Comicverfilmung | USA 2019 | 473 (Staffel 1; 8 Folgen) 480 (Staffel 2; 8 Folgen) 490 (Staffel 3; 8 Folgen) Minuten

Regie: Dan Trachtenberg

In einer Welt, in der Superhelden wie Stars gefeiert werden, aber auch dazu tendieren, ihre Macht und ihren Status zu missbrauchen, schließt sich ein junger Mann einer Gruppe an, die gegen selbstherrliche Superhelden vorgeht. Dabei bekommt es das "The Boys" genannte Team mit "The Seven", den prominentesten Superhelden, zu tun, sowie mit dem Konzern, zu dem die Helden gehören. Die Serie variiert Mythen des Genres mit umgedrehten Vorzeichen und nutzt ihre Motive, um von einer Gesellschaft zu erzählen, in der sich Superhelden als "Markenprodukte" eines Konzerns einspannen lassen, um demokratische Strukturen auszuhöhlen. Obwohl die Figuren dabei etwas holzschnitthaft bleiben und nur langsam an Profil gewinnen, unterhält die Serie bestens durch die spannende Zeichnung des "Corporate Evil". - Ab 18.
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Filmdaten

Originaltitel
THE BOYS
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2019
Produktionsfirma
Amazon Studios/Original/Point Grey/Sony Pictures Television
Regie
Dan Trachtenberg · Matt Shakman · Philip Sgriccia · Frederick E.O. Toye · Stefan Schwartz
Buch
Evan Goldberg · Eric Kripke · Garth Ennis · Seth Rogen · George Mastras
Kamera
Evans Brown · Jeremy Benning · Jeff Cutter · Dylan MacLeod · Dan Stoloff
Musik
Christopher Lennertz · Matt Bowen
Schnitt
Nona Khodai · David Kaldor · Cedric Nairn-Smith · David Trachtenberg · William W. Rubenstein
Darsteller
Jack Quaid ("Wee" Hughie Campbell) · Karl Urban (Billy Butcher) · Antony Starr (The Homelander) · Erin Moriarty (Annie January / Starlight) · Elisabeth Shue (Madelyn Stillwell)
Länge
473 (Staffel 1; 8 Folgen) 480 (Staffel 2; 8 Folgen) 490 (Staffel 3; 8 Folgen) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 18.
Genre
Comicverfilmung | Serie

Eine Anti-Superheldenserie nach gleichnamigen Comics von Garth Ennis und Darick Robertson um eine Truppe von Außenseitern, die gegen korrupte Superhelden mobil machen.

Diskussion

Staffel 1

Der Tod von Robin ist ein „Kollateralschaden“, für den sich weder die Behörden noch der Superheld A-Train (Jessie Usher) oder der Konzern, der hinter ihm steht, verantwortlich zu fühlen scheinen: Man tut öffentlich Bedauern kund, bietet dem Freund der Toten unter der Hand eine kleine Summe Geld an, damit er die Sache auf sich beruhen lässt und den Mund hält – und ansonsten passiert rein gar nichts. Doch für Hughie Campbell (Jack Quaid) ist das nicht gut genug. Er und Robin waren gerade gemeinsam auf der Straße unterwegs und sprachen übers Zusammenziehen, als er auf einmal nur noch die abgetrennten Hände seiner Liebsten in seinen hielt; der Rest der jungen Frau endete nach der Kollision mit dem superschnellen A-Train als Wolke aus Blut, Knochen und Gewebe. Seitdem schwelt in Hughie die Wut, obwohl der junge Mann, der als Verkäufer in einem Elektroladen jobbt, eigentlich ein friedlicher Zeitgenosse ist. Die Arroganz und die schiere Menschenverachtung, mit denen über Robins Tod hinweggegangen wird, will er nicht hinnehmen.

Bodenständige Arbeitertypen, eitle Superhelden

Während Superhelden-Stoffe wie das „Marvel Cinematic Universe“ weiter florieren, gedeihen in seinem Windschatten auch schon eine ganze Weile die Anti-Superheldenstoffe, die die Männer und Frauen in Capes und Masken satirisch oder ernst vom Podest holen, auf das die Popkultur sie gestellt hat. Wobei dieses „Vom Podest holen“ im Fall von „The Boys“ freilich keine wirkliche Genre-Revision ist, sondern nur eine Umetikettierung: Der Stoff, der frei auf den gleichnamigen Comics von Garth Ennis und Darick Robertson beruht, variiert einmal mehr den guten, alten Mythos vom „vigilante hero“, der innerhalb eines korrumpierten Gemeinwesens das Recht in die eigenen Hände nimmt – nur dass die tapferen Rächer hier eben nicht Batman und Co. sind, sondern ganz normale Arbeiter-Typen.

Ein Ventil für sein Rachebedürfnis findet Hughie, als er von einem Mann namens Billy Butcher (Karl Urban) angesprochen wird und sich erst widerwillig, bald aber immer radikaler auf die Zusammenarbeit mit ihm einlässt. Billy scharrt eine Gruppe um sich, die sich sogenannte „supes“ vornimmt, die meinen, sie könnten nonchalant die Rechte ihrer normalmenschlichen Zeitgenossen mit Füßen treten. Zunächst behauptet er, „The Boys“ seien eine FBI-Einheit, bald stellt sich aber heraus, dass die Gruppe in einer Schattenzone jenseits des Gesetzes agiert.

Keine Chance für Idealistinnen

Während Hughie sich mit Billy zusammenrauft und einen ersten Job für ihn erledigt, dessen Folgen ihn ganz zum Mitglied der „Boys“ machen werden, findet die junge Annie January aka Starlight (Erin Moriarty) Aufnahme ins prominenteste und mächtigste Superhelden-Team, „The Seven“, zu denen auch A-Train gehört. Annie ist alles, von dem Hughie und Billy meinen, es wäre bei den „supes“ nur lügnerische Fassade: Sie ist eine Idealistin, der es bei ihren Einsätzen als Starlight tatsächlich genuin ums Wohl ihrer Mitmenschen geht, nicht um den eigenen Status. Allerdings steht sie damit tatsächlich ziemlich alleine da. Ihre neue Position unter den „Seven“, die sie zunächst für die Erfüllung all ihrer Träume hielt, erweist sich als moralischer Kampf, bei dem ihr ihre Superkräfte wenig helfen.

Denn die Helden um den Anführer Homelander (Antony Starr) – eine Art verkommener Zerrspiegel von Captain America – sind ein korrupter Haufen, der von Konkurrenz, gegenseitigem Druck und Ausbeutung zersetzt ist, was Annie hautnah merkt, als ihr ihr neuer Kollege The Deep noch vor der offiziellen Aufnahme in „The Seven“ sexuelle Gefälligkeiten abpresst. Und Vought Industries, der Konzern, der die Superhelden unter Vertrag hat, sich um ihre „Vermarktung“ und ihre Images kümmert und ihre Einsätze koordiniert (für die Kommunen dicke Summen löhnen müssen), geht es keineswegs ums Weltverbessern als vielmehr um die eigene Rendite und die eigene Macht.

Ein eindrucksvolles „Corporate Evil“

Neben Evan Goldberg und Seth Rogen (die als Produzenten auch schon die Superhelden-Satire „Future Man“ betreut haben) zeichnet als Showrunner Eric Kripke („Supernatural“) für „The Boys“ verantwortlich und beweist einmal mehr ein gutes Händchen dafür, ein an sich simples Grundkonzept zum tragfähigen Serienuniversum auszubauen. Das liegt weniger an den „Boys“ selbst, die als „hart aber herzlicher“ Haufen von Haudegen etwas eindimensional bleiben und nur langsam an Profil gewinnen, und es liegt auch nicht an der teilweise ziemlich ruppig-blutigen Action, die mit dem inszenatorischen Biss von Vorbildern wie „Deadpool“ doch nicht ganz mithalten kann. Interessant an der Serie ist vor allem die genüssliche Zeichnung des „Corporate Evil“ rund um Vought Industries, von dessen mächtiger Vizepräsidentin (Elisabeth Shue) und den „Seven“, hinter deren hochglanzpolierten Images die Serie immer mehr innere Konflikte und menschliche Abgründe freilegt – eine Art „House of Cards“ im Fantasy-Gewand, das von gar nicht so fantastischen Zuständen erzählt. Da geht es um die Macht der (sozialen) Medien und wie sie manipulativ genutzt werden kann, um den politischen Einfluss von Konzernen, um die Celebrity-Kultur und die damit einhergehende Kultur der Selbstoptimierung und -vermarktung und immer wieder auch um die „Gender Politics“, wobei das #MeToo-Thema des sexuellen Missbrauchs hier mal nicht nur als Problem einiger fieser Männer gezeichnet wird, sondern als systemisches Übel einer Gesellschaft, in der theoretisch alle gleich sein mögen, real aber knallharte soziale Hierarchien und Abhängigkeitsverhältnisse bestehen bleiben.

 

Staffel 2

Make America Safe Again – schön wär’s! Wenn die Superhelden Homelander (Antony Starr) und Stormfront (Aya Cash) in Staffel 2 von „The Boys“ die Menge mit diesem Spruch aufpeitschen, ist wie beim persiflierten Donald-Trump-Slogan klar, dass es nicht ums Wohl des Landes geht, sondern um narzisstische Machtambitionen. Die grassierende Furcht vor Terroristen mit Superkräften, die aus dem Ausland die USA infiltrieren, ist zwar nicht völlig aus der Luft gegriffen, wird von Homelander und dem hinter ihm stehenden „Vought Industries“-Konzern aber künstlich aufgeblasen und angeheizt, um auf den hochkochenden Ängsten der Bevölkerung die eigene korrupte Suppe zu kochen.

Wie schon in Staffel 1 durch allerlei Intrigen, Erpressungen und brutale Morde offenbar wurde, zielen Vought und Homelander darauf ab, die Bedeutung ihres Superhelden-Programms zu stärken, damit die politischen Institutionen zu unterlaufen und selbst so viel Einfluss wie möglich zu gewinnen. In Staffel 2 zeichnet sich nun aber ab, dass im Lager der Intriganten durchaus nicht alle am selben Strang ziehen. Während Vought Industries (seit dem Tod von Madelyn Stillwell repräsentiert durch den von Giancarlo Esposito gespielten Stan Edgar) als kapitalistisches „Corporate Evil“ die eigene Marktmacht im Blick hat, fängt der psychopathische Egomane Homelander an, mit „White Supremacy“-Tendenzen (durchaus wortwörtlich) ins Bett zu steigen.

Wer die Social-Media-Kanäle manipuliert

Es ist grundsätzlich etwas faul in den USA, in denen die auf den gleichnamigen Comics von Garth Ennis basierende Serie spielt. In Staffel 2 zielt die Gesellschaftskritik sogar noch etwa direkter mitten ins Herz von „Trumpland“. Das um Homelander versammelte Superhelden-Team „The Seven“ und ihre Gegner, die ruppige Vigilanten-Truppe „The Boys“, agieren in einem Land, dessen demokratische Ordnung zu zerfallen droht angesichts der zunehmenden Radikalisierung und einer Medienlandschaft, in der diejenigen das Sagen haben, die die Social-Media-Kanäle am besten zu manipulieren verstehen.

Wie soll man in dieser Welt das tun, wofür „The Boys“ eigentlich stehen – nämlich für Gerechtigkeit zu sorgen? Billy Butcher (Karl Urban), der Anführer der „Boys“, zieht sich nach dem spektakulären Twist, mit dem Staffel 1 endete, von der Truppe und ihrer Mission etwas zurück und arbeitet sich am Schicksal seiner Frau und ihres kleinen Sohnes ab, das auf unselige Weise mit Homelander verknüpft ist. Sein Schützling Hughie (Jack Quaid) und die anderen „Boys“, die durch die mit außergewöhnlichen Kräften begabte Kimiko und die sich mehr und mehr von den „Seven“ abwendende Superheldin Annie alias Starlight ergänzt werden, versuchen derweil, illegale Machenschaften von Vought Industries rund um die künstliche Genese von Superhelden aufzudecken und öffentlich zu machen – wobei es, sobald Billy sich wieder mehr einbringt, zu Reibereien um die Methoden der Truppe kommt.

Schillerndes Spektrum menschlicher Abgründe

Auch in Staffel 2 fesselt nicht zuletzt das schillernde Spektrum menschlicher Abgründe, die die Drehbuchautoren den verkorksten Superhelden und insbesondere Homelander andichten. Antony Starr tariert seine Figur, die bei allem Narzissmus und aller Skrupellosigkeit etwas Kindlich-Naives besitzt, haarscharf zwischen Monstrosität und bemitleidenswert-komischer Erbärmlichkeit aus. Mit Stormfront kommt außerdem ein faszinierender Neuzugang hinzu, bei dem es zunächst so aussieht, als würde sie den vom Konzern als menschliche Barbies vermarkteten Superheldinnen Starlight und Maeve emanzipatorische Rückendeckung geben – bis sich dann die wahre Agenda der Figur enthüllt.

Gleichzeitig tut es der Serie gut, dass sie auch die „Boys“ und ihre Verbündeten weiter entfaltet und mit interessanten Brüchen versieht, nicht zuletzt durch die Vorgeschichten einiger Figuren und eine Infragestellung der Führungsrolle von Billy Butcher, wodurch die Positionen der anderen Mitglieder schärfer konturiert werden. Herz bekommt die Serie einmal mehr vor allem durch die Figuren von Hughie und Starlight, die als traurig-desillusionierte Kinder des „American Dream“ schwer an der Verkommenheit und Brutalität der Zustände tragen und um die letzten Reste ihres ramponierten Idealismus ringen.

Für Zartbesaitete ist die Welt von „The Boys“ auch in Staffel 2 der falsche Ort. Da wird mal eben so ein Häuserblock samt Zivilisten niedergemacht, wenn Stormfront hinter einem Superterroristen her ist, oder kommen neue Figuren ins Spiel, die Köpfe platzen und Menschen in Flammen aufgehen lassen können; und sogar ein unschuldiger Wal muss auf splatter-mäßige Weise dran glauben, als das Tier einem Motorboot der Boys in die Quere kommt. Es sind eben harte Zeiten! Die Qualität von „The Boys“ beruht indes darauf, es nicht beim „Deadpool“-mäßigen Vergnügen einer zynisch-drastischen Dekonstruktion des Superhelden-Genres zu belassen, sondern durchs Genre hindurch den maroden Zuständen eines in der Realität gespaltenen Landes einen kräftigen Tritt zu verpassen.

 

Staffel 3

Wie Jesus Christus höchstselbst – so fühlt sich Homelander (Antony Starr) angesichts seiner „Passionsgeschichte“. Dabei wurde der narzisstisch-größenwahnsinnige Superheld nicht einmal öffentlich gekreuzigt, sondern ist (gemessen an dem, was er in Staffel 2 verbockt hat) noch glimpflich davongekommen. Von Strafverfolgung kann nicht die Rede sein; zu Beginn von Staffel 3 ist Homelander nach wie vor Anführer des Superheldenteams „The Seven“. Seine Verbindung mit der Superheldin Stormfront (Aya Cash), die sich als strammer Nazi entpuppte, hat ihn lediglich Sympathiepunkte bei den Fans gekostet und damit sein Standing beim Konzern Vought Industries geschwächt, dem die Marke „The Seven“ gehört. Jetzt gilt es, das Image wieder aufzupolieren, etwa mit dem Kinospektakel „Dawn of the Seven“, das eine Homelander-freundliche Fake-Version der Ereignisse verbreitet, oder mit Talkshow-Auftritten, in denen er den netten Kerl mimt, dessen einziger Fehler darin bestand, sich in die falsche Frau zu verlieben.

Da seine und Stormfronts Niederlage im Finale von Staffel 2 seinen Übermenschen-Ambitionen jedoch keinerlei Abbruch getan hat, empfindet er es als unerträgliche Zumutung, nach außen hin Kreide fressen zu müssen. Und als auch noch der Vought-Chef (Giancarlo Esposito) seine enorm populäre Superhelden-Antipodin Starlight (Erin Moriarty) zum Co-Captain von The Seven befördert, ist für Homelander das Maß der Demütigungen voll. Die Zeichen stehen erneut auf Sturm.

Böse Wahrheiten über eine Hoffnungsträgerin

Dazu tragen in der dritten Staffel der Anti-Superheldenserie „The Boys“ auch noch andere Faktoren bei. Am Ende von Staffel 2 ließen der Erfolg der Politikerin Victoria Neuman (Claudia Doumit), die eine staatliche Regulierung der Superhelden forderte, und die Einrichtung eines „Federal Bureau of Superhuman Affairs“ (FBSA) noch hoffen, dass alles besser werden könnte: Was die titelgebenden „Boys“ bisher auf ungesetzlich-brutale Weise trieben, nämlich egomanische „Supes“ in die Schranken zu weisen, sollte fortan den Prinzipien von Recht und Ordnung folgen, zur Erleichterung von Hughie Campbell (Jack Quaid), der prompt beim FBSA zu arbeiten begann. Doch in den ersten Folgen von Staffel 3 verflüchtigt sich nun diese Hoffnung, als Hughie Geheimnissen von Vic Neuman auf die Schliche kommt, die alles in ein neues Licht rücken.

Und der Anführer von „The Boys“, Billy Butcher (Karl Urban), traute dem Burgfrieden um Neumann und das FBSA ohnehin nicht; auf eigene Faust hart durchgreifen ist für ihn im Kampf gegen die „Supes“ im Allgemeinen und Homelander im Besonderen nach wie vor das einzige Wahre. Als ihm ein paar Ampullen eines neuen Premium-Produkts von Vought Industries in die Hände fallen, bekommt er es allerdings mit einer Versuchung zu tun, die ihn dazu anstiftet, neue Grenzen zu überschreiten: Vought hat ein Elixier entwickelt, das auch Normalsterblichen für einen begrenzten Zeitraum zu Superkräften verhilft. Dieses „Temp V“ sollte für Butcher ein No-Go sein; schließlich lehnt er Superkräfte kategorisch ab. Doch die Chance, das Machtgefälle zwischen sich und den „Supes“ korrigieren zu können, spielt allzu verlockend seinen eigenen Selbstermächtigungstendenzen in die Hände.

Außerdem geraten die „Boys“ an Informationen, die auf die Spur eines weiteren potenziellen Hilfsmittels im Kampf gegen Homelander führen: Sie erfahren, dass der in den 1980er-Jahren zur Legende verklärte Tod eines Superhelden der ersten Generation, des Homelander-Vorgängers Soldier Boy (Jensen Ackles), wohl nicht mit einem Atomreaktor zu tun hatte, wie allgemein verbreitet wird, sondern dass etwas Anderes ihn aus dem Weg geräumt hat. Da dieses „Andere“ auch gegen Homelander helfen könnte, betätigen sich Billy und seine Truppe als Detektive und beginnen, der Geschichte von Soldier Boy und dessen Superhelden-Team „The Payback“ hinterher zu recherchieren – mit unerwartetem Ergebnis, das für dramatische Entwicklungen sorgt.

Der politische Subtext gerät ins Schlingern

In den ersten Folgen von Staffel 3 fehlt es der von Eric Kripke entwickelten Comic-Serienverfilmung noch an dem gesellschaftskritischen Biss, den sie in Staffel 2 mit einer bitterbösen Replik auf die Ära Trump und die White-Supremacy-Tendenzen in den USA entfaltete. Die Macher ziehen sich darauf zurück, einen eher unscharfen Zerrspiegel amerikanischer Dekadenz rund um moralisch verkommende und heillos egoistische Eliten, strippenziehende Konzernmacht, manipulative (soziale) Medien und schwächelnde demokratische Institutionen zu liefern. Dass dabei nach Kräften versucht wird, an Groteskem, Makabrem und Perversem nochmal eine ordentliche Schippe draufzulegen, sorgt für einen gewissen Wahnwitz, aber nicht unbedingt für mehr Biss. Stattdessen gerät die Serie, was den politischen Subtext angeht, etwas ins Schlingern: Einerseits bekommt wie in Staffel 2 die Rechte kräftig ihr Fett weg und wird der Trump’sche Autokratengeist in Form des von Antony Starr wieder hinreißend manisch verkörperten Homelanders entlarvend-karikierend bloßgestellt; andererseits scheut sich die Storyline um Vic Neuman und das FBSA nicht, Deep-State-Ängste und rechte Verschwörungstheorien anzutriggern. Und während Hughie Campbells rechtsstaatliche Bemühungen als naives Gutmenschentum zu scheitern drohen, bekommt Billy Butchers (machohafte und latent homophobe) „Der bodenständige Kerl zeigt es den tuntigen Supes“-Attitüde kräftig Aufwind.

Zwischen sich radikalisierenden Polen

Im Lauf der Staffel wird die Serie dann aber wieder differenzierter. Zwischen den sich radikalisierenden Polen Homelander und Billy Butcher tun sich unter den jeweiligen Teammitgliedern diverse Konflikte darum auf, wie sie sich zu diesen Anführer-Figuren verhalten sollen – wie weit sie sich, sei es aus Angst, Eigennutz oder Loyalität, verbiegen und mit den Haien schwimmen, was sie sich an Dominanz-Gehabe bieten lassen können/müssen/wollen, und welche Entscheidungen sie menschlich oder moralisch doch nicht mehr mittragen wollen. Fragen, die für durchaus schmerzhafte Reibungen und einige Brüche unter den Figuren sorgen und der Serie über die absurd-grotesken Eskalationen hinaus emotionalen Drive geben.

Wenn dann schließlich Soldier Boy (Jensen Ackles) als dritte, herrlich gestörte Führer-Figur, deren Männerbild noch aus der Mid-Century-Ära stammt, in der zweiten Serienhälfte eine zunehmend wichtige Rolle spielt und das Testosteron-Fass der Machoallüren, Egomanie und Gewaltausbrüche zum Überlaufen bringt, wird klar, dass die zentralen Frauenfiguren – allen voran Starlight (Erin Moriarty), aber auch Maeve (Dominique McElligott) – und die vernünftigeren Männer wie Hughie (Jack Quaid), Frenchie (Tomer Capon) und MM (Laz Alonso) früher oder später zu neuem Selbstbewusstsein finden müssen, sollten sie den marodierenden Alphatieren doch noch Grenzen setzen wollen. Womit die dritte Staffel einen Motor hat, der sie schnurstracks auf einen rasanten Showdown zusteuert – und auf eine vierte Staffel.

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