Im Land meiner Kinder

Dokumentarfilm | Deutschland/Schweiz 2018 | 92 (TV: 52) Minuten

Regie: Dario Aguirre

Der ecuadorianische Künstler Darío Aguirre filmt sich selbst beim Versuch, nach 15 Jahren in Deutschland die Staatsbürgerschaft zu erhalten, was sich als langwierige, von vielen bürokratischen Hürden umstellte Angelegenheit entpuppt. In den ironisch-selbstreflexiven Beobachtungen geht es um die Perspektive des „Dazwischen“, mit der die vielbeschworene Integration kritisch-produktiv befragt wird. Ein mit durchgängiger Leichtigkeit inszenierter Film, dessen Bilder immer wieder Anlass zu emphatischer Heiterkeit geben. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
IM LAND MEINER KINDER
Produktionsland
Deutschland/Schweiz
Produktionsjahr
2018
Produktionsfirma
Büchner Filmprod./NDR - Norddeutscher Rundfunk/Reck Filmprod.
Regie
Dario Aguirre
Buch
Dario Aguirre
Kamera
Helena Wittmann
Schnitt
Dario Aguirre
Länge
92 (TV: 52) Minuten
Kinostart
04.04.2019
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Ironisch-selbstreflexiver Dokumentarfilm, in dem der ecuadorianische Künstler Darío Aguirre sich selbst beim Versuch filmt, nach 15 Jahren in Deutschland die Staatsbürgerschaft zu erhalten.

Diskussion

Als die Austauschschülerin Stephanie in Ecuador Probleme mit ihren Gasteltern bekommt, trifft sie in einem Café den jungen Künstler Darío Aguirre, der sie hilfsbereit in seiner eigenen Familie unterbringt. Als Stephanie nach einem Jahr nach Deutschland zurückkehrt, geht Darío kurzerhand mit. 15 Jahre, vier Pässe und zehn Visa später sucht die Hansestadt Hamburg dringend Neubürger. Bürgermeister Olaf Scholz verspricht Ausländern mit einem stabilen Aufenthaltsrecht mit einem „einfachen Verfahren“ ihre Einbürgerung. Aguirre ist bereit, diesem Liebeswerben nachzugeben.

Beim ersten Gespräch wird er von der Sachbearbeiterin gefragt, ob er sich entschieden habe, „deutsch“ zu werden. Das ist das entscheidende Stichwort für die folgende Selbstbefragung: Wer war ich? Wer bin ich? Was habe ich noch von dem, der ich einmal war? Was ist verloren gegangen, was ist hinzugekommen? Und wie kann man eigentlich „deutsch“ werden? Indem man die teilweise absurden Fragen des Einbürgerungstests korrekt beantworten kann? Indem man ordentlich den Müll trennt? Was, wenn die Schwiegermutter Recht hätte mit ihrer Beobachtung, dass Aguirres Haut in Hamburg heller geworden sei?

Integration ist Anpassung

Darío befragt nicht nur sich selbst, sondern auch seine Umgebung und erinnert sich in ein paar animierten Szenen an das Unbehagen, dass sein Auftreten einst bei seinen Schwiegereltern in der ostdeutschen Provinz auslöste, und an die Vielzahl der Regeln, die es im Land der Freiheit zu lernen galt. Ist Stephanie noch so deutsch wie früher, nachdem sie schon lange mit einem Lateinamerikaner zusammenlebt? Sie selbst empfindet sich nicht als sonderlich deutsch, was sich allerdings ändert, wenn sie in Ecuador ist.

Höhepunkt der Reflexion ist ein langes Gespräch mit der einstigen Studienkollegin Mariuxi, die es ebenfalls von Ecuador nach Deutschland verschlagen hat. Mariuxi hatte einst gesagt: „Integration ist Anpassung.“ Sie macht mit schönen Beispielen anschaulich, welch komplexer Prozess von Beharren und Zurichtung sich hinter dem Wort „Integration“ verbirgt. Schockiert sei sie gewesen, als Darío ihr einmal gestanden habe, dass er keine lateinamerikanische Musik mehr höre.

„Im Land meiner Kinder“ überrascht mit vielen feinen Beobachtungen, die die gerne beschworene Integration einmal aus einer anderen, sehr produktiven Perspektive des „Dazwischen“ und des Staunens in den Blick nimmt. Zudem zeichnet sich der Film durch eine durchgängige Leichtigkeit aus, die mit einer empathischen Heiterkeit Bilder findet, wenn beispielweise geschildert wird, dass das von Olaf Scholz beschworene „einfache Verfahren“ sich zu einem bürokratischen Hindernislauf nebst Papierkrieg entwickelt. Wenn Darío davon spricht, dass seine Einbürgerung gleich zwei Familien komplett erfasse, ist das noch sehr nachsichtig formuliert.

In Hamburg sagt man „Tschüss“

Am Ende erhält Darío die deutsche Staatsbürgerschaft. Es gibt einen feierlichen Akt im Hamburger Rathaus mit einer Ansprache des Bürgermeisters Olaf Scholz, bei dem ein Chor den frisch Eingebürgerten „In Hamburg sagt man ,Tschüss‘“ entgegenschmettert. Und beim Schwiegervater lernt Darío, wie man den Buchsbaum in eine ordentliche Kugelform bringt. Aber als Aguirres Vater seinen Sohn in seiner neuen Heimat besuchen will, meldet sich erneut die Ausländerbehörde. Und da Darío nun zwar ein deutscher, aber keineswegs wohlhabender Künstler ist, muss Stephanie der Behörde erneut ihre Einkommensverhältnisse kommunizieren, damit Daríos Vater ein Visum erhält.

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