeit garantiert. Konkret benutzt er das Prinzip eines Frage-Antwort-Spiels, das sich durch den Film zieht und für das er sich selbst, gewissermaßen als Kunstfigur, zur Verfügung stellt. Boote spielt also den etwas naiven, umwelttechnisch durchaus gutwilligen „Normalverbraucher“, der in Sachen grünes Denken alles richtig machen will, aber nicht so recht weiß, wie. Denn seine Grundannahme, durch den Kauf nachhaltiger und fairer Produkte „die Welt retten“ zu können, ist zutiefst erschüttert. Der Nachhaltigkeitsgestus, mit dem die Industrie antritt und ihre „grünen Siegel“ verteilt, erweist sich oft als verlogen; tatsächlich geht es um Gewinnmaximierung und Profit. Um dafür Beispiele zu erkunden, holt sich Boote die „Greenwashing“-Expertin Kathrin Hartmann an die Seite, die seit Jahren über die entsprechenden Machenschaften internationaler Konzerne forscht und zum Thema einige Bücher, etwa „Das Ende der Märchenstunde“ (2009) veröffentlicht hat. Sie darf in gespielten Dialogen seine Vorstellungen von angeblich nachhaltiger „grüner“ Industrieproduktion und Landwirtschaft am konkreten Beispiel über den Haufen schmeißen. Das Ganze entbehrt nicht didaktischer Züge, entwickelt aber dennoch Rasanz und hintergründige Komik, macht nachdenklich und zornig. Etwa wenn es um Palmöl geht, das billigste Fett der Welt, für das Hunderte Hektar Regenwald abgeholzt werden. Was anstelle des tropischen Waldes entsteht, ist eine Monokultur ohne Tiere und andere Pflanzen; ehemalige Kleinbauern, die ihr Land verloren haben, werden zur Billigarbeit gezwungen, eine Form des Neokolonialismus. In Indonesien, wo illegal gelegte Feuersbrünste ganze Landstriche verwüstet haben, treffen Boote und Hartmann einen Aktivisten gegen die Palmölindustrie: einen mutigen jungen Mann, der durchaus um sein Leben fürchten muss. Aber sie lassen auch einen verantwortlichen Minister zu Wort kommen, der in einer Rede auf einer internationalen Konferenz die Entwicklungen gutheißt und mit blanker Demagogie auf kritische Einwände reagiert. So wie in diesem Fall kommen hier immer wieder beide Seiten zu Wort: diejenigen, die sich aktiv für ein Gleichgewicht von Mensch, Umwelt und Wirtschaft einsetzen, aber auch jene, die zwar verbal vorgeben, dasselbe zu tun, tatsächlich aber die Machenschaften der Großindustrie schönreden und damit decken. „Greenwashing“, schreibt Kathrin Hartmann, sei das Bemühen von Unternehmen, „ihr schmutziges Kerngeschäft hinter schönen Öko- und Sozialversprechen zu verstecken“. Etwa wenn Konzerne das Elektroauto als Nonplusultra einer grünen Zukunft verkaufen, ohne nur im Geringsten darauf hinzuweisen, welcher Energieaufwand für die Herstellung aufgewandt werden muss. Was aber kann der Ausweg sein aus dem Dilemma, in dem man mit jedem Einkauf im Supermarkt steckt? Der Berühmteste aller Kapitalismuskritiker, Noam Chomsky, der im Film ebenfalls befragt wird, verlangt die „Machtsysteme unter öffentliche Kontrolle zu stellen“. Konzerne nähmen Funktionen ein, wie sie früher absolutistische Herrscher innehatten. An deren Sturz damals auch niemand geglaubt hätte: „Erfolge passieren nicht von allein.“ Die große Ernüchterung, die Boote und Hartmann mit ihrem Faktencheck auslösen, soll nicht in Lethargie münden, sondern ein Hilfe zur Selbsthilfe sein: „Wir müssen raus aus der Zuckerwatte des Konsens und erkennen, dass das System mörderisch ist.“ Am Ende steht die Begegnung mit Vertretern der indigenen Bevölkerung Brasiliens, die gegen korrupte Politiker um ihren Boden kämpfen, der ihnen genommen wurde. Was ist ihr Ziel? „In Freiheit unser Land zu bewohnen und zu genießen, was die Erde uns bietet.“ Ein Traum? Eine Utopie für alle? Oder doch nur der Wiederschein einer längst verlorenen Vergangenheit?
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