Drama | Iran 2017 | 118 Minuten

Regie: Mohammad Rasoulof

Ein Fischzüchter in der iranischen Provinz will sich den Erpressermethoden eines örtlichen Kartells nicht beugen und gerät immer mehr unter Druck. Als er schließlich einsehen muss, dass er dem übermächtigen Netzwerk seiner Gegner auf legalem Weg nicht beikommt, lässt er sich ebenfalls auf die Untiefen des Systems ein. Protokollarischer Thriller mit unverblümter Kritik an der autoritären Gesellschaft im Iran, an Korruption und der staatlich forcierten Ausgrenzung von Minderheiten. Das bittere Fazit des Films trifft auch die Hauptfigur, die sich in einem Teufelskreis zwischen Rechtschaffenheit, Rechthaberei und Rache verrennt und darüber ihre Ideale aufgibt. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
LERD
Produktionsland
Iran
Produktionsjahr
2017
Produktionsfirma
Europe Media Nest
Regie
Mohammad Rasoulof
Buch
Mohammad Rasoulof
Kamera
Ashkan Ashkani
Musik
Peyman Yazdanian
Schnitt
Mohammad Reza Mouyini · Meysam Muini
Darsteller
Reza Akhlaghirad (Reza) · Soudabeh Beizaee (Hadis) · Nasim Adabi (Zibas Mutter) · Zeinab Shabani (Tara) · Missagh Zareh (Abbas)
Länge
118 Minuten
Kinostart
02.05.2019
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Thriller
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Protokollarischer Thriller von Mohammad Rasoulof, der über die Geschichte eines rechtschaffenen Fischzüchters im ausweglosen Kampf gegen ein Kartell unverblümt Kritik an der autoritären Gesellschaft im Iran übt.

Diskussion

Für Reza gibt es keinen Ausweg aus der geschlossenen Gesellschaft, nicht mal ins innere Exil. Der ehemalige Lehrer hat sich nach einem Konflikt mit den Behörden als Fischfarmer in den Norden des Irans zurückgezogen. Doch auch dort blühen Korruption und Willkür, örtliche Oligarchen arbeiten Hand in Hand mit den Richtern und der Polizei. Mit seiner unverblümten Beschreibung der autoritären Gesellschaft im Iran sorgte Regisseur Mohammad Rasoulof beim Filmfestival in Cannes für Aufsehen.

Aus dem hektischen Teheran in die Provinz gezogen, baut sich Reza eine neue Existenz als Goldfischzüchter auf. Goldfische werden im Iran massenhaft zum Neujahrsfest verschenkt, als Zeichen der Lebensfreude. Die jedoch ist Reza bereits abhandengekommen. Statt Ruhe für sich, seine Frau Hadis und den Sohn Sahand zu finden, steht er unter Druck, weil er sich weigert, Bestechungsgelder an die Firma zu zahlen, die in der Region die Geschäfte kontrolliert. Statt Abbas, dem Statthalter der ominösen Firma, seinen Obolus zu entrichten, verlässt er sich auf Polizei und Justiz. Die jedoch machen gemeinsame Sache mit dem skrupellosen Provinzmogul und drängen den Kleinunternehmer zur Aufgabe und zum Verkauf seines Landes – zunächst mit fingierten Anklagen, dann mit der Unterbrechung der Wasserzufuhr für die Fischteiche, mit der Drohung, den Sohn von der Schule zu verweisen, und schließlich mit der Vergiftung der Fische.

Erpresser und Erpresste

„Hier wirst du entweder zum Erpresser oder zum Erpressten“, fasst Hadis’ Bruder die ausweglose Lage lakonisch zusammen und bittet seinen Schwager, nicht weiterhin starrköpfig auf seinem Recht zu beharren. Schließlich sei es am Ende einfacher und auch billiger, sich mit dem erforderlichen Schmiergeld freizukaufen. Zum Mitmachen ist es allerdings für Reza schon zu spät: mit dem Beharren auf einem rechtsstaatlichen Prozedere hat er sich den Hass der Provinzfürsten auf sich gezogen. Bleibt nur noch die gelegentliche Flucht in den Rausch des selbstgemachten Wassermelonenschnapses und die Vorbereitung eines ausgeklügelten Racheplans. Am Ende steht er unvermittelter Dinge selbst an der Spitze der korrupten Gesellschaftspyramide, aber auch das, so sehen es die ungeschriebenen Selbstreinigungsgesetze korrupter Gesellschaften vor, nicht auf ewig. Mit der Gratulation zur neuen Position ist bereits eine Drohung verbunden – in Anspielung auf den unnatürlichen Tod seines Vorgängers fragt man sich in der Bevölkerung mit mahnendem Unterton, „wer wohl der nächste“ sein wird.

„A Man of Integrity“ gewann in Cannes den Hauptpreis in der Sektion „Un certain régard“. Regisseur Rasoulof wurde 2010 gemeinsam mit Jafar Panahi – die beiden arbeiteten an diversen Filmprojekten zusammen – während der Dreharbeiten über Proteste nach den iranischen Präsidentschaftswahlen verhaftet und zunächst zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Nach dem Gang vor die zweite Instanz blieb eine einjährige Gefängnisstrafe wegen regierungsfeindlicher Propaganda übrig, die zur Zeit gegen eine Bürgschaft ausgesetzt ist, aber als Damoklesschwert über Rasoulofs Karriere hängt. Die sechs Filme, die er bisher produziert hat, liefen erfolgreich auf internationalen Filmfestivals, keiner aber im Iran selber.

Die Metapher für das totalitäre System ist eindeutig

Auch der vollkommen unabhängig gedrehte „A Man of Integrity” dürfte kaum durch die Zensur kommen. Das korrupte Kartell, das hier in Form eines protokollarischen Thrillers porträtiert wird, könnte so zwar auch in anderen Ländern existieren. Die Metapher für das totalitäre System jedoch ist eindeutig, in einer Nebenhandlung etwa wird die staatlich forcierte Ausgrenzung nicht-muslimischer Minderheiten konsequent kritisiert. Dennoch ist „The Man of Integrity“ mehr als ein Politdrama, und schon gar nicht platt: mit seiner Sturheit verrennt sich Reza im Teufelskreis zwischen Rechtschaffenheit, Rechthaberei und Rache. Dadurch wird er am Ende vom Außenseiter selbst zum Teil des Systems, aber auch dies wider Willen. Seine Herzenswärme hat er da schon verloren, genauso wie seine Familie und seine Freiheit.

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