Krimi | Iran 2018 | 104 Minuten

Regie: Mani Haghighi

Ein iranischer Regisseur mittleren Alters, gegen den ein offizielles Film-Drehverbot verhängt wurde, gerät in eine weitere Krise, als mehrere seiner berühmten Kollegen einem Serienmörder zum Opfer fallen. Als ein Regie-Rivale seine bevorzugte Hauptdarstellerin engagiert, will er sich für diese Demütigung rächen, gerät darüber aber unversehens in den Verdacht, hinter der Mordserie zu stecken. Eine mit süffisantem, bitterbösem Witz agierende Satire auf das iranische Filmgeschäft, künstlerischen Narzissmus und gekränkte Eitelkeit. Der visuell exaltierte Film schießt mitunter übers Ziel hinaus, kann als stilsicher inszenierte, makabre Höllenfahrt eines Egozentrikers aber effektvolle Akzente setzen. - Ab 16.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
KHOOK
Produktionsland
Iran
Produktionsjahr
2018
Produktionsfirma
Dark Precursor/Filmiran/Hedayat/Tasvir Gostar Pasargad
Regie
Mani Haghighi
Buch
Mani Haghighi
Kamera
Mahmoud Kalari
Musik
Peyman Yazdanian
Schnitt
Meysam Molaei
Darsteller
Hasan Majuni (Hasan Kasmai) · Leila Hatami (Shiva Mohajer) · Leili Rashidi (Goli) · Parinaz Izadyar (Annie) · Mina Jafarzadeh (Jeyran)
Länge
104 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Krimi | Satire

Aberwitzige Höllenfahrt eines unter Drehverbot stehenden, eitlen iranischen Filmemachers, der damit hadert, dass seine berühmten Kollegen nach und nach ermordet werden und er womöglich nicht zu den Gefährdeten gehört. Eine grelle Satire von Mani Haghighi.

Diskussion

Ein Menschenauflauf in den Straßen Teherans: Erneut wurde der Kopf eines Filmemachers gefunden. Das Wort „Khook“ (Schwein) in die Stirn geritzt. Vom Rest des Körpers fehlt ebenso jede Spur wie vom Mörder. Ebrahim Hatamikia, Rakhshan Bani-Etemad, Hamid Nematollah – drei der bekanntesten Regisseure des Iran hat es bereits getroffen. Was für Filmemacher Hasan Kasmai (Hasan Majuni) die Frage aufwirft, warum er noch am Leben ist. Ist er nicht bedeutend genug, um ermordet zu werden? Die Begräbnisse der Ermordeten werden zu Bühnen der Selbstdarstellung für die iranische Filmszene – umso schlimmer, dass ausgerechnet Kasmais Erzrivale Sohrab Saidi (Ali Mosaffa) die Trauerrede hält; Saidi, in dessen Film Kasmais Geliebte, die Schauspielerin Shiva Mohajer (Leila Hatami), mitspielen wird. Mohajer weigert sich, aus Loyalität Kasmais Drehverbot weiterhin mit ihm zusammen auszusitzen. Der Filmemacher selbst muss sich unterdessen mit Werbespots für Insektenvertilgungsmittel über Wasser halten, die aussehen wie die düstere Version von Isabella Rossellinis „Green Porno“-Reihe. Und die Auftraggeberin ist wenig begeistert.

„Khook“ („Pig“), der neueste Film des iranischen Regisseurs Mani Haghighi, ist eine Farce über die Eitelkeiten des iranischen Filmgeschäfts. Hasan Majuni spielt Kasmai als bärige Diva in Heavy-Metal-Shirts mit einem ebenso großen wie gekränkten Ego und im steten Ringen mit den Egos seiner Rivalen. Am Funktionieren gehalten wird Kasmai nur noch durch das geschickte Taktieren der drei Frauen um ihn herum: seiner Ehefrau, seiner Geliebten und seiner Tochter. Selbst das Tennis-Spiel mit einem Freund wird zunehmend unmöglich durch Kasmais immer unberechenbareres Schwanken zwischen Gekränktheit und Ausgelassenheit. Nach einer Kostümparty findet sich Kasmai mit seinem Tennispartner just im Haus des nächsten Opfers, seines Rivalen Sohrab Saidi, wieder und der Filmemacher gerät selbst unter Verdacht, der Mörder zu sein. Was sich mit dem nächsten Mord jedoch umgehend wieder erledigt.

Anlässe für exaltierte Szenen

Wie schon in den letzten beiden Filmen A Dragon Arrivesvon 2016, einer mysteriösen Agentengeschichte in den „Swinging Sixties“ des Iran, und der romantischen Komödie „50 Kilos of Sour Cherries“ aus dem Jahr davor ist Haghighi auch in „Khook“ ausgesprochen findig, Anlässe für exaltierte Szenen zu finden. So wenn Kasmai mit seinem Tennispartner zur Kostümparty fährt und sie in ihren knallroten Insektenkostümen im Auto abrocken. Wayne’s World in Teheran. Die Nebenrollen sind hervorragend besetzt: Ali Bagheri, der schon in A Dragon Arrives Eindruck hinterließ, taucht in „Khook“ als von der Absurdität der Handlung gänzlich unberührter Polizist wieder auf, Parinaz Izadyar kann als Kasmais Stalkerin Annie mit der Überdrehtheit des Films spielend mithalten.

Eine der unerwarteten Schwächen ist die Bildgestaltung. Während Hooman Behmanesh in A Dragon Arrives eher gegen die plakative Extravaganz Haghighis anarbeitete und subtil komponierte Bilder für den Film fand, setzt Mahmoud Kalari in „Khook“ auf das Gegenteil. Kalari reduziert die Bilder oft stark, schafft einfarbige Hintergrundflächen, vor denen sich die bunten Kostüme auf der Leinwand absetzen. Durch diese zusätzliche Betonung aber droht die Absurdität immer wieder ins banale Kunsthandwerk zu kippen, wie das auch den Bildwelten der Filme Asghar Farhadis, für die Kalari die Bilder gestaltete, nicht fremd ist.

Subversiv eingesetzte Genreelemente

Bei der Premiere des Films auf der „Berlinale“ 2018 zeigte sich Haghighi etwas genervt davon, dass man im Westen vor allem sehen wolle, „wie stark wir unterdrückt werden“. Haghighis Sonderstellung im iranischen Kino hängt daran, dass er in das bisweilen arg saturierte Autorenkino des Irans, das im Westen am ehesten rezipiert wird, Genreelemente einbaut. Im Falle von A Dragon Arrives war dies der Agentenfilm, im Falle von „Khook“ sind es Komödie und Thriller. Das Unterhaltungskino des Iran bleibt im Ausland in der Regel unsichtbar, ob es sich um Actionfilme wie die von Ebrahim Hatamikia (der zu Beginn von Haghighis Film ermordet wird) oder Komödien wie Reza Mirkarimis „Dokhtar“ (Tochter) handelt. Anders als die Kollegen nutzt Haghighi die Genreelemente jedoch durchaus subversiv. An der Figur Kasmais zeigt Haghighi nicht nur das aufgeblähte Ego eines vermeintlich verkannten Regiegenies, sondern zeigt auch die Effekte von Drehverboten. Kasmai ist von seinem Publikum abgeschnitten und zur Irrelevanz verdammt. Auch die Konkurrenz Kasmais zu Sohrab Saidi, von dessen Vorliebe für epische Historienschinken sich die Zuschauer bei einem Setbesuch überzeugen dürfen, ist wohl keine reine Erfindung.

Haghighi ist es tatsächlich um ein Kino zu tun, das mit den Konventionen wenig anfangen kann. Nur: damit ist er im jüngeren iranischen Kino in bester Gesellschaft. Allein schon durch die Bilder seiner Filme ist Haghighi die Aufmerksamkeit im internationalen Festivalbetrieb bis auf weiteres sicher – und das vollkommen zu Recht. Ob die Vorliebe für bunte Kostüme mehr ist als ein Manierismus, wird sich in den kommenden Filmen zeigen müssen. An einem lässt „Khook“ keinen Zweifel: Es lohnt sich, Haghighis weitere Entwicklung zu verfolgen.

Kommentar verfassen

Kommentieren