Der Schwan (2017)

Romain Antony | 27.01.2021

Im Filmdienst vier Sterne: da sind meine Erwartungen hoch und die Vorfreude auf den Film ist groß! Aber: Mir gingen die die vielen Landschaftsbezüge auf den Keks. Ebenso die fliegenden Schwäne, die nach ihrem geschlachteten Kalbskind muhende Kuh, die häufig durchs Bild galoppierenden Islandpferde. Mich störten die plumpen, pseudopoetischen Märchen- und Legendeneinschübe, die einen Bezug zu Tradition, Archaik und Allegorik herstellen sollten und die Emotionalisierungsbestrebungen im Plot: a) das Kälbchen an dessen Geburt Sól beteiligt war und weswegen sie es besonders mochte, musste geschlachtet werden (ja daran muss man sich gewöhnen sagt der Bauer). Und dann kommt gebratenes Kalbfleisch auf zum Abendessen auf den Tisch (sieht continuitymäßig so aus als sei das am gleichen Tag, bereits entfellt, unabgehangen oder liegen da Tage zwischen?) b) Sól überrascht den Knecht beim Onanieren. Wieso diese Szene? Mir scheint den FilmbetrachterInnen soll suggeriert werden, da könnte ein sexueller Missbrauch stattfinden, wo doch der Knecht und Sòl ein gemeinsames Zimmer teilen..diese Befürchtung wird lange im Film offen gehalten und löst sich auf durch Bilder einer sich entwickelnden Zuneigungsbeziehung. Sehr verstörend und unverständlich der Mundkuss, begleitet von dem Spruch, dass sie, Sól, sich später in ihrer kühlen, entfremdeten, unglücklichen Ehe an diesen warmen, liebenden Kuss erinnern werde. Über soviel verquerte Resilienzvermittlung konnte ich nur den Kopf schütteln und mich fragen was das sollte, welche Botschaft ich da wohl nicht verstanden hätte. c) Und als die in ihrem Leben mehr als unzufrieden Tochter des Hauses vor den Augen Sóls, den verschmähten, betrunkenen Geliebten vom Pferd hangabwärts hinunter ins Bachwasser gleiten sah, ohne einzugreifen, scherte sich später niemand um dessen Verbleib. Eine kurze Frage von Sól, eine Beschwichtigung. Es sollte unklar bleiben, ob er ertrunken oder abgehauen ist. Den ZuschauerInnen blieb es überlassen sich sein Ende auszudenken. Eine offene Gestalt. Offene Gestalten sind ein gutes Mittel, um anhaltende Spannung zu erzeugen, aber schlecht, wenn sie nur dieses Ziel verfolgen.. Ein letzter Punkt. Da soll es in Nähe des Bauernhofes ein Schwimmbad gegeben haben, einmal sieht am Kinder im Wasser in einem relativ großen, modernen, perfekt gekacheltem Becken schwimmen. Wo soll denn das gewesen sein? In einer Vogelperspektive am Ende des Films sieht man auf das Anwesen. Da gab es kein Gebäude, welches als Schwimmbad hätte fungieren können. Zweimal kamen aus der Nachbarschaft. Sie mussten sich für das Bad den Schlüssel bei der Bäuerin holen. Wo kamen die her. Sie müssen kilometerweit gelaufen sein, mit ihren Handtüchern unterm Arm, um in einem nicht vorhandenen Hallenbad zu schwimmen. Brauchte man diese Handlung, um Kinderkontakte zu organisieren? Oder habe ich wieder mal eine Symbolik nicht verstanden? Neben anderen Ungereimtheiten, auf die ich nicht weiter eingehen möchte, gab es auch ein überzeugendes positives Element in meiner Sichtweise des Films: die hervorragende Darstellungsleistung von Grima Valsdóttir in der Rolle der Sól. Und: die nörgelnde, andere belehrende, kritisierende Tochter des Bauernehepaares, die auf Unzulänglichkeiten anderer starrt, um sich nicht mit ihren eigenen zu beschäftige, wurde überzeugend dargestellt und war psychologisch gut ausgedacht. Und ich frage mich darauf hin, ob ich nicht auch liebend gerne Filme kritisiere, um mich nicht mit meinen Schwachstellen zu beschäftigen.