Matti und Sami und die drei größten Fehler des Universums

Jugendfilm | Deutschland/Finnland 2017 | 95 Minuten

Regie: Stefan Westerwelle

Drei Lügen bringen die Welt eines zwölfjährigen Jungen durcheinander und lassen ihn an der Glaubwürdigkeit der Erwachsenen zweifeln. Als er die damit verbundenen Defizite auf eigene Faust auszumerzen beginnt, verstrickt er sich in ein aberwitziges Lügengebilde, aus dem es keinen Ausweg mehr gibt. Mit einer überraschenden Mischung aus Komik und Ernsthaftigkeit, Realismus und Märchenhaftem erzählt der Film über kleine und große Lügen, Alltagssorgen, Wünsche und Träume. Dabei nimmt er ganz die Sichtweise des jungen Protagonisten ein und greift auf humorvolle Art auch schwierige Themen aus der Lebenswelt von Kindern auf. - Ab 10.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland/Finnland
Produktionsjahr
2017
Produktionsfirma
Lieblingsfilm/3Aamu Film
Regie
Stefan Westerwelle
Buch
Stefan Westerwelle · Ingo Schünemann
Kamera
Julia Daschner
Musik
Timo Hietala
Schnitt
Martin Menzel
Darsteller
Mikke Rasch (Matti) · Nick Holaschke (Sami) · Sabine Timoteo (Annette) · Tommi Korpela (Sulo) · Roy Peter Link (Kurt)
Länge
95 Minuten
Kinostart
19.04.2018
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 10.
Genre
Jugendfilm | Literaturverfilmung
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Universum (16:9, 1.78:1, DD5.1 dt.)
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Humorvoller, mitunter melancholischer Jugendfilm über einen 12-Jährigen, der durch Lügen von Erwachsenen aus dem Gleichgewicht gerät, bis er beschließt, die Welt eigenhändig wieder zu korrigieren.

Diskussion
Die kleinen Planeten, die über seinem Bett schweben, sieht Matti sich immer wieder gerne an. Sie versprechen Ordnung und Sicherheit, weil im Universum alles an seinem Platz ist. Hier funktioniert alles so, wie es soll. Doch dann erschüttern drei Lügen Mattis Weltbild. Sein Universum gerät in Schieflage. Und immer sind es die Erwachsenen, die schuld daran sind. Eine kleine Erschütterung der Ordnung der Dinge ereignet sich, als Matti gemeinsam mit seiner Mutter und seinem jüngeren Bruder Sami die Auswilderung eines Delfins im örtlichen Ententeich beobachten will. Nach langem hoffnungsvollem Warten entpuppt sich die Meldung jedoch als Aprilscherz. Als Mattis Mutter ihrem Sohn wenig später gesteht, dass es die vermeintlichen Spenden der Eltern für Tiere in Not nie gab und diese nur eine Notlüge waren, um Matti zu trösten, beginnt der Junge an der Ehrlichkeit seiner Eltern zu zweifeln. Noch schlimmer allerdings wird es, als Mattis Vater Sulo bei einem Besuch seines Bruders damit prahlt, bald einen Job als Computerspieleentwickler in der Schweiz anzunehmen. Matti freut sich auf die Veränderung, weil die Wohnung der Familie in Hamburg ohnehin viel zu klein ist und sein Vater schon lange davon träumt, seinen Job als Busfahrer aufzugeben. Aber dann muss er erfahren, dass dies nicht mehr als Angeberei seines Vaters war, um sich vor dem jüngeren Bruder keine Blöße zu geben. „Matti und Sami und die drei größten Fehler des Universums“, der auf dem gleichnamigen Roman von Salah Naoura basiert und sich eng an die Vorlage hält, kommt der Lebenswelt des jungen Protagonisten ganz nahe. Mit stimmigen Bildkompositionen und einer zurückhaltenden Musik fängt der Film Mattis Enttäuschungen ein und zeigt, wie schwer die Unehrlichkeit für ihn wiegt. Matti fühlt sich nicht ernst genommen. Wenn nicht einmal die Erwachsenen sich an die Regeln halten, die Kinder stets befolgen sollen, woran soll man dann noch glauben? Indem der Film das Kleine und das Große gleichberechtigt gegenüberstellt, die beiläufigen Lügen und das existenzielle Gleichgewicht des Universums, nimmt er ganz die Sichtweise des zwölfjährigen Matti ein. Doch Matti will den Entscheidungen der Erwachsenen nicht länger ausgeliefert sein. Außerdem bemerkt er, dass er selbst die „Fehler“ des Universums wieder zurechtbiegen und auf den Lauf der Dinge Einfluss nehmen kann. Die Aussetzung von Spielzeug-Delfinen im Ententeich ist die erste Korrektur. Die zweite besteht darin, das Geld aus einer Spardose der Eltern tatsächlich für Tiere in Not zu spenden. Größere Schwierigkeiten bereitet allerdings die dritte Korrektur: Das Haus am See. Weil Matti schon immer den Wunsch hatte, einmal die Heimat seines Vaters in Finnland zu sehen, meldet er seinen Vater für einen Ferienjob als Hausmeister in Finnland an. Um die Eltern aber tatsächlich zu einer Reise zu bewegen, muss er noch einen Schritt weitergehen. Mit einer gefälschten Gewinnbenachrichtigung täuscht er seinen Eltern vor, ein Haus in Finnland gewonnen zu haben. Nicht gerechnet hat er allerdings damit, dass sie danach sogleich ihre Jobs und ihre Wohnung in Hamburg aufgeben und bereit sind, ihr bisheriges Leben vollkommen hinter sich zu lassen. „Matti und Sami“ lebt von den aberwitzigen Verstrickungen, in die Matti sich hineinmanövriert und die zunehmend schlimmer werden, weil Matti sich immer mehr in seinem Lügennetz verheddert und schließlich nur noch auf einen Wink des Schicksals warten kann. Vielleicht macht es sich der Film wie auch die Romanvorlage ein wenig zu einfach, das Universum wieder in Ordnung zu bringen. Seine Stärke spielt der Film in der Figurenzeichnung aus. Matti wird nicht der Lächerlichkeit preisgegeben, seine Wünsche und Sehnsüchte bleiben stets nachvollziehbar. Auch die Überzeichnung der erwachsenen Figuren hält sich in Grenzen. Klischeehaft mutet zunächst das Verhalten von Sulo an, der mehr durch sein Schweigen als durch seine Worte sagt, zugleich aber auch angenehm raubeinig und doch auch liebenswert wirkt. Eine überraschende Melancholie prägt den Film, die ihm eine eigene Atmosphäre verleiht und einen schönen Kontrast zu den an sich farbenfrohen Bildern setzt. So steht in „Matti und Sami“ vieles nebeneinander: das Bonbonbunte und die Schwermut, der Humor und die Ernsthaftigkeit, das Märchenhafte und das Alltägliche. Am Ende wird überdies immer deutlicher, dass es Matti nicht nur darum ging, dem Universum auf die Sprünge zu helfen; er wollte vielmehr seinem Vater wieder näher kommen, der sich lange hinter einer Mauer aus Alltagssorgen verschanzt hat.
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