Drama | Brasilien/Deutschland/Israel 2018 | 92 Minuten

Regie: Jorge Gurvich

Ein gutherziger Fußballfan reist 2014 mit seinem herzkranken Vater und seinem elfjährigen Sohn von Tel Aviv zur WM nach Brasilien, in das Heimatland seiner Eltern. Da alle Hotels längst ausgebucht sind, entwickelt sich der spontane Trip zu einem tragikomischen Wohnmobil-Road-Movie über Familie, Freundschaft, Identität, geplatzte Träume und neue Hoffnungen. Der ruhig erzählte Film setzt auf empathische Darsteller und beschauliche Bilder von Brasilien, präsentiert sich insgesamt aber zu lau und vorhersehbar, um nachhaltig in Erinnerung zu bleiben. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
BACK TO MARACAÑA
Produktionsland
Brasilien/Deutschland/Israel
Produktionsjahr
2018
Produktionsfirma
Tv Zero/Ostlicht Filmprod./United King Films/GREEN Prod.
Regie
Jorge Gurvich
Buch
Jorge Gurvich · Hagai Lipschitz
Kamera
Amnon Zalait
Schnitt
Yosef Grunfeld
Darsteller
Asaf Goldstien (Roberto) · Antônio Petrin (Samuel) · Rom Barnea (Itay) · Hadas Kalderon (Tali) · Ole Erdmann (Thomas)
Länge
92 Minuten
Kinostart
18.07.2019
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama
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Tragikomisches Road Movie über einen gutmütigen Fußballfan, der während der WM 2014 in Brasilien mit dem Campingbus von Stadion zu Stadion fährt und auf der Sieg der brasilianischen Mannschaft hofft.

Diskussion

Am 16. Juli 1950 verlor Brasilien im Maracanã-Stadion in Rio de Janeiro das entscheidende Spiel um die Fußballweltmeisterschaft gegen Uruguay mit 1:2. Ein Unentschieden hätte der favorisierten und von 200.000 Zuschauern frenetisch angefeuerten brasilianischen Nationalmannschaft zum Titel gereicht. Als dann aber Alcides Ghiggia in der 79. Minute das zweite Tor für Uruguay erzielte, wurde es im tosenden Stadion schlagartig still. Von diesem Schock sollte sich die brasilianische Fußballnation trotz der vielen Erfolge in den nächsten Jahrzehnten nie mehr ganz erholen. In Südamerika gibt es dafür ein Wort: „Maracanaço“.

64 Jahre später, im Juli 2014, hofften die brasilianischen Fußballfans dieses Trauma bei der WM im eigenen Lande durch einen Finalsieg im renovierten Maracanã-Stadion endlich überwinden zu können. Doch Brasilien scheiterten im Stadion Mineirão in Belo Horizonte mit 1:7 im Halbfinale so spektakulär gegen die deutsche Nationalmannschaft, dass seitdem auch das Wort vom „Mineiraço“ die Runde macht und „Gol da Alemanha“ als Redewendung für alle erdenklichen Missgeschicke herhalten muss.

Ein Zeichen gegen Fanatismus

Vor dem Hintergrund dieser beiden großen Enttäuschungen der brasilianischen Fußballhistorie entfaltet Regisseur Jorge Gurvich ein drei Generationen umspannendes Vater-Sohn-Road-Movie. Dass diese einfühlsame Geschichte „Back to Maracanã“ von einem gebürtigen Argentinier erzählt wird, ist angesichts der oft erbitterten Rivalität zwischen Brasilien und Argentinien auch ein Zeichen gegen nationalen Fanatismus. Und es entspricht dem Konzept eines Filmes, in dem deutlich wird, dass Fußball beileibe nicht das Wichtigste im Leben ist, egal wie sehr man ihn liebt.

Gurvich, der aus einem jüdischen Elternhaus stammt und 1978 als junger Mann von Argentinien nach Israel auswanderte, liebt diesen Sport. So sehr, dass er seine Söhne nach eigenem Bekunden darum bat, ihn auch nach seinem Tod stets darüber auf dem Laufenden zu halten, wie sich Argentinien bei der WM jeweils schlägt. Ihre Reaktionen auf diese Bitte gaben dann den Anstoß für einen Film, in dem das Fußballspiel selbst kaum noch eine Rolle spielt.

Im Mittelpunkt der drei Generationen steht Roberto, ein charmanter Loser, der zwar ein famoser Koch ist und voller faszinierender Ideen für Projekte steckt, die er jedoch regelmäßig in den Sand setzt. So zieht er mit Anfang 40 beruflich gescheitert und verschuldet auf die Couch der Zwei-Zimmer-Wohnung seines Vaters Samuel in Tel Aviv. Während Samuel und Roberto ihre Leidenschaft für Fußball teilen, hat Robertos elfjähriger Sohn Itay mit Fußball nichts am Hut. Deshalb liefert Robertos Ex-Frau Tali den Jungen auch bei Roberto ab, als sie mit ihrem deutschen Chef und Liebhaber Thomas zur Fußball-WM nach Brasilien fliegen will.

Das hat sich allerdings auch Samuel in den Kopf gesetzt. Seine ganzen Ersparnisse investiert er dafür, gemeinsam mit Sohn und Enkelsohn zu erleben, wie Brasilien endlich doch noch im Maracanã-Stadion Weltmeister wird. Da lässt er sich auch von einer lebenswichtigen Herz-Operation nicht aufhalten.

Unterwegs auf Campingplätzen

Auf diese Weise verlagert sich das Filmgeschehen bald nach Brasilien, wo Roberto, Samuel und Itay vergeblich versuchen, ein freies Hotelzimmer zu finden. Stattdessen müssen sie in einem klapprigen VW-Bus von Spielort zu Spielort tingeln, sich für horrende Schwarzmarktpreise erstandene Tickets aus den Händen reißen lassen, vor verschlossenen Stadiontüren stehen und sich schließlich dadurch über Wasser halten, dass sie auf einem Campingplatz für internationale Fans brasilianisches Essen grillen. Den Begegnungen mit den Deutschen haftet dabei stets etwas Beklemmendes an, ohne dass auf die jüdische Familiengeschichte näher eingegangen wird. Im Hintergrund des fußballerischen Traumas, das Vater und Großvater zu überwinden versuchen, schwingt unausgesprochen auch die historische Erfahrung des Holocaust mit.

Das eigentliche Drama entfaltet sich in „Back to Maracana“ jedoch zwischen Vätern und Söhnen. Samuel begegnet nach vielen Jahren seiner Schwester wieder und erfährt dabei eine schmerzliche Wahrheit über seinen eigenen Vater, die ihm vor Augen führt, dass man manchmal, um einen Traum zu erfüllen, einen anderen loslassen muss.

Es sind nettschöne Bilder wie aus einem Brasilienfotoband, in die Gurvich die Tragikomödie taucht. Ihre stärksten Momente hat der Film, wenn der Großvater und seine gänzlich im Off angesiedelte Kindheit in den narrativen Fokus rücken. Dagegen scheint der Plot um Roberto und Samuel etwas zu betulich inszeniert. Die Sympathien zwischen Thomas und Roberto sind zu eindeutig verteilt, als dass Asaf Goldstien in der Rolle des charmanten Taugenichts wirklich reüssieren könnte. Das Drehbuch macht es dem charismatischen Darsteller dafür schlichtweg zu einfach.

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