Geister der Weihnacht - Augsburger Puppenkiste

Animation | Deutschland 2018 | 64 Minuten

Regie: Julian Köberer

Der Weihnachtsklassiker von Charles Dickens um den Geldverleiher Scrooge und dessen Läuterung als Inszenierung der Augsburger Puppenkiste. Die fantasievoll auf klassische Marionettenkunst setzende Verfilmung des Bühnengeschehens berührt durch die in ihrer Künstlichkeit fast gegenständliche Art des Erzählens. Sie verleiht der sich vor Nächstenliebe überschlagenden Botschaft eine bodenständig-simple Wahrhaftigkeit, welche zu einer eigenständigen Auseinandersetzung mit dem Weihnachtsfest anregen kann. - Sehenswert ab 6.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2018
Produktionsfirma
Kiko
Regie
Julian Köberer · Judith Gardner · Martin Stefaniak
Buch
Judith Gardner
Kamera
Lukas Steinbach
Musik
Martin Stefaniak
Schnitt
Sarah Birnbaum
Länge
64 Minuten
Kinostart
01.12.2018
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 6.
Genre
Animation | Familienfilm | Kinderfilm
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Diskussion

Der Weihnachtsklassiker von Charles Dickens um den Geldverleiher Scrooge und dessen Läuterung als fantasievolle, berührende Marionetten-Inszenierung der Augsburger Puppenkiste.

Düster geht es zu im Büro von Mister Scrooge. Hier regieren ausschließlich Geld und Gier und zerfleischen alle, die mit dem alten Mann ins Geschäft kommen. Scrooge verleiht Geld zu horrenden Zinsen; seinen Buchhalter Cratchit speist er mit wenigen Pennys ab und schlägt auch sonst mit Bitterkeit um sich. Entsprechend düster ist das Bühnenbild, in dem die Augsburger Puppenkiste die Figuren aus Charles Dickens’ „Eine Weihnachtsgeschichte“ (1843) als Marionetten im doppelten Sinn auftreten lässt – an den unsichtbaren Fäden von Geiz und Not zappelnd. Verliesartig ist auch der Raum, gedämpft das Licht; die Stimme von Mister Scrooge klingt hart und dunkel.

Anders als das Kinostück „Augsburger Puppenkiste: Als der Weihnachtsmann vom Himmel fiel“, mit dem das Puppentheater vor einem Jahr ins Kino kam, startet „Geister der Weihnacht“ mit typisch filmischer „Stimmungsmache“. Licht und Schatten, Kameraeinstellungen und Kadrierung, Musik und Ton zeichnen einen Grusel auf die Leinwand, der sich von der Statik des abgefilmten Theaters weit entfernt. Hier begleitet einen kein erwartungsfrohes Publikum in den Theatersaal hinein und am Schluss wieder hinaus. Die Zeichentrickbilder in Schwarz und Weiß tragen die ikonische Puppenkiste direkt ins fiktionalisierte Dickens-London Mitte des 19. Jahrhunderts, wo Geldverleiher wie Scrooge Elend und Hunger der Menschen zu ihren Gunsten ausnutzen.

Die Uraufführung des Stücks findet in diesem Jahr als Film im Film statt. Die Theaterpremiere im Stammhaus in Augsburg folgt erstmalig erst nach der Kinoauswertung an Weihnachten 2019.

Die Inszenierung bleibt dem charakteristischen Puppen-Look treu

Dem charakteristischen Look der Puppenkiste bleibt die Inszenierung trotz ihres Mehrs an spezifisch filmsprachlichen Mittel aber treu. So besuchen die expressive Holzmarionette des Mister Scrooge im Lauf der Weihnachtsnacht drei Geister, die fantasievoll durch klassische Bühnentricks zum Leben erweckt werden und den Läuterungsprozess des kaltherzigen Mannes einleiten. Zwischen Traum und Wirklichkeit führt Scrooge eine nächtliche Reise durch Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die heller werdende Beleuchtung vertreibt schrittweise die Schatten der Nacht und aus seinem Herzen. Nach und nach erstrahlen auch das Büro von Scrooge und die Mienen der Puppen in einem freundlicheren Licht. Parallel vollbringt das Weihnachtsfest in der Handlung sein Wunderwerk.

Obwohl in der Lichtführung und Erzählweise recht konventionell und in der sich vor Nächstenliebe überschlagenden Botschaft universell, lässt sich diese Adaption durchaus nicht als seicht abtun. Grusel und Übernatürliches pfeffern den Plot, nicht um des Schreckens willens, sondern um über den sicheren und deshalb wohligen Schauer der Fiktion Kinder zu aktivieren, ihre Komfortzone ein paar Millimeter zu verlassen, und um sie zu Emotionen und eigenen Gedanken anzuregen, jenseits von multimedialer Überwältigung. Während die offensichtliche Künstlichkeit von Marionetten und Kulisse stets daran erinnern, dass alles „Theater“ ist, erschaffen sie dennoch – im Gegensatz zu digital animierten Fantasiewelten – eine gegenständliche, anfassbare Welt des Vielleicht-Möglichen.

Obgleich deutlich mehr Bühnen- als Kinokunst, bietet „Geister der Weihnacht“ Kindern und ihren Familien nicht nur Weihnachtsstimmung, sondern einen Anlass, sich über den Zauber der Fiktion mit überkonfessionellen Werten und der Bedeutung des Weihnachtsfestes auseinanderzusetzen. Nach dem Abschied aus dem Fernsehprogramm dient das Kino der Augsburger Puppenkiste inzwischen als Plattform, um weiterhin ein breites Publikum mit ihren zeitlosen Inszenierungen zu erreichen. „Geister der Weihnacht“ ist nach cineastischem Verständnis zwar kein Film, doch hier wird eine andere Art des Erzählens und Sehens erfahrbar, die über den audiovisuellen Mainstream hinausreicht.

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