Drama | USA 2018-2020 | 272 (Staffel 1, 10 Folgen) Minuten

Regie: Sam Esmail

Staffel 1: Eine Frau arbeitet als Therapeutin in einer „Homecoming“ genannten privaten Einrichtung, in der traumatisierte US-Soldaten nach Kriegseinsätzen auf die Wiedereingliederung in die Zivilgesellschaft vorbereitet werden. Drei Jahre später spürt ein Ermittler des Verteidigungsministeriums Gerüchten nach, dass die geistige Genesung der Soldaten vielleicht nicht das einzige Ziel der Einrichtung war. Er kontaktiert dazu die zwischenzeitlich ausgeschiedene Therapeutin. Die zwischen Politthriller und Drama changierende Serie verquickt sehr geschickt zwei Zeitebenen und entwickelt das unselige Ineinander von Kriegsgrauen und wirtschaftlichen Interessen unprätentiös und geradlinig. Staffel 2: Eine Frau erwacht in einem Ruderboot auf einem See, ohne Erinnerung daran, wie sie dorthin gekommen ist und wer sie ist. Die anschließende Suche nach ihrer Identität führt sie in die Therapie-Einrichtung, die hinter dem Homecoming-Programm steht. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
HOMECOMING
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2018-2020
Produktionsfirma
Amazon Studios/Anonymous Content/Esmail Corp./Gimlet/Red Om/Universal Cable/We Here At
Regie
Sam Esmail · Kyle Patrick Alvarez
Buch
Micah Bloomberg · Eli Horowitz · Sam Esmail · Shannon Houston · Eric Simonson
Kamera
Tod Campbell · Jas Shelton
Schnitt
Rosanne Tan · Justin Krohn · Franklin Peterson · Zachary Dehm · Chris Guiral
Darsteller
Julia Roberts (Heidi Bergman) · Bobby Cannavale (Colin Belfast) · Stephan James (Walter Cruz) · Shea Whigham (Thomas Carrasco) · Alex Karpovsky (Craig)
Länge
272 (Staffel 1, 10 Folgen) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Serie

Diskussion

Eine Serie um Julia Roberts, die sich als Therapeutin um traumatisierte Soldaten kümmert - im Namen einer Einrichtung mit höchst dubiosen Zielen.

Lange vor Entdeckung des Internets und sehr lange vor Erfindung der Streaming-Dienste war Julia Roberts der größte weibliche Hollywod-Star. Ihren Ruhm hat sie mit romantischen Komödien begründet. Ihr Gesicht mit dem breiten, wie zum Lachen gemachten Mund strahlte die dazu perfekt passende Offenheit aus. In Thrillern war sie zwar auch immer mal wieder zu sehen, stand in Filmen wie „Der Feind in meinem Bett“ oder „Die Akte“ aber immer auf der Seite der „good guys“; die Rolle der Femme Fatale Catherine Tramell in „Basic Instinct“ lehnte sie bezeichnenderweise ab. Einen integren Eindruck macht Roberts als einfühlsame Therapeutin Heidi Bergman zunächst auch in der leisen Thriller-Serie „Homecoming“.

Der Serientitel bezieht sich auf den Namen, den die „Geist Corporation“ ihrer Einrichtung zur Betreuung traumatisierter Soldaten gegeben hat, in der es entspannt zuzugehen scheint. Während ihr neugieriger Kollege Craig (Alex Carpovsky) in liebevoll ausgestatteten Rollenspiel-Kulissen die Heimkehrern aus Irak und Afghanistan für Bewerbungsgespräche trainiert, hört Bergman ihnen vor allem zu. Ihr Zimmer ziert ein riesiges Aquarium; vom Hof röhrt ein maskottchenhafter Pelikan bis in ihr Büro.

Julia Roberts als Angestellte einer dubiosen Einrichtung

Vor jeder rund halbstündigen Episode erscheint der Schriftzug „Homecoming“ in großen weißen Lettern. Eine solche Einrichtung „Heimkehr“ zu nennen, klingt wie Werbekleister aus der Sprachhölle der Unternehmenskommunikation. Doch man akzeptiert dies als Auswuchs einer typisch US-amerikanischen Public Private Partnership, bei der eine Firma dem Staat gegen eine absurd hohe Vergütung Aufgaben abnimmt. Einige der Soldaten erscheinen trotz des freundlichen Ambientes skeptisch bis paranoid, aber sie sind schließlich auch traumatisiert. Irgendwann merkt man aber, dass die Einrichtung nicht ausschließlich darauf angelegt ist, die beschädigten Seelen wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Bergmans Lieblingspatient ist der schwarze Soldat Walter Cruz (Stephan James), beide fühlen sich zueinander hingezogen. Er vertraut sich ihr ganz an und erzählt traurige wie heitere Anekdoten aus dem Einsatz. Doch ständig nimmt Bergman noch lange nach Dienstschluss telefonische Anweisungen ihres undurchsichtigen Chefs Colin Belfast (Bobby Cannavale) entgegen.

Regisseur Sam Esmail kennt sich mit Verschwörungen bestens aus

Shea Whigham, der als cholerischer Gangster Eli Thompson in der Serie „Boardwalk Empire“ glänzte, begeistert als besessener Aktenwurm Thomas Carrasco: Der Compliance Officer im Verteidigungsministerium spürt drei Jahre nach Bergmans rätselhaftem Ausscheiden einer Beschwerde gegen die „Geist Corporation“ nach. Seine Chefin ist ständig mit dem Stillen ihres Babys beschäftigt und scheint auch sonst wenig Interesse an Carrascos Ermittlungen zu haben. Sie empfiehlt ihm, die Akte zu schließen. Carrasco aber will Bergman einen Besuch abstatten. Sie lebt inzwischen bei ihrer Mutter (Sissy Spacek) in Tampa und kellnert im Hafendiner. Was früher war, hat sie vergessen – oder sie hat etwas zu verbergen.

Carrasco ermittelt im Jahr 2021 Vorfälle, die drei Jahre zurückliegen. Die Serien-Gegenwart wird dabei in einen komprimierten Bildausschnitt gepresst. Was geschah mit Walter Cruz, welche Rolle spielte Bergman? Regisseur Sam Esmail hat zuvor die Hacker-Serie „Mr. Robot“ gedreht; er kennt sich mit Verschwörungen also aus. „Homecoming“ verzichtet auf einen wuchtigen Titelsong. Stattdessen borgt sich der Soundtrack einprägsame Scores aus dem Kanon der Filmgeschichte, von „Der Dialog“ über „Drei Tage des Condor“ bis zu „Die Unbestechlichen“. Trotz der Zeitsprünge erzählt „Homecoming“ geradlinig und unprätentiös. In analogen Zeiten, als Serien noch nicht als Bücherregal-Hochkultur galten, hätte man die Handlung gerafft und einen typischen Verschwörungsthriller daraus gemacht. Jetzt aber schaut man den Figuren beim Reifen zu. Carrasco und Belfast bleiben sich treu, den weitesten Weg beschreitet Heidi Bergman – die sich im Laufe der zehn Folgen immer mehr von einer klassischen Julia-Roberts-Figur einverleibt. „Homecoming“ ist in einer Zeit, die alle halblang eine neue Serien-Revolution ausruft, ein gelungener Gegenentwurf: Man kann eine ordentliche Geschichte eben auch mit wenig Wind erzählen.

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