Dokumentarfilm | Deutschland 2018 | 83 Minuten

Regie: Malte Blockhaus

Vom Frühjahr 2015 an begleitet der Dokumentarfilm den Bündnis 90/Die Grünen-Politiker Robert Habeck beim Versuch, einer der beiden Spitzenkandidaten seiner Partei für die Bundestagswahl 2017 zu werden. Das impressionistische Porträt, das Habeck von Termin zu Termin begleitet, zeichnet ein sympathisches, fast schon leutseliges Bild des damaligen schleswig-holsteinischen Umweltministers, lässt politische Inhalte oder Diskussionen aber eher außen vor. Das Interesse des Films an atmosphärischen Zwischentönen bietet Habeck überdies eine gern genutzte Bühne für die augenzwinkernde Distanz zum konventionellen Polit-Betrieb. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2018
Produktionsfirma
Blockhaus Filmprod.
Regie
Malte Blockhaus
Buch
Malte Blockhaus
Kamera
Malte Blockhaus
Musik
Sergey Cheremisinov · Oliver Leggewie
Schnitt
Malte Blockhaus
Länge
83 Minuten
Kinostart
30.08.2018
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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Impressionistisches Porträt des Bündnis 90/Die Grünen-Politikers Robert Habeck, das den damaligen schleswig-holsteinischen Umweltminister zwei Jahre lang beim Versuch begleitet, Spitzenkandidat seiner Partei für die Bundestagswahl 2017 zu werden.

Diskussion
Seine starke Politikverdrossenheit führt der Filmemacher Malte Blockhaus, Jahrgang 1984, auf das eher eingeschränkte intellektuelle wie rhetorische Vermögen vieler Politiker zurück. Es gibt allerdings einen Politiker, der ihn nicht langweilt: Robert Habeck, mittlerweile einer von zwei Vorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen. Als Habeck akzeptierte, sich über einen längeren Zeitraum von Blockhaus mit der Kamera durch seinen Arbeitsalltag begleiten zu lassen, war er noch schleswig-holsteinischer Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung sowie stellvertretender Ministerpräsident in Kiel. „Following Habeck“ ist ein Ein-Mann-Projekt, bei dem Blockhaus für Regie, Buch, Kamera, Montage und Produktion verantwortlich zeichnet. Es ist keine „Fly-on-the-Wall“-Dokumentation, sondern Habeck und sein Beobachter duzen sich und sprechen immer wieder vor laufender Kamera miteinander. Insofern ist es legitim, wenn man davon ausgeht, dass der Film auch eine durchaus offene Selbstinszenierung Habecks dokumentiert. An einer Stelle wird Habeck im Fahrstuhl gefilmt und kommentiert: „Niemals auf der Fahrt nach unten filmen lassen!“ Nur, um gleich darauf diesen „Fehler“ zu begehen und dann auch zu kommentieren – mit einem Lausbubengrinsen im Gesicht. Robert Habeck, Jahrgang 1969, ist ein Quereinsteiger in der Politik; erst im Jahr 2002 trat er dem Bündnis 90/Die Grünen bei. Zuvor hatte der promovierte Literaturwissenschaftler und vierfache Vater gemeinsam mit seiner Frau als Schriftsteller und Übersetzer in einer Autorengemeinschaft gearbeitet. Habeck brauchte nur zwei Jahre, bis er es zum Landesvorsitzenden seiner Partei in Schleswig-Holstein gebracht hatte. Wenn Blockhaus’ Film einsetzt, wird Habeck auf Bundesebene gerade in den Parteirat gewählt und beschließt, sich für die Spitzenkandidatur bei der Bundestagswahl 2017 zu bewerben. Habeck kandidiert also aus einer Regierungsverantwortung heraus, was seinem persönlichen Wahlkampf sowohl schadet wie nützt. Gleichzeitig, und hierin liegt ein Reiz von „Following Habeck“, hat er sich eine Distanz zum Politikbetrieb bewahrt. Habeck spielt augenzwinkernd aus einer Meta-Ebene heraus mit den Medien und seinen repräsentativen Pflichten als Minister und Parteivorsitzender, ist andererseits aber durchaus in der Lage, seine politischen Anliegen nachdrücklich und verbindlich zu vertreten. Habeck ist es primär darum zu tun, die Wirkkraft grüner Politik in die Gesellschaft zu verbreitern. Deshalb sucht er den Dialog mit Wählern, Parteifreunden und Medien. Die Politik oder politische Diskussionen stehen ohnehin nicht im Mittelpunkt des Films, sondern Habecks Wahlkampf in eigener Sache. Atemlos geht es von Termin zu Termin, müssen Parteiarbeit und Regierungstätigkeit synchronisiert werden, was beispielsweise auch dazu führt, dass Habeck an einem Parteitag wenige Wochen vor der Urwahl nicht teilnehmen kann, weil in Schleswig-Holstein die Vogelgrippe ausgebrochen ist und er als zuständiger Minister vor Ort sein muss. Blockhaus sammelt Impressionen, zeigt Habeck im Büro, im Taxi, auf Podien, auf dem Wochenmarkt, bei Telefonaten, im Gespräch, aber nie in seinem Privatleben, obschon Habeck mehrfach angibt, genau hier seine Erdung zu haben. Als es einmal eine gemeinsame Lesung von Habeck und seiner Ehefrau Andrea Paluch gibt, ist sie zwar zu hören, aber nur er zu sehen. Am Ende unterliegt Habeck Anfang 2017 bei der Urwahl denkbar knapp gegen Cem Özdemir; er ist kurzzeitig enttäuscht, doch in Schleswig-Holstein läuft bereits der Landtagswahlkampf, der mit einem sehr guten Ergebnis für die Grünen endet. Dann stehen Koalitionsverhandlungen an, keine Atempause. Wenige Wochen später wird Robert Habeck erneut Minister in der ersten Jamaica-Koalition in Schleswig-Holstein. Dass der Film die politischen Inhalte mitunter fast schon ärgerlich wegmontiert oder Redebeiträge zugunsten von Musik ausblendet, um auf diese Weise atmosphärische Zwischentöne zu skizzieren und das „Authentische“ als Kapital des Robert Habeck zu profilieren, kann man durchaus als störend empfinden. Der Regisseur Blockhaus sieht darin eine Stärke: „Diese Zwischentöne aus meiner eigenen Perspektive möchte ich dem Zuschauer anbieten. Vielleicht wird Politik dann wieder interessant.“
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