Der Ochsenkrieg (1920)

Drama | Deutschland 1920 | 86 Minuten

Regie: Franz Osten

Nach einem Stoff des Schriftstellers Ludwig Ganghofer erzählt der Stummfilm von einem rechtschaffenden Bauern aus dem Berchtesgadener Land, der im 15. Jahrhundert mit einem Amtmann in einen erbitterten Konflikt gerät, der sich zu einem blutigen Aufstand gegen den Fürstbischof hochschaukelt. Der im mittelalterlichen Feudalismus angesiedelte Roman, der auf die Bauernkriege anspielt, ließ sich zur Entstehungszeit im Jahr 1920 auch auf die Erschütterungen der Weimarer Zeit beziehen. In dem unerbittlichen Ringen um Schuld und Sühne, Recht und Gerechtigkeit geht es im Kern um die Auseinandersetzung zwischen Gewohnheitsrecht und formalisierten Gesetzen. Zur Wiederaufführung des rekonstruierten und digital restaurierten Films anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Bavaria komponierte Hans Jürgen Buchner (Haindling) eine neue Musik. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
1920
Produktionsfirma
Bavaria Film/Münchner Lichtspielkunst AG
Regie
Franz Osten
Buch
Franz Osten
Kamera
Franz Planer
Musik
Hans Jürgen Buchner
Schnitt
Megumi Hayakawa · Hannes Weiß
Darsteller
Fritz Greiner (Richtmann Runotter) · Thea Steinbrecher (Jula) · Ernst Rückert (Lampert) · Viktor Gehring (Chorherr Aschacher) · Curt Gerdes (Malimmes)
Länge
86 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama | Historienfilm | Literaturverfilmung | Stummfilm
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IMDb | TMDB

Rekonstruierter Stummfilm nach einem Stoff von Ludwig Ganghofer, in dem ein rechtschaffender Bauer mit einem Amtmann in einen erbitterten Konflikt gerät, der sich zu einem blutigen Aufstand gegen den Fürsten hochschaukelt.

Diskussion

Der Stummfilm „Der Ochsenkrieg“ von Franz Osten (eigentlich: Franz Ostermayr) entstand 1920 als erste Produktion der Münchner Lichtspielkunst GmbH (Gründer: Peter Ostermayr) im neu gebauten Glasatelier in Geiselgasteig bei München. Als Vorlage diente der 1914 erschienene gleichnamige Roman des populären bayerischen „Volks- und Heimatschriftstellers“ Ludwig Ganghofer. „Der Ochsenkrieg“ wirkt durch seine unerbittliche Frage nach Schuld und Sühne, Recht und Gerechtigkeit wie eine Variation von Kleists Michael-Kohlhaas-Geschichte.

Ramsau im Jahre 1420. Der angesehene Bauer und Richtmann Runotter (Fritz Greiner) ist nur dem Fürsten untertan und muss keine Abgaben an das Kloster Berchtesgaden entrichten. Obwohl seine Frau vom adeligen Chorherrn Aschacher (Viktor Gehring) entehrt wird, will der rechtschaffene Gatte das Schicksal hinnehmen. Doch ein neugieriger Nachbar, der Zeuge des Vergehens war, verbreitet die „Sünde“ beim Kirchgang. Als man von Bauernseite „Herrenblut“ fordert, gesteht der Vergewaltiger seine Schuld und wird aus dem Stift verwiesen. Runotter legt die Gerechtigkeit in Gottes Hand, doch seine Frau stirbt nach der Geburt eines tauben Sohnes.

Das „lebendige Recht des Volkes“

Zwölf Jahre später begegnet der in die Einsamkeit der Bergwelt verbannte Chorherr dem „Kind der Schande“, das mit Runotters Schwester Jula (Thea Steinbrecher) auf der Hängermoosalm lebt. Nach Ansicht des strengen, in Diensten des Klosters stehenden Amtmanns darf ein Senner dort aber nur Ochsen und keine Kühe halten. Obwohl sein Sohn die Almbewohnerin liebt, verwirft er Runotters Verweis auf das „lebendige Recht des Volkes“. Nachdem Pfandeintreiber den großzügigeren Weidebrief vernichten haben, vertreiben sie die Bewohner und zünden die Hütte an. Runotters Sohn kommt durch einen Soldaten um. Aufgebracht beschließt die Bauernversammlung, von Ramsau nach Reichenhall zu ziehen, während Runotter mit seinem toten Sohn zurückbleibt. Da der Fürst gegen die „Landesverräter“ Gewalt einsetzt, schwören die Runotters Rache. Der Sohn des Amtsmanns schließt sich den Aufständischen an. Als deren Kampf verloren scheint, bietet der Fürst plötzlich Frieden an. Recht und Menschlichkeit haben gesiegt, Runotter triumphiert im Sterben.

Bauernkriege, Novemberrevolution

Der im feudalen Mittelalter angesiedelte Roman ist durchaus als eine Art Vorbote der späteren deutschen Bauernkriege zu sehen. Außerdem konnten der Verfall der staatlichen Ordnung in der frühen Weimarer Republik nach dem Trauma von Versailles und der gärenden Novemberrevolution leicht mit der wirtschaftlich schwierigen und seelisch aufgeladenen Befindlichkeit der Entstehungszeit konnotiert werden.

Der ausgleichende Tenor des Stummfilms plädiert nach dem Ersten Weltkrieg für eine Versöhnung der gesellschaftlichen Stände. Das Recht des Einzelnen soll für das übergeordnete Ziel, die Staatsräson, zurückstehen. Sichtbarstes Zeichen für diese Verständigung von Oben und Unten ist die Heirat von Runotters Tochter mit dem aufgeklärten, sensiblen Spross des Amtsmanns.

Aufwändige Rekonstruktionsgeschichte

Der fünfaktige, 1883 Meter lange Film absolvierte 1922 die Zensurprüfung mit lediglich 1512 Metern. Die vom Deutschen Filminstitut & Filmmuseum (DFF) in Frankfurt besorgte digitale Restaurierung und Rekonstruktion in 2k-Qualität nähert sich mit 1709 Metern (83 Minuten bei 18 Bildern pro Sekunde) zu 90 Prozent dem Original an. Der neuen Fassung liegen zwei viragierte Nitro-Positivkopien zugrunde: die leicht gekürzte Version des Wanderkinobetreibers Hermann Hoffmann (mit dem Titel „Der Schiedsmann von Berchtesgaden“), die sich im Besitz des DFF befindet, sowie eine Kopie der Library of Congress, durch die fehlende oder gekürzte Passagen ergänzt werden konnten.

Der Ganghofer-Stoff wurde 1941/42 von Hans Deppe wiederverfilmt und 1987 von Sigi Rothemund als Serie inszeniert.

Der in Karlsbad geborene Kameramann Franz Planer (1894-1963) entstammte einer reichen jüdischen Familie. Für die Adaption des historischen Romans wählte er einen meist ruhigen Erzählrhythmus, mit starren Einstellungen und Rückblenden. Heute überzeugen vor allem die Landschaftsaufnahmen, das Porträt des verbannten Chorherrn in der rauen Bergwelt, die damit kontrastierenden, fast dokumentarischen Bilder auf der Alm und die Schlachtszenen. Planer, der später als Chefkameramann für die Münchner Lichtspielkunst GmbH (Emelka) arbeitete, emigrierte 1937 nach Hollywood und erhielt insgesamt fünf „Oscar“-Nominierungen.

Eine neue Musik

Die von Hans Jürgen Buchner (dem Kopf der Band Haindling) für die restaurierte Fassung komponierte Musik orchestriert das Drama mal subtil anregend, mal dick pathetisch. Buchners bayerische Verwurzelung und Instrumentenwahl kommt vielen Passagen und Stimmungsumbrüchen entgegen. Die Musik doppelt und kontrastiert die Bilder oder hebt die Spannung wie in einer Kadenz wieder auf. Das Konzept wirkt deshalb mitunter überzogen und ablenkend, andererseits aber auch weiterführend und inspirierend.

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