Dokumentarfilm | Frankreich 2007 | 74 Minuten

Regie: Olivier Meyrou

Dokumentarische Langzeitbeobachtung der letzten Berufs- und Lebensphase des französischen Modeschöpfers Yves Saint Laurent, die zugleich ein Porträt seines Lebens- und Geschäftspartners Pierre Bergé zeichnet, der eine Veröffentlichung des Films erst nach seinem Tod gestattet hatte. Der scheue und von seiner Krankheit gezeichnete Designer erscheint darin wie ein einsamer Sonnenkönig, dessen Glanz als Reflex seiner Umgebung sichtbar wird. Neben der Eloge auf die Freundschaft ungleicher Partner wirft der Film einen spannenden Blick hinter die Kulissen der Modewelt. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
CELEBRATION
Produktionsland
Frankreich
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
Hold Up Films
Regie
Olivier Meyrou
Buch
Olivier Meyrou
Kamera
Jean-Marc Bouzou
Musik
François-Eudes Chanfrault
Schnitt
Cathie Dambel
Länge
74 Minuten
Kinostart
26.09.2019
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Dokumentarfilm
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Heimkino

Die Extras enthalten u.a. ein Feature mit im Film nicht verwendeten Szenen.

Verleih DVD
Salzgeber (16:9, 1.78:1, DD5.1 frz.)
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Dokumentarische Langzeitbeobachtung der letzten Berufs- und Lebensphase des französischen Modeschöpfers Yves Saint Laurent.

Diskussion

Der Dokumentarfilm von Olivier Meyrou basiert auf den gesammelten Impressionen einer Langzeitbeobachtung der letzten Berufsphase des französischen Modeschöpfers Yves Saint Laurent. Man sieht den äußerst scheuen und von Krankheit gezeichneten Designer bei der Arbeit an seiner letzten Kollektion, während sein Lebens- und Geschäftspartner Pierre Bergé gleichzeitig allerlei Events organisiert, um den Rückzug von „YSL“ aus dem Geschäft zu zelebrieren.

„Celebration“ wurde bereits im Jahr 2007 auf der „Berlinale“ gezeigt. Doch Bergé erwirkte ein Verbot weiterer Aufführungen zu seinen Lebzeiten. Allerdings gab es Privatvorführungen für andere Filmemacher wie Gus Van Sant und Bertrand Bonello, weshalb man aus heutiger Perspektive „Celebration“ durch Bonellos „Saint Laurent“ hindurchsieht, was für eine eigentümliche, aber hochinteressant zeitversetzte Spannung zwischen dokumentarischem Material („Celebration“) und davon inspirierter Fiktion („Saint Laurent“) sorgt.

Schwanengesang der Nostalgie

Das ist gewissermaßen ein Bonus, der sich der Verspätung der Veröffentlichung von „Celebration“ verdankt, die durch Bergés Tod im Jahr 2017 möglich wurde. Yves Saint Laurent war bereits 2008 in Paris an den Folgen einer Krebserkrankung gestorben. Es gibt überdies Spekulationen, ob auch Paul Thomas Anderson „Celebration“ als Inspiration für „Der seidene Faden“ genutzt haben könnte. Doch vielleicht ist die streng hierarchische Ordnung der Welt um das Genie herum auch nur eine „natürliche“ Struktur einer Modeszene, deren Schwanengesang „Celebration“ gleichfalls darstellt. Insofern handelt der Film auf gleich mehreren Ebenen von Nostalgie.

Man muss sich allerdings nicht für Mode interessieren, um dem Film etwas abzugewinnen. Er steht und fällt mit den gesundheitlichen Problemen und nervösen Ticks seines Protagonisten und den Aktivitäten seines engeren Umfeldes, Saint Laurent den Freiraum zum Spielen und zum kreativen Schlafwandeln zu ermöglichen und zu sichern. Mit dieser Kreativität aufs Engste verbunden ist das Bewusstsein einer Vielzahl von Akteuren, an einem ganz besonderen Projekt beteiligt zu sein.

5, avenue Marceau, Paris

Dieses Projekt trägt den Namen YSL und ist mit einer konkreten Adresse verknüpft: 5, avenue Marceau, Paris. Hier erinnern sich frühere Mitarbeiter an die Einrichtung der Räumlichkeiten, an die Arbeitsatmosphären und an Highlights der jeweiligen Kollektionen (das Matisse, das Mondrian, das Herz, die Hosenanzüge). Von seinem Umfeld wird YSL wie ein Sonnenkönig inszeniert. Vielleicht werde er gleich erscheinen, aber garantieren könne man dafür nicht, obwohl sein Hund, ein untrügliches Zeichen…

Tatsächlich kommt der Hund in „Celebration“ so häufig ins Bild, das man unwillkürlich denkt, was in dem Tier wohl vorging, wenn es all das beobachtete, was dem Zuschauer hier präsentiert wird. Die Fallhöhe ist jedenfalls enorm, wenn YSL dann tatsächlich erscheint und sich wie ein Kind vor dem eigenen Spiegelbild erschrickt. Wenn er seinen Körper in geradezu kubistische Verrenkungen wirft und schlingt, um totale Unbehaglichkeit in der Öffentlichkeit für die Öffentlichkeit zu signalisieren. Wenn er sein Gesicht abwendet, Kette rauchend, bis zum Filter.

Und doch geht von dieser Figur ein Glanz aus, wobei der Film unmissverständlich deutlich macht, dass dieser Glanz ein Reflex der Umgebung ist. Im Presseheft spricht der Regisseur davon, dass YSL so scheu gewesen sei, dass er sich für das Porträt der „Techniken von Tierfilmern“ bedienen musste. Mit dem Effekt, dass YSL hier zunächst einmal als ein ziemlich seltsames Tier erscheint, dessen Umgebung darin geübt ist, all diese Seltsamkeit zu ignorieren.

Filmmusik von François-Eudes Chanfrault

All das bleibt unkommentiert, doch Meyrou hat sich von François-Eudes Chanfrault, einem Komponisten mit Expertise in Sachen Horrorfilm, eine elektronische Filmmusik (und Tischtennis-Soundeffekte) schneidern lassen. In dieses Bild passt ein scheiterndes Gespräch mit einer vertrauten Journalistin, das nicht recht von der Stelle kommen will, weil die Reporterin immer so fragt, dass sie die Antwort gleich mitformuliert, worauf YSL nur noch zustimmt – gar nicht böse, eher abwesend. Dieses Interview basiert auf Schwarz-weiß-Material, was „Celebration“ Anlass gibt, ein kreatives Spiel mit dem Kontrast der Farben zu treiben. Denn im Umfeld der Inszenierung von YSL findet die Arbeit an der Umsetzung der Geniestreiche statt. Hier existiert Zeitdruck, aber auch ein kritischer Diskurs über kaum realisierbare Zumutungen der Entwürfe, denen der Schöpfer der Entwürfe erst wieder in Gestalt der Supermodels begegnen wird.

Nebenher entwirft der faszinierende Film nicht nur ein „Behind the Scenes“ der Modewelt, sondern auch die Skizze eines konkurrierend-ergänzenden Porträts: das von Pierre Bergé, der weit mehr ist als ein Geschäftspartner, Strippenzieher und Kommunikator, sondern tatsächlich ein Lebensgefährte, dem Anteil gebührt am „Projekt“ YSL. Als Saint Laurent für sein Lebenswerk ausgezeichnet wird, nimmt Bergé ganz selbstverständlich und nicht zu Unrecht die Trophäe in die Hand, um seinen Anteil selbstbewusst zu dokumentieren.

Der Abglanz von Einsamkeit

Vielleicht liegt hierin auch der Grund, warum Bergé den Film so lange unter Verschluss gehalten hat. Nicht etwa, weil YSL so gezeigt wird, wie er gezeigt wird, sondern weil hier ein erfahrener Regisseur bei der Arbeit (Bergé) auf einen anderen Regisseur (Meyrou) trifft. Der mit Ergänzungen komplett ausgelastete Bergé hatte für Konkurrenz in der Bilder-Kontrolle keine Reserven übrig.

„Celebration“ ist eine Eloge auf eine sich ergänzende Freundschaft zweier entschieden ungleicher Partner und zugleich ein veritabler Horrorfilm über Einsamkeit und Isolation inmitten von Menschen, die sich vom Abglanz der Einsamkeit nähren, allerdings voller Respekt und Bewunderung.

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