Der Preis der Versuchung

Drama | Frankreich 2018 | 109 Minuten

Regie: Emmanuel Mouret

Eine verwitwete Dame muss erkennen, dass ihr Liebhaber das Interesse an ihr verloren hat, und will ihn für seine Untreue bestrafen. Sie zettelt eine Liaison zwischen dem Marquis und einer jüngeren Frau an, mit der dieser sich kompromittiert, da die Schöne eine Prostituierte ist. Der leichtfüßig als Rokoko-Kostümdrama inszenierte Film greift mit geschliffenen Dialogen eine Episode aus dem Roman „Jacques der Fatalist und sein Herr“ von Denis Diderot auf, in der es um die ungewöhnliche Rache einer Adligen an einem untreuen Liebhaber geht. Das kritische Zeitbild des 18. Jahrhunderts wird dabei nur angedeutet; die Lust an dem von zwei glänzenden Hauptdarstellern getragenen Intrigenspiel steht im Vordergrund. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
MADEMOISELLE DE JONCQUIÈRES
Produktionsland
Frankreich
Produktionsjahr
2018
Produktionsfirma
Moby Dick/Arte France Cinéma/Reborn
Regie
Emmanuel Mouret
Buch
Emmanuel Mouret
Kamera
Laurent Desmet
Schnitt
Martial Salomon
Darsteller
Cécile de France (Madame de La Pommeraye) · Edouard Baer (Marquis des Arcis) · Alice Isaaz (Mademoiselle de Joncquières) · Natalia Dontcheva (Madame de Joncquières) · Laure Calamy (Lucienne)
Länge
109 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama | Literaturverfilmung
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Diskussion

Die Adaption einer schon mehrfach verfilmten Episode aus Denis Diderots Roman „Jacques der Fatalist und sein Herr“ als leichtfüßiges Kostümdrama mit geschliffenen Dialogen und zwei glänzenden Hauptdarstellern.

Mit schmachtenden Herzen braucht Madame de La Pommeraye niemand zu kommen. Im frühen Witwenstand ist die gewitzte Rokoko-Adlige gar nicht unglücklich. Finanzielle Unabhängigkeit erlaubt ihr, das Leben als Frau des 18. Jahrhunderts zu genießen und Bittsteller in Liebesangelegenheiten galant in die Schranken zu verweisen, selbst wenn sie so hartnäckig werben wie der Marquis des Arcis. Wenn auch dieser wortgewandte Mann mit seinem liebesbedingten Herzleiden kokettiert, kann sie sich ein Sticheln allerdings nicht verkneifen: „Wo versteckt sich dieses Herz? Es ist so voller Geist, dass man es leicht verfehlen könnte.“ Doch schätzt sie zugleich die Gespräche mit dem Marquis viel zu sehr, um ihn dauerhaft abzuweisen. Bald verbringen sie auch im Schlafzimmer gemeinsame Stunden, und alles könnte gut sein, würde der Marquis nicht in alte Muster zurückfallen: Ist er erst einmal der Liebhaber einer Frau, beginnt sein Interesse stetig nachzulassen. Mit Treulosigkeit ist er bei einer Madame de La Pommeraye allerdings erst recht an der falschen Adresse.

„Merkwürdiges Beispiel einer weiblichen Rache“

Die Pommeraye-Episode gehört zu den berühmtesten Stellen aus dem Roman „Jacques der Fatalist und sein Herr“ des französischen Philosophen Denis Diderot (1713-1784). Noch vor der posthumen Erstveröffentlichung in Frankreich 1796 übersetzte und publizierte Friedrich Schiller die Erzählung 1785 unter dem Titel „Merkwürdiges Beispiel einer weiblichen Rache“; zu ihren zahllosen künstlerischen Bearbeitungen zählen auch mehrere Verfilmungen, deren hervorstechendste Robert Bressons Die Damen vom Bois de Boulogne (1945) ist. Im Gegensatz zu Bresson und anderen Verfilmern, die den Stoff frei bearbeiteten und in die Gegenwart holten, belässt ihn Emmanuel Mouret bei „Der Preis der Versuchung“ in seiner Entstehungszeit. Es ist zugleich der erste Historienfilm des französischen Regisseurs und sein erster nach einer fremden Vorlage, doch fügt sich sein 9. Spielfilm nahtlos in sein bisheriges Oeuvre ein: Wie in seinen in der heutigen Zeit verankerten Liebeskomödien wie Küss mich bitte! oder Caprice fließen die Dialoge elegant dahin, kreisen die geistreichen Gespräche beständig um das Wesen der Liebe in all ihren Schattierungen und stehen sich die Figuren mit unklugen Entscheidungen selbst im Weg.

Mourets leichtfüßige Inszenierung führt auch dazu, dass sein Film weit heiterer daherkommt als etwa die zahlreichen Adaptionen des Briefromans „Gefährliche Liebschaften“ von Diderots Zeitgenossen Choderlos de Laclos. Dabei gibt es inhaltlich viele Gemeinsamkeiten: Hier wie dort stehen Adlige im Mittelpunkt, die aus gekränkter Eitelkeit ein Intrigenspiel in Gang setzen und sich dafür nichtsahnender anderer Menschen bedienen. Im Falle von Madame de La Pommeraye sind dies eine entfernte Bekannte und deren Tochter, denen nach dem Verlust ihres Vermögens nur ein Dasein als Prostituierte übrig blieb: Madame und Mademoiselle de Joncquières werden aus ihrem Elend geholt und dem Marquis als Köder vorgeworfen. Wie durch Zufall macht dieser die Bekanntschaft einer verarmten, aber scheinbar ehrbaren Frau und ihrer frommen und keuschen Tochter – ein Bild von sich zierender Unschuld, dem er, wie geplant, erliegt. Hat die junge Frau seinem Werben endlich nachgegeben, will seine Geliebte ihm die Wahrheit enthüllen und ihn zum Gespött der Gesellschaft machen.

Manipulative Kniffe und kluge Wort-Duelle

„Der Preis der Versuchung“ konzentriert sich auf die manipulativen Kniffe und die klugen Dialogpassagen zwischen den beiden Kontrahenten. Mit Cécile de France und Edouard Baer hat Mouret zwei glänzende Hauptdarsteller zur Verfügung, denen die Verse mit großer Geschmeidigkeit über die Lippen gehen und die dennoch nie ins Manierierte verfallen, sondern ihre bodenständige Ausstrahlung behalten. Die junge Frau im Zentrum ihres verbalen Gefechts kann damit nicht mithalten und bleibt ein passiver Spielball der gewandteren Figuren (was allerdings schon bei Diderot angelegt war).

Vor allem an der Figur von Mademoiselle de Jonquières zeigen sich aber auch die Grenzen von Mourets historischem Zugang: Während ihm der schwelgerische Anteil mit prachtvollen Kostümen, Parks und Innenräumen sowie geschliffenen Dialogen offensichtlich naheliegt, bleiben die negativen Aspekte des Daseins im 18. Jahrhundert eher behauptet. Wirklich einlassen auf Elend, Schmutz und Laster mag Mouret sich nicht. Trotzdem beschränkt sich seine Diderot-Adaption und -Fortschreibung nicht auf eine einfache Abbildung der Vorlage und der darin verhandelten aufklärerischen Dispute, sondern knüpft durchaus Fäden auch zu späteren Entwicklungen: So ist Madame de La Pommeraye bei Mouret eine emanzipierte Frau avant la lettre, die ihre Rache explizit auch als Aufbegehren ihres Geschlechts versteht. Bei dem Marquis hingegen löst sich angesichts der unerwarteten Schwierigkeiten die selbstzufriedene Männlichkeit zusehends auf: Als Rokoko-Ausgabe eines Stadtneurotikers klagt er schließlich nicht weniger über seine unerfüllten Wünsche als die Protagonisten in Mourets Gegenwartsfilmen.

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