Komödie | Deutschland 1993 | 89 Minuten

Regie: Jens Becker

Ein Kaufhausdetektiv ertappt an seinem neuen Arbeitsplatz am Berliner Alexanderplatz eine junge Ladendiebin, verliebt sich in sie, stellt ihr nach und erobert sie, indem er ein gesundes Maß an Widerstands- und Tatkraft entwickelt. Eine aufmerksam beobachtende, lakonisch erzählte Satire um Verführung und Verführbarkeit, Existenzängste und -zwänge. Die bisweilen arg behäbige Erzählweise hat durchaus Methode und dient der ebenso kritischen wie verständnisvollen Beschreibung der Hauptfigur. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
1993
Produktionsfirma
Senso
Regie
Jens Becker
Buch
Jens Becker
Kamera
Aicke Fricke · Jörg Petzold
Musik
Rainer Böhm
Schnitt
Ines Bluhm
Darsteller
Steffen Schult (Horst Adamski) · Nadja Engel (Lili) · Axel Werner (Wolf) · Petra-Maria Cammin (Erika) · Deborah Kaufmann (Fräulein Ziglinski)
Länge
89 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Komödie
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Diskussion
Adamski ist klein und eher unscheinbar, und auch in neuer Kleidung wirkt er stets etwas zerknittert, so als gehöre er nie dahin, wo er sich gerade aufhält. Auf den ersten Blick mag man ihn für einen schüchternen "großen Jungen" halten, der manchmal auch überraschend verschmitzt sein kann; doch da ist eine gewisse Traurigkeit und Verlorenheit in seinem Blick, die in tiefere Schichten seines Wesens lenkt. Daß er zu Zeiten der DDR Trompeter im Blasorchester der Volkspolizei war, offenbart er erst viel später und eher nebenei - und dann auch, daß er lange Jahre als Gefängnisaufseher im volkseigenen Strafvollzug arbeitete. Jetzt beginnt er einen neuen Job: als Detektiv in einem großen Berliner Kaufhaus am Alexanderplatz soll Adamski eine Art modernen Sheriff darstellen, der die Menschen dabei ertappt, wie sie den Verführungen des großen Konsumtempels erliegen. Schon bald beobachtet er eine Diebin; aber die junge und hübsche Lili paßt mit ihren ebenso raffiniert wie beiläufig angewandten Diebstahlmethoden so gar nicht ins Klischee. Adamski hält sich zurück, beobachtet und dokumentiert schließlich alles mit einer Videokamera. Und je länger er Lili beobachtet, desto mehr empfindet er für sie.

Bis hierhin ist "Adamski" vornehmlich eine wortkarge, aufmerksam beobachtende Alltagssatire, die mit stillem Humor, aber auch einer gewissen Ernüchterung ein Stück deutscher Wirklichkeit an der Naht von Ost und West einfängt. Da gibt es einerseits die "Überlebenskünstler", die sich teils bewußt, teils gedankenlos im Leben eingerichtet haben: Lili läßt sich aus naiv-falsch verstandener Liebe von ihrem weit älteren Geliebten Wolf, der auf Bewährung in Freiheit ist, auf den "Konsum-Strich" schicken. Dort stiehlt sie für ihn das zusammen, was er auf einem illegalen Marktstand verhökert, was fast noch einen Hauch von "Robin-Hood-Romantizismus" hat, mit dem hier die Gesetze des Kapitalismus unterwandert werden. Dem entgegen steht der eher deprimierende Blick hinter die Kulissen des Warenhauses. Da offenbaren sich Existenzwänge und -ängste ebenso wie eiskalter Kamerismus: Adamskis gestriegelter Chef gefällt sich in auswendig gelernten Sprüchen ("Eins der gefährlichsten Geräusche ist laut zu denken") und drängt "seine" Detektive zu Erfolgsnachweisen, woraufhin diese auch schon mal einer alten Frau etwas in die Tasche stecken, um einerseits die Fangquote zu erhöhen und andererseits die Prämie einzukassieren, die der "Täter" bezahlen muß, damit die Polizei aus dem Spiel bleibt. Adamski grollt stillschweigend, ohne sich zu wehren, sondert sich von den Kollegen ab, wodurch er zugleich zum angefeindeten Außenseiter wird. Bewegung in diesen fatalen Hang zur Anpassung an die Verhältnisse kommt ausgerechnet durch die Liebe: indem Adamski plötzlich etwas für die schöne Diebin empfindet, entwickelt er ein gesundes Maß an Aufsässigkeit und Widerstandskraft. Daß er Lili dabei anfänglich wie ein perverser Video-Spanner auf die Pelle rückt und ihr des Nachts vor ihrer Wohnung in einem heruntergekommenen Haus in Berlin-Mitte auflauert, ist eine weitere doppelbödige Facette der Geschichte: denn in der Tat haben Adamskis Annäherungsversuche etwas Tragisch-Plumpes an sich, sind Ausdruck eines traurigen, wohl in seinem bisherigen Dasein schleichend gewachsenen Unvermögens, anderen Menschen offener und direkter gegenüherzutreten. Wenn er schließlich erstmals mil Lilli spricht, dann tut er dies durch den Briefschlitz ihrer Wohnungstür - eine durch den Dialog witzige Szene, zugleich aber auch ein ausgesprochen behutsamer, fast zärtlicher Augenblick, der sich in solcher Intensität nicht mehr wiederholen wird.

Solche Doppelbödigkeil schimmert immer wieder auf und macht den eigentlicher Reiz des Films aus, der bisweilen arg behäbig daherkommt, aber gerade in solch gebremstem Erzählfluß Methode erkennen läßt. Denn die Lakonie, mit der Jens Becker Milieu und Personen einfängt, erlaubt es ihm, immer wieder aus der Geschichte "herauszutreten", um sich neben seine Protagonisten zu stellen und sie bei aller Zuneigung auch kritisch-wach und distanziert zu beobachten. Dabei erhält vor allem die Gestalt Adamskis eindrucksvolles Profil mit allen dazugehörigen Kanten und Widersprüchlichkeiten, was ihn zu einer ambivalenten und dadurch glaubwürdigen Persönlichkeit macht: Adamski kämpft für seine neue Liebe, wobei er selbst zum subversiv tätigen "Kaufhaus-Robin-Hood" wird, der mit einem Trick seinen Liebesrivalen Wolf aussticht und ins "Exil" zwingt. Seinen Sieg feiert er mit dem unabgesprochenen Einzug bei Lili, den diese sprachlos zur Kenntnis nimmt. Unerwartet kehrt er den "Macho" heraus, und so ist es gut, daß solch neues, zur Selbstkritik unfähiges Siegertyp-Verhalten im Schlußbild seine "Strafe" erhält: Erika, eine mollige Arbeitskollegin Adamskis, meldet mit einem erpresserischen Trick ihre Ansprüche auf Adamski an, der nun wieder zwischen allen Stühlen sitzt. Er hat noch längst nicht ausgelernt, und das ist gut so.
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