Am Anfang kämpft Debbie Ocean vor dem Gutachter, der über ihre Entlassung aus der Haft zu entscheiden hat, tapfer mit den Tränen. Sie spricht über ihre bescheidenen Wünsche nach einem normalen Leben und deutet dezent an, Opfer widriger Umstände zu sein – schließlich war schon ihr Bruder Danny ein ausgemachter Ganove. Regisseur Gary Ross kann es sich sparen, die Reaktion des Gutachters zu zeigen; angesichts ihres rührenden Auftritts hat er gar keine andere Chance, als Debbie freizulassen. In der nächsten Szene aber sieht man sie in einem aufregenden schwarzen, herrlich deplatzierten Abendkleid hocherhobenen Hauptes aus dem Knast spazieren und beherzt in ein Dasein voller Glamour und Gefahr zurückrauschen: Debbie ist eine grandiose Schwindlerin, die sogleich daran geht, den ganz großen Coup zu organisieren; schließlich hatte sie im Knast mehrere Jahre Zeit für die Planung. Spätestens hier hat Sandra Bullock als Schwester und würdige Nachfolgerin von George Clooney aus der „Ocean’s“-Reihe von Steven Soderbergh auch das Publikum um den Finger gewickelt.
Es gehört eine gewisse Courage dazu, die Fortführung der vorwiegend männlich besetzten Einbrecher-Reihe mit fast ausschließlich weiblicher Besetzung zu konzipieren. Der jüngste US-Film, der das riskiert hat, „Ghostbusters“ (fd 44 079) von Paul Feig, erntete in den sozialen Medien dafür einen erschreckend bösartigen, misogynen Shitstorm. Die „Ocean’s“-Reihe gehört allerdings einem anderen Genre an und könnte eine geneigtere Aufnahme nicht zuletzt bei Zuschauerinnen finden. Denn „Ocean’s 8“ ist zuallererst eine Hommage an weibliche Coolness und Kompetenz, verkörpert von Sandra Bullock, die man seit langem nicht mehr so strahlend, charismatisch und komisch gesehen hat, und Cate Blanchett als ihrer Rock-Star-lässigen rechten Hand.
Wie in den Vorgängerfilmen ist die Besetzung auch hier die halbe Miete. Die ethnisch und mit Blick aufs Alter gut durchmischte Gang von weiblichen Experten besteht neben Bullock und Blanchett unter anderem aus Helena Bonham Carter als verstrahlter Modedesignerin, Popstar Rihanna als Computer-Genie und Sarah Paulson, die in der extravaganten Clique jenen Part des bodenständigen Normalos übernimmt, den im „Ocean’s“-Universum bislang Matt Damon innehatte.
Damit so viel Star-Power ein würdiges Betätigungsfeld findet, muss ein entsprechender Schauplatz her. Die Produzenten haben tatsächlich etwas gefunden, was Las Vegas aus „Ocean’s 13“ (fd 38 199) noch in den Schatten stellt. Der Coup der Ladies kreist um die so genannte MET-Gala, mit der das New Yorker Metropolitan Museum of Art jeweils im Mai die Mode-Ausstellung seiner Kostümabteilung eröffnet; ein Event, das die High Society wie die Showbiz-Prominenz gleichermaßen anzieht. Dem Film liefert es die perfekte Glamour-Bühne – und einen wunderbaren Aufhänger für ironische Spitzen gegen den Celebrity-Hype. Die Ausstellung im Museum präsentiert passenderweise die Schmuckstücke verschiedener Königshäuser. Am Hals von Daphne Kruger (Anne Hathaway), die die Gala eröffnet, soll außerdem ein immens wertvolles Cartier-Collier prangen, auf das Debbie & Co. ein begehrliches Auge geworfen haben.
An die Kronjuwelen will Debbie allerdings nicht nur dem narzisstischen Starlet, sondern im übertragenen Sinne auch ihrem verräterischen Ex-Freund (Richard Armitage), der sie vor Jahren in den Knast gebracht hat. Das aber ist ein emotionaler Ballast, der den präzise ausgetüftelten Plan empfindlich stören könnte - meint zumindest Lou. Das Drehbuch freilich hat diese und andere Hürden nur aus dem Grund aufgestellt, um die Cleverness und das Raffinement der Heldinnen umso heller strahlen zu lassen. Die Story ist grundsolides „Heist Movie“-Material, das zunächst die Rädchen für den großen Raubzug genüsslich in Stellung bringt, um sie dann wie ein perfekt gebautes Uhrwerk ineinandergreifen zu lassen – und das mit ähnlich hinreißender Eleganz, wie es Soderbergh in seinen Filmen vorgemacht hat.
Dass Regisseur Gary Ross inszenatorisch nicht so verspielt und mutig ist wie Soderbergh, der im ersten „Ocean’s“-Film mit Handkamera, eingefrorenen Bildern, Splitscreens und Zeitraffer auftrumpfte, macht „Ocean’s 8“ zwar weniger außergewöhnlich; ein turbulenter Sommerspaß ist ihm aber dennoch gelungen. Und eine schöne Liebeserklärung an Hollywoods Leading Ladys und an die weibliche Solidarität. Während Action-Heldinnen wie Wonder Woman und Lara Croft noch immer allein unter Männern ihre Stellung behaupten, feiert „Ocean’s 8“ die Frauenfreundschaft – als eine Naturgewalt, der keine Security-Maßnahme gewachsen ist.