Ich bin Steve McQueen

Dokumentarfilm | Kanada 2014 | 89 Minuten

Regie: Jeff Renfroe

Filmgeschichtliche Dokumentation über den US-Schauspieler Steve McQueen (1930-1980), der mit seinen tiefblauen Augen und einer gewissen Vorliebe für actionreiche Dramen in den 1960er-/1970er-Jahren als „King of Cool“ ikonischen Charakter gewann. Der Film zeichnet mit klug gewählten Filmausschnitten und profilierten Interviews Leben und Karriere des Hollywood-Stars nach, für den der Rausch der Geschwindigkeit eine existenzielle Notwendigkeit zu sein schien. Hinter dem scharf konturierten Bild des Darstellers deutet sich eine Rastlosigkeit und Getriebenheit an, die autobiografische Korrespondenzen zum künstlerischen Werk erlauben. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
I AM STEVE MCQUEEN
Produktionsland
Kanada
Produktionsjahr
2014
Produktionsfirma
Network Ent.
Regie
Jeff Renfroe
Buch
David Ray
Kamera
Ian Kerr · Michael D. Hawley
Schnitt
J.R. Mackie · Jeff Renfroe
Länge
89 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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Aufschlussreiche Dokumentation über Leben und Karriere des US-Schauspielers Steve McQueen (1930-1980).

Diskussion

Im Film- und Fernsehsommer 2018, der weitgehend vom Spektakel der Fußballweltmeisterschaft dominiert wurde, müssen sich die Programmmacher der Sender und Kinopaläste einiges einfallen lassen. So widmet arte „den großen Liebhaberinnen und Liebhabern aus Pop und Kino“ eine „Summer of Lovers“-Reihe. Das Angebot an mehrheitlichen Dokumentationen ist breit und hochkarätig. Ebenso breit scheint der „Lovers“-Begriff zu sein, denn wie anders wäre es zu erklären, dass sich hier auch eine Würdigung des Actionhelden, Rennfahrers und Hollywood-Stars Steve McQueen (1930-1980) findet? Von seinen Anfängen, etwa in „Verliebt in einen Fremden“ (fd 12 719), einmal abgesehen, ist McQueen nicht sonderlich als „Liebhaber“ in Erscheinung getreten. Seine Beziehung zu Frauen, auf und jenseits der Leinwand, verdient eher andere Bezeichnungen. Die Dokumentation von Jeff Renfroe, in der Robert Downey jr. den Off-Kommentar spricht, lässt daran auch keinen Zweifel aufkommen.

Der 2014 fertiggestellte Film fokussiert innerhalb von McQueens vielfältigem Repertoire stark auf die actionreichen Dramen mit viel Technik, männlicher Kameraderie und Rivalität. „The Need for Speed“, der Rausch der Geschwindigkeit, wird als durchgängiges Motiv in Leben und Werk des frühverstorbenen Schauspielers etabliert. Die Interviews mit Weggefährten und Experten, unter anderen seinen drei Ehefrauen, McQueens Sohn Chad sowie Stunt- und Martial-Arts-Fachleuten wurden in einem Hangar mit den luxuriös präsentierten Wagen aus McQueens Besitz aufgenommen. Dabei brauchte seine Karriere eine Weile, bis sie Fahrt aufnahm und der Darsteller von Minijobs bei obskuren Fernsehserien der frühen 1950er-Jahre den Sprung auf die große Leinwand schaffte; nachhaltig erst mit „Die glorreichen Sieben“ (fd 10 015).

In dem mit 90 Minuten recht umfänglichen Film finden auch McQueens New Yorker Jahre Erwähnung sowie das nicht unwichtige Intermezzo an Sanford Meisners „Neighborhood Playhouse“, einer Schauspielschule mit Berührungspunkten zu Lee Strasbergs „Group Theatre“. McQueen kam dort in Kontakt mit so ikonischen Interpreten wie James Dean oder Paul Newman, lernte von und rieb sich an ihnen. In diesen Jahren erfuhr McQueens Talent und sein Charisma eine vertiefende Kultivierung. Hier mag er sich vielleicht auch die Tricks und Kniffe angeeignet haben, die mit seiner Darstellungskunst verbunden sind, seine notorische Wortkargheit (so ließ er mitunter größere Passagen seines Textes umschreiben oder aus dem Drehbuch entfernen) oder der mesmerisierende Blick, ein Starren oder Fixieren aus jenen unverschämt blauen Augen, mit denen er oft mehr auszudrücken vermochte als manche andere in einem dreiminütigen Monolog: McQueen, die Schlange. Er „nimmt dich gefangen“ (Gary Oldman), er „gibt nichts zurück“.

Aus der fast ehrfürchtigen Bewunderung der Kollegen spricht zwischen den Zeilen aber auch die Einsicht, dass er kein leichtes Gegenüber war, sondern dass es extrem schwierig gewesen sein muss, mit ihm zu drehen. Sein radikaler, fast animalischer Egoismus, getreu seinem Motto „I live for myself, and I answer to nobody“, gepaart mit natürlichem Durchsetzungsvermögen, führten zu Kontroversen mit seinen Filmpartnern, häufigen Wechseln von Regisseuren und Drehbuchautoren, am verheerendsten sicherlich am Set von „Le Mans“ (fd 17 559), einem weiteren Wendepunkt seiner Karriere, der sich beinahe zu einem längeren Boxenstopp ausdehnte.

Vorbildlich analysiert die Dokumentation, die im Wesentlichen seine wichtigsten Auftritte chronologisch nachzeichnet, anhand treffsicher gewählter Filmausschnitte das Besondere an McQueens Darstellung oder das Ikonische der jeweiligen Einstellung. Wie er in „Die glorreichen Sieben“ die gemeinsamen Szenen mit Yul Brynner an sich zieht, regelrecht kapert, amüsiert noch heute alte Fahrensleute wie den Regisseur Norman Jewison oder seinen Schauspielerkollegen Pierce Brosnan.

Die Macher von „Ich bin Steve McQueen“ haben die Zeitzeugen- und Expertenkommentare klug disponiert. Sie profitieren auch von dem Umstand, dass viele von McQueens Weggefährten noch am Leben sind und dem Filmprojekt offensichtlich positiv gegenüberstanden. Selten erfährt ein Schauspieler eine so qualitätsvolle Würdigung, die durch die Vielzahl von Eindrücken aus erster Hand ein recht scharf konturiertes Bild des Darstellers ergibt, der für seine Person mit Selbstaussagen in Form von Interviews oder Homestorys auffällig geizte.

Umso wertvoller sind deshalb die mehrfach verwendeten Auszüge aus einem frühen Fernsehinterview. Am kostbarsten erscheinen allerdings die ausführlichen Beiträge seiner drei Ehefrauen Neile Adams, Ali MacGraw und Barbara Minty sowie seines Sohnes Chad, die in ihrer Gesamtheit eine wichtige Ergänzung zum öffentlichen Bild der Hollywood-Ikone darstellen.

Für den Einsamen und Getriebenen war Geschwindigkeit eine existenzielle Notwendigkeit, weil er bis zum bitteren Ende unter dem Eindruck stand, ausbrechen und davonrasen zu müssen. Jedes Auto war ein Fluchtwagen, „Getaway“ das Leitmotiv seines Lebens und seiner Karriere. Insofern erweisen sich die meisten seiner Filme ohne Deutungsfuror als autobiografische Etappen oder Kommentare. Unsteten, rastlosen Anfängen entwachsen, kam McQueen bis zum Schluss nicht zur Ruhe.

McQueens Verhältnis zu obsessiv angehäuften Gerätschaften, Motorrädern, Automobilen, später noch Flugzeugen und Schießeisen wird als quasi bionisch beschrieben, die schnelle Technik als nahezu organische Körpererweiterung. Hier liegt der wunde Punkt des strahlenden Helden zutage. Steve McQueen ist bis heute eine Identifikationsfigur für Generationen von Männern geblieben, da sich seine ebenso fragile wie bedrohte Männlichkeit stets beweisen musste. Ein „King of Cool“ mit Panikattacken. Gibt es eine in ihrer Tragik symptomatischere Geschichte der Hollywood-Ikonen der 1960er- und 1970er-Jahre als die des Terence Steven McQueen? Jeff Renfroes Film erzählt sie gut und spannend. Ein Muss für Fans, interessant aber auch für Freunde anspruchsvoller Dokumentationen oder dieser so eminent einflussreichen Epoche des Hollywoodkinos.

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