Serial Mom - Warum läßt Mama das Morden nicht?

Komödie | USA 1993 | 93 Minuten

Regie: John Waters

Aus Verärgerung über nörgelnde Nachbarinnen und andere unliebsame Zeitgenossen wird eine unscheinbare, pflichtbewußte Hausfrau und Mutter zur Serienmörderin, die jedes Problem mit Gewalt aus dem Weg räumt. In der Gerichtsverhandlung kann sie die Sympathien der Öffentlichkeit für sich gewinnen. Doppelbödige "schwarze" Komödie von ausgesuchter, aber nie selbstzweckhafter Geschmacklosigkeit, die die Kehrseiten des bürgerlichen Familien- und Vorstadtidylls ebenso aufs Korn nimmt wie den modischen Medienwahn um pathologische Mörder. Kathleen Turner überspielt mit einer komödiantischen Glanzleistung die Längen der Geschichte.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
SERIAL MOM
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1993
Produktionsfirma
Savoy/Polar
Regie
John Waters
Buch
John Waters
Kamera
Robert Stevens
Musik
Basil Poledouris
Schnitt
Janice Hampton · Erica Huggins
Darsteller
Kathleen Turner (Beverly Sutphin) · Sam Waterston (Eugene) · Ricki Lake (Misty) · Matthew Lillard (Chip) · Scott Wesley Morgan (Detective Pike)
Länge
93 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f
Genre
Komödie
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
Beverly Sutphin schickt ein gewinnendes Lächeln durch den Gerichtssaal, zu den Geschworenen, hinüber ins Publikum. Sie weiß, daß sie eine von ihnen ist. Man nickt, man lächelt zurück - manch einer wäre wohl gerne so wie Beverly Sutphin.

Beverly Sutphin ist ein "serial killer", eine Frau, die in Serie tötet. Aber - wie schön! - Beverly mordet aus den redlichsten Beweggründen, das sichert ihr die Sympathien ihrer Mitmenschen. Der Lehrer, der einem ernsthaft anrät, den Sohn in eine Therapie zu schicken, der Strolch, der zuerst der Tochter schöne Augen macht und sich dann mit einer anderen vergnügt, die Kundin in der Videothek, die dem Sohn das Leben schwer macht, weil sie die Kassetten nie zurückspult - es gibt so viele Zeitgenossen, die für Verdruß sorgen können, und manchmal denkt man ... Beverly denkt nicht nur, sie tut es. So wie andere Hausfrauen zum Staubtuch greifen, weil der Wohnzimmerschrank mal wieder geputzt werden könnte, so schreitet Beverly zur Tat, wenn sie den Frieden im trauten Heim der Sutphins, irgendwo in den Vorstädten von Baltimore, gefährdet sieht - zielsicher und ohne mit der Wimper zu zucken. Der Lehrer gerät unters Auto, die Videokundin trifft die Keule, einen Tatzeugen schließlich trifft's auf der Bühne, vor versammeltem Publikum. Tatort und -waffe sind schnell gefunden, wenn das Motiv hinreichend antreibt.

Da Mrs. Sutphin kein Profi ist und deutliche Spuren hinterläßt, fällt sie schnell auf - bei den Nachbarn, bei der Polizei, bei der Familie. Aber wer möchte dieser Frau in den besten Jahren, dieser Muster-Mutter, -Ehefrau und -Hausfrau, einen derart ausgeprägten Killer-Instinkt ernsthaft zutrauen?! Polizeibeamte, die sich von der Verdächtigen zurechtweisen lassen müssen, daß in ihrem Haus kein Kaugummi gekaut werde, haben im Verhör von vornherein nicht den besten Stand. Für Mr. Sutphin, den erfolgreichen Zahnarzt, liegt es schlechterdings jenseits aller Vorstellungskraft, daß die zärtlichen Hände seiner Frau auch als Mordwerkzeuge taugen sollen. Für die Kinder ist so etwas durchaus vorstellbar; aber die sehen auch zuviele Splatter-Videos, das sensibilisiert für die weniger schönen Seiten des Lebens. Und gerade für den Sohn, der sich sein Taschengeld in der Videothek verdient, ist es eine erfreuliche, mit besonders wohligem Gruseln verbundene Erkenntnis, daß dieses Leben manchmal die schönsten Horrorgeschichten schreibt.

Schließlich verdichten sich die Verdachtsmomente so weit, daß man das Undenkbare denken muß: Mrs. Sutphin hat am laufenden Band gemordet (die letzte Tat begeht sie unmittelbar vor der Verhaftung), Mrs. Sutphin gehört vor Gericht. Dort nehmen die Dinge dann eine Wendung, die letztlich gar nicht so überrascht. Mit der gleichen Selbstverständlichkeit, die Beverly zur Tat hat schreiten lassen, übernimmt sie nun ihre eigene Verteidigung und liest den Mitmenschen, die sie bereits vorverurteilt haben, die Leviten. Bei den Zeugen legt sie Instinkte offen, die den ihren durchaus ähnlich sind, die Jury becirct sie mit dem Charme einer Tupperware-Vertreterin. Ihr Unrechtsbewußtsein jedenfalls tendiert gegen Null, wie sie nach ihrem triumphalen Freispruch postwendend und nachdrücklich unter Beweis stellt.

John Waters hat schon immer einen gewissen Gefallen daran gefunden, sein Publikum vor den Kopf zu stoßen - sein Amerika ist stets etwas verunstaltet: schrill, laut, häßlich, monströs. Nicht immer trafen diese bösen Verhöhnungen ihr Ziel. In "Serial Mom" gehen ihm jedoch nur selten die Pferde durch. Die ausgesuchten Geschmacklosigkeiten und Unappetitlichkeiten dieser "schwarzen" Komödie haben durchaus ihren Hintersinn. Sie bleiben nämlich nicht auf die Taten beschränkt - Mrs. Sutphin ist nun mal kein gelernter "serial killer", also arbeitet sie entsprechend unsauber -, nein, der "Fettwanst", der an seinem öltriefenden Hähnchenschenke] nagt, ist mindestens ebenso abstoßend wie das Tun von Mrs. Sutphin. Diese Widerwärtigkeiten stechen um so mehr ins Auge, als Waters sie in das geradezu klinisch saubere Ambiente einer friedvollen Vorortsiedlung einbettet, von den pastellbunten Küchenzeilen über die blankgewienerten Mittelklasselimousinen in der Einfahrt bis zum frischgemähten Rasen und den penibel gestochenen Blumenbeeten vorm Haus. Das Normale im Idealzustand, das gibt den Dingen, die sich darin abspielen, eine ganz besondere Note. Eine zerquetschte Fliege allein wäre an sich kaum einen Blick wert. Diese Fliege auf dem Eßtisch der Sutphins, inmitten liebevoll angerichteter Speisen, zermatscht von der in ihrem Hausfrieden empfindlich gestörten Mrs. Sutphin, hat schon ein anderes Gewicht. Waters versäumt nicht, diese ganz alltägliche Monströsität in Großaufnahme besonders herauszustellen. Ein Riß mehr in der Fassade des kleinbürgerlichen Familien- und Vorstadtidylls.

Auch in ihrer zweiten Stoßrichtung funktioniert Waters' Satire, weil er immer im Rahmen des Normalen, das Nachvollziehbaren bleibt. "Serial Mom" persifliert die ganze Medienhysterie, die in den letzten Jahren um pathologische Täter und ihre Mordserien aufgeflammt ist, in der sich die merkwürdige Anziehungskraft fiktiver Figuren wie Hannibal Lecter (in "Das Schweigen der Lämmer", fd 28 838) immer mehr mit ganz realen Horror-Szenarien wie dem Massenmord von Gloucester mischt. Im Falle Beverly Sutphin verliert sich diese Faszination ziemlich schnell - sie ist zu normal, sie ist den Zuschauem zu ähnlich (vielleicht auch in verborgenen, von Sitte, Anstand und Moral "im Normalfall" unterdrückten Wünschen). Auch hier wird Waters durchaus laut und schrill, wie man es von ihm gewohnt ist - etwa wenn die Familie den Fall der Mutter und Frau marktschreierisch ausschlachtet oder die Hauptdarstellerin der geplanten Fernsehverfilmung einen werbewirksamen Auftritt im Gerichtssaal genießt -, dafür braucht das beste Bild des Films keine Worte: die Sutphins auf dem Weg zum Sonntagsgottesdienst, im Schlepptau eine endlose Eskorte von Polizeiwagen, damit sich die Hauptverdächtige nicht aus dem Staube macht. Da steht eine ganze Siedlung hinter den Gardinen.

Ein böses Kabinettstückchen ist John Waters mit "Serial Mom" gelungen. Eine denkbar geeignete Komplizin dafür hat er in seiner Hauptdarstellerin gefunden. Mit vielen kleinen, aber stimmigen Gesten liefert Kathleen Turner (was zugegebenermaßen zunächst nicht viel sagt) die beste Darstellung seit Jahren, seit "Die Reisen des Mr. Leary" und dem - durchaus artverwandten - Film "Der Rosenkrieg". Sie lädt ihre Beverly mit einer kontrollierten, selbstgerechten Wut auf, die sich nach außen allenfalls in leisem Schnauben oder indignierten Blicken manifestiert. Aber wehe, wenn sie losgelassen; dann geht Mrs. Sutphin zu Werke, als wolle sie einen Truthahn für Thanksgiving tranchieren. Die unwiderstehlich komische Studie einer Psychopathin in Küchenschürze. Gerade hat "Mrs. Hyde" wieder jemanden hingemeuchelt, schon rückt "Frau Dr. Sutphin" ihre Frisur zurecht. Ordnung muß schließlich sein.
Kommentar verfassen

Kommentieren