Drama | Russland/Finnland/Deutschland 2017 | 116 Minuten

Regie: Boris Chlebnikow

Ein junger Rettungssanitäter steckt in der Lebenskrise. Seine Ehefrau, eine Ärztin, möchte sich scheiden lassen. Zudem versucht ein neuer Chef mit Managermethoden, die Effektivität der Notfalleinsätze zu steigern. Vor dem Hintergrund eines vignettenhaft erzählten Arbeitsalltags in einer namenlosen russischen Stadt schildert der Film die wechselvolle Beziehung eines Paares, das darum ringt, wieder einen gemeinsamen Rhythmus zu finden. Der luftige Ton und die Balance zwischen humoristischen Tönen und dramaturgischer Zuspitzung heben den Film von grimmigeren Gesellschaftsbildern ab. (O.m.d.U.) - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
ARITMIYA
Produktionsland
Russland/Finnland/Deutschland
Produktionsjahr
2017
Produktionsfirma
Mars Media Ent./CTB Film/Don Films/Post Control/Color of May
Regie
Boris Chlebnikow
Buch
Natalia Meshchaninowa · Boris Chlebnikow
Kamera
Alisher Chamidchojajew
Schnitt
Julia Batalowa · Iwan Lebedew
Darsteller
Alexander Jatsenko (Oleg) · Irina Gorbatschowa (Katja) · Nikolai Shraiber (Dima Jakuschin) · Sergej Nasedkin · Maxim Lagaschkin (Witali Golowko)
Länge
116 Minuten
Kinostart
19.04.2018
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama
Externe Links
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Der Arbeitsalltag eines verheirateten russischen Rettungssanitäters zwischen humoristischen Tönen und dramaturgischer Zuspitzung.

Diskussion
Rhythmusstörungen gibt es in der mit komödiantischer Schlagseite erzählten Trennungsgeschichte „Arrhythmia“ des russischen Regisseurs Boris Khlebnikov an allen Ecken und Enden: im stockenden Verkehr, wo auch eine Krankenwagensirene keine Autorität mehr besitzt, in der zunehmend auf Optimierung ausgerichteten Notaufnahme eines Krankenhauses, in der Ehe eines noch jungen Paares. Oleg arbeitet als Sanitäter, seine Frau Katja ist als Ärztin in der Notaufnahme eines Krankenhauses in einer namenlosen, russischen Stadt tätig. Oleg nimmt seine Arbeit ernst, versteht sich aber auch als Improvisationskünstler, der auf Vorschriften nicht viel gibt. Die Behandlung einer schweren Hypochonderin in einer mit allerhand scheußlichem Nippes ausgestatteten Wohnung setzt den Grundton des Films. Unter dem versteckten Schmunzeln seines Kollegen kann Oleg die Frau durch die Ankündigung einer neuen Hygienevorschrift (eine Kopfrasur) von ihrer fixen Idee abbringen, unbedingt im Krankenhaus behandelt werden zu müssen. Stattdessen verabreicht er ihr eine angeblich mit Nanotechnologie hergestellte bunte Pille aus Deutschland, die, wie sich später herausstellt, direkt aus einer Bonbonpistole für Kinder kommt. In der Beziehung zu seiner Ehefrau Katja äußert sich Olegs durchaus charmante Verspieltheit jedoch als eine mitunter enervierende Unreife. Nach seinen langen, strapaziösen Schichten besäuft er sich meist mit seinen Freunden in der engen Küche des gemeinsamen Apartments. Katjas überraschende Ankündigung, sich scheiden lassen zu wollen, winkt er zunächst als typisch weibliches „Stress-Machen“ ab. Da das Auskommen des Paares bescheiden ist, müssen sich die beiden zunächst in der kleinen Wohnung arrangieren. Oleg richtet sich trotzig auf einer Luftmatratze in der Küche ein und unterwandert Katjas Bedürfnis nach Distanz mit kindischen Störaktionen. Auch spielt er gerne das Opfer, etwa wenn er seinen niedrigeren beruflichen Status ausspielt. Die Inszenierung schildert die wechselvolle Beziehung des Paares, das lange Zeit komplett asynchron zueinander steht und erst allmählich wieder zu einem gemeinsamen Erfahrungsraum und zu einer Sprache findet, die beide verstehen, vor dem Hintergrund ihres belastenden Berufslebens. Mit dem neuen Leiter der Notfallabteilung zieht jedoch ein härterer Wind ein. Die Einsätze sollen künftig schneller abgewickelt werden; Kontrollen werden verstärkt, die Regeln strenger. Hauptsache, der Patient stirbt nicht während des Einsatzes, so der kaltschnäuzige Chef; was danach passiere, sei schließlich egal. Etwas schematisch reiht der Film Vignetten des Arbeitsalltags aneinander, in denen die gesellschaftlichen Missstände zu Tage treten; die Folgen eines auf reine Effizienz ausgerichteten Gesundheitswesens werden recht deutlich ausbuchstabiert. Doch Oleg übergeht mehr als einmal die neuen Vorschriften und handelt in Eigenregie. Mit der Balance zwischen humoristischen Tönen und dramatischer Zuspitzung setzt sich Boris Khlebnikov deutlich von den grimmigen Gesellschaftsbildern eines Andrey Zvyagintsev ab. Der luftige Ton des Films hat etwas Gewinnendes, macht es aber auch schwierig, den Trennungsplot allzu ernst zu nehmen. Letztlich nimmt „Arrhythmia“ auf diese Weise die Perspektive von Oleg ein.

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