La Maladie du Démon - Die Krankheit der Dämonen

Dokumentarfilm | Deutschland 2018 | 85 Minuten

Regie: Lilith Kugler

In weiten Teilen von Burkina Faso werden psychische Krankheiten, aber auch Epilepsie als Besessenheit interpretiert, der man vorzugsweise mit Isolation, Gebeten oder körperlicher Gewalt begegnet. Der Dokumentarfilm folgt einem Priester und seinem Gehilfen, die gegen das aus Unwissenheit und Aberglaube geborene Stigma ankämpfen. Mit journalistischem Ethos bildet die bittere Bestandsaufnahme den Umgang mit Geisteskrankheiten am Rande der Sahelzone ab, zeigt dabei aber keinerlei Interesse an einer ästhetischen Auseinandersetzung mit dem Sujet. (O.m.d.U.) - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2018
Produktionsfirma
Lilith Kugler Filmprod.
Regie
Lilith Kugler
Buch
Lilith Kugler
Kamera
Lilith Kugler
Musik
Rudolf Schmid · Florian Ehrmann
Schnitt
Lilith Kugler
Länge
85 Minuten
Kinostart
10.10.2019
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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Empathische Reportage über psychisch kranke Menschen und ihre freiwilligen Helfer in Burkina Faso.

Diskussion

Das wichtigste Werkzeug, mit dem Tankpari Guitanga und Timothée Tindano arbeiten, ist eine Metallsäge. Bevor sie sich um ihre Patienten kümmern können, müssen sie zunächst die Ketten des Aberglaubens von deren Füßen trennen. In Handarbeit sägen beide am Stigma der Krankheit, arbeiten sich Schnitt für Schnitt durch die Eisenmanschetten, die in den Nahaufnahmen wie Artefakte aus der Kolonialära wirken.

Es ist das einprägsamste und grausamste Bild, mit dem Tankpari und Timothée regelmäßig konfrontiert sind: Epileptiker und andere psychisch Erkrankte, die in Ketten gelegt, an Bäume gebunden oder in Erdlöchern gehalten werden und deren Leben auf einen Radius von wenigen Metern reduziert ist. Isoliert von der Dorfgemeinschaft und täglich gepeinigt von epileptischen Anfällen, fristen diese Menschen ihr elendes Dasein. Viele haben über Jahre hinweg sogar die Fähigkeit zu sprechen verloren. Ob durch den Stress der Isolation oder die neurologischen Schäden der wiederkehrenden Anfälle, bleibt unklar.

Rituale gegen psychische Krankheiten

Einer der Männer, die Tankpari besucht, ist schon so lange an einen Baumstamm gekettet, dass sein Fuß mit diesem verwachsen ist. Er selbst hat kein Gefühl mehr für die Zeit. Das Anketten, die rituelle Behandlung der „dämonischen Krankheiten“, scheint in Burkina Faso weiter verbreitet zu sein als die Methoden der modernen Medizin.

Tankpari und Timothée kämpfen nicht nur gegen eine Krankheit, sie kämpfen auch gegen ein aus Unwissenheit und Aberglaube geborenes Stigma. Krankheiten wie Epilepsie gelten in Teilen der Region als ansteckende Besessenheit, die nur mit Gebeten und in Isolation geheilt werden kann. Genauer untersucht wurden die Folgen der sozialen Isolation und die gesellschaftlichen Strukturen, die dahinter stehen, bislang aber noch nicht.

Bittere Bestandsaufnahme

Regisseurin Lilith Kugler konzentriert sich auf ein Symptom und seine Behandlung und präsentiert so die Bestandsaufnahme eines medial unbeachteten Phänomens. Die Strukturmängel, die sich im Blick auf arme Regionen oft nur um den Mangel an physischer Versorgung drehen, bekommen in „La Maladie du Démon – Die Krankheit der Dämonen“ ein psychisches Pendant.

Zunächst sind es Zahlen und nicht Bilder, die einen Überblick über die horrenden Strukturmängel der psychiatrischen Medizin in Burkina Faso vermitteln. Im gesamten Land gibt es nur neun zugelassene Psychiater und kaum mehr als 100 zusätzliche Fachkräfte. Von dieser bitteren Bestandsaufnahme aus bewegt sich der Film durch die am Rande der Sahelzone gelegene Region Piéla, die über gar keinen Psychiater verfügt, der die Patienten in den über hunderte Kilometer verstreuten Dörfern behandeln könnte. Deshalb stehen Freiwillige wie Tankpari den psychisch Erkrankten bei.

Mit unermüdlicher Geduld und Sorgfalt empfängt Tankpari seine Patienten, die in einem Unterstand dicht gedrängt Schutz vor der Sonne suchen. Er versorgt sie unter ärztlicher Anweisung vor Ort oder sogar bei sich zuhause und organisiert den Medikamententransport, der in seiner Umständlichkeit auch außerhalb der Regenzeit einem logistischen Großvorhaben gleicht, das erst über einen Umweg von vier Busfahrten zur örtlichen Apotheke führt.

Ein journalistisches Anliegen

Um Tankparis Bemühungen kreist der Film. Wo der Helfer auftaucht, ist die Kamera. Wer ihm seine Geschichte erzählt, erzählt sie der Kamera. In der Zusammenarbeit mit den Protagonisten spricht der Film dem engagierten Pfarrer subtil seine Bewunderung aus. Einmal muss Tankpari ein Interview beenden, als er hört, dass einer seiner Patienten nicht mehr aufzufinden sei. Die Kamera läuft geduldig weiter, während der Pastor herauszufinden versucht, welcher Patient weggelaufen ist, ehe er schließlich das Interview beendet, um sich selbst auf die Suche zu machen.

Trotz erkennbarer Nähe zum Protagonisten bleibt Kugler ihrem im Kern journalistischen Anliegen treu. „La Maladie du Démon – Die Krankheit der Dämonen“ ist deshalb eine empathische Reportage, die nicht an einer ästhetischen Auseinandersetzung mit dem Sujet interessiert ist. Der Film mag als Werkzeug dienen, um den Angeketteten und ihren Helfern ein Gesicht zu geben; als Medium des Erkenntnisgewinns wird der Film jedoch nicht gebraucht.

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