Drama | Deutschland 1992 | 98 Minuten

Regie: Jörg Grünler

Im Wien der unmittelbaren Nachkriegstage lernt der 13-jährige Thomas, der auf der Flucht von seiner Mutter getrennt wurde, einen ehemaligen Wehrmachtssoldaten kennen, der sich als invalider Schwarzhändler durchs Leben schlägt. Die anfänglich ungewisse Freundschaft der beiden besteht ihre Bewährungsprobe auf der strapaziösen Heimreise. Ein gutgemeinter Film, der seinem guten Hauptdarsteller jedoch zuviel Überzeugungsarbeit aufbürdet und glaubt, das schwache Drehbuch dadurch entlasten zu können. - Ab 14 möglich.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
1992
Produktionsfirma
EIKON/DEFA/ZDF
Regie
Jörg Grünler
Buch
Jörg Grünler
Kamera
Gernot Roll
Musik
Mick Baumeister
Schnitt
Jörg Baumeister
Darsteller
Heinz Hoenig (Krücke) · Götz Behrendt (Tom) · Martina Gedeck (Bronka) · Peter Simonischek (Ferdi) · Florian Martens (Transportleiter)
Länge
98 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14 möglich.
Genre
Drama | Literaturverfilmung
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Heimkino

Verleih DVD
absolut Medien
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Diskussion
Mutterseelenallein lernt der 13jährige Thomas auf der Flucht aus Schlesien - er wurde durch einen Tiefflieger-Angriff von seiner Mutter getrennt - im Herbst 1945 den Krüppel "Krücke" kennen, der vor zwei Jahren sein Bein verlor. Zunächst will "Krücke", Tausendsassa auf den Schwarzmärkten von Wien, von dem Jungen nichts wissen. Bald jedoch reift eine Freundschaft heran, die nicht nur dem Jungen Geborgenheit bietet, sondern die auch dem Leben des ausgebufften Überlebenskünstlers "Krücke" einen Sinn verleiht. Von Stund' an sind beide unzertrennbar, auch wenn mitunter düstere Wolken den Harmonie-Himmel verhängen. Bei der Jüdin Bronka, "Krückes" Geliebte, finden sie Unterschlupf. Zunächst führt dies zum Konflikt mit Bronkas Arbeitgeber Ferdi, der sich auch als ihr Möchtegern-Geliebter sieht, doch bald überwiegen die Überlebenskünste "Krückes", und die persönlichen Konflikte sind beigelegt. Man hamstert auf "Teufel komm raus" und lebt recht gut, bis Bronka die gute Nachricht bereithält, daß die beiden Deutschen "heim ins Reich" dürfen.

Das ungleiche Gespann macht sich auf den Weg, doch die Behörden schieben der Heimreise einen Riegel vor. Der Zug - fatalerweise sind die Waggons mit denen identisch, in denen die jüdischen Opfer in die Vernichtungslager transportiert wurden - wird im Kreis bewegt. Schließlich geht die Kohle aus, die Lok wird abgekoppelt, und die Passagiere sind ihrem Schicksal überlassen. (Kriegs-) Neurosen brechen aus; Menschen sterben oder begehen Selbstmord; "Krücke" hat einen Malaria-Anfall, der ihn dem Tod nahebringt; Thomas soll in eins dieser Heime eingewiesen werden, die für Kriegswaisen eingerichtet wurden. Die Ereignisse überschlagen sich während der Weihnachtstage, an denen "Krücke" sogar eine Bescherung gelingt, doch dann ist die Weiterfahrt gewährleistet: das Ziel ist Passau, wo Thomas seine wiedergefundene Mutter endlich wieder in die Arme nehmen kann und "Krücke" seine "Familie" in die richtigen Hände abgibt. Der Rest ist Trauer, die sich hinter dem Dampf alter Loks verliert.

Der Film hat so ziemlich alles erreicht, was ein Film in Deutschland erreichen kann: drei "Filmbänder in Gold" im Rahmen des Deutschen Filmpreises - für den Hauptdarsteller, die Kamera und die Ausstattung -, den Hessischen Filmpreis und den Publikumspreis des Max-Ophüls-Preis-Festivals, doch das besagt nicht viel, in diesem Fall bestenfalls, daß der Einbeinige unter den Lahmen König ist. Der Film nach Peter Härtlings Roman zerfällt in zwei atmosphärisch ungleiche Teile. Die mit leichter Hand inszenierte melancholische (Überlebens-)Komödie aus dem Wien der unmittelbaren Nachkriegszeit mündet in ein sich zäh hinziehendes Drama, das sich von Szene zu Szene zu steigern versucht und in einem ungeheuer sentimentalen Ende versickert. Natürlich ist die Ausstattung perfekt, und die Kamera, die bis auf die komödiantischen Szenen in schmutzig-grauen Bildern schwelgt, hat ihren Filmpreis wohl auch verdient, doch der eigentliche Aktivposten des Films ist der - gewohnt gute - Hauptdarsteller Heinz Hoenig. Doch auch er steht irgendwann im Laufe des Films auf verlorenem Posten. Dann muß er alles zusammenhalten und die menschliche Tragödie mit viel Humor abzuwenden versuchen. Aber es gelingen nur Witzchen, die in der wahren Not niemanden zu retten in der Lage sind. Hoenig müht sich wacker, doch an den entscheidenden Passagen läßt ihn das Buch in Stich, gibt ihn, der Lachen als Überlebensmaxime propagiert, der Lächerlichkeit preis. "Krücke" ist ein sehr gefühlvoller Film, einer, der das Gemüt mehr anspricht als den Verstand, doch wenn sich mehr und mehr falsche Gefühle einschleichen, dann wird eben der Verstand geweckt, und das Regie-Konzept kann einfach nicht aufgehen. Eigentlich schade für einen Film, den man mögen möchte, und der es einem so schwer macht.
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